Druckversion
Samstag, 10.05.2025, 06:58 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/hintergruende/h/bverwg-3C-2513-3C2613-3C2713-e-zigarette-arzneimittel-verbot-warnung
Fenster schließen
Artikel drucken
13880

BVerwG zu E-Zigaretten: "Genuss- und keine Arzneimittel"

von Anne-Christine Herr

20.11.2014

E-Zigarette

© Artur Marciniec - Fotolia.com

Die Zigarette ist tot – es lebe die E-Zigarette. In Bars ist sie schon erlaubt. Nun hat das BVerwG entschieden, sie nicht als Arzneimittel einzustufen und entzieht damit den behördlichen Verboten und Warnungen die Grundlage. Richtig so, meint Wolfgang Voit, der zu dieser Frage gutachterlich tätig war. "Dampfer" wissen, dass auch die elektronischen Glimmstengel der Gesundheit nur schaden.

Anzeige

LTO: Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat heute in drei Revisionsverfahren über die elektronische Zigarette (E-Zigarette) entschieden, dass sie nicht als Arzneimittel einzustufen ist (Urt. v. 20.11.2014, Az. 3 C 25.13; 3 C 26.13; 3 C 27.13). In einem der Verfahren haben sie ein Gutachten geschrieben. Können Sie kurz erläutern, worum es in diesem und den anderen Klagen ging?

Voit: Beim Gebrauch der E-Zigarette wird eine in einer Filterkartusche oder einem Tank befindliche und meist niktotinhaltige Flüssigkeit, das sogenannte Liquid, elektrisch erhitzt. Der dabei entstehende Dampf wird inhaliert.

In den Verfahren ging es nun darum, ob die E-Zigaretten unter das Arzneimittelgesetz (AMG) fallen. Dies bejahten das Gesundheitsministerium NRW und die Stadt Köln. Sogar die Bundesregierung hat sich für diese Einstufung ausgesprochen. Auf der Grundlage dieser Einordnung haben Behörden dann den Vertrieb und die Herstellung der Liquids verboten, weil es sich um zulassungspflichtige Arzneimittel handele, die ohne Zulassung auf dem Markt seien.

Hersteller und Händler wurden dann auf das strafrechtlich sanktionierte Verbot hingewiesen, solche Produkte ohne eine Zulassung in den Verkehr zu bringen. Die Stadt Köln hatte dem Inhaber eines Tabakladens sogar den Vertrieb stärkerer nikotinhaltiger Liquids mit dieser Begründung versagt.

Die von den Verboten und Warnungen Betroffenen haben gegen diese Vorgehensweisen der deutschen Verwaltung geklagt. Parallel dazu hatte ein Hersteller Feststellungsklage erhoben, um klären zu lassen, dass E-Zigaretten nicht als Arzneimittel anzusehen sind. In diesem Verfahren hatte ich auch mein Gutachten erstattet.

"Ziel der Hersteller ist nicht die Entwöhnung, sondern die Gewöhnung"

LTO: Wie kann denn eine Behörde ein  derartiges Produkt als ein Arzneimittel einstufen? Das leuchtet doch höchstens unter dem Aspekt ein, dass manche Menschen die E-Zigarette zur Raucherentwöhnung verwenden, oder?

Prof. Dr. Wolfgang VoitVoit: Die Einstufung wäre ja richtig, wenn es um die Raucherentwöhnung geht. Hier könnten nikotinhaltige E-Zigaretten in der Tat therapeutisch wirken.

Die Richter mussten in diesem Fall aber nur über die E-Zigaretten entscheiden, die gerade nicht der Raucherentwöhnung dienen. Damit sind solche gemeint, die zum Teil in Tabakläden, zum Teil auch in eigenen Geschäften als eigenständige Produkte und als Alternative zu den herkömmlichen Tabakzigaretten vertrieben werden. Ziel der Hersteller ist damit gerade nicht die Entwöhnung, sondern die Gewöhnung an den Dampf. Es handelt sich daher um Genussprodukte, die aus Sicht des Herstellers dauerhaft als Alternative zur herkömmlichen Zigarette verwendet werden sollen.

Insofern ist es tatsächlich auf den ersten Blick schwer nachvollziehbar, wieso man überhaupt auf den Gedanken kommt, darin ein Arzneimittel zu sehen. Tatsächlich entspricht der rechtliche Begriff des Arzneimittels aber nicht dem umgangssprachlichen.

"E-Zigaretten werden als Lifestyle-Produkte verkauft"

LTO: Wie genau definiert man das Arzneimittel denn im AMG?

Voit: Für die Einstufung kommt immer auf das konkrete Produkt mit seiner Zusammensetzung und Zweckbestimmung an. Im europäischen und auch im deutschen Arzneimittelrecht unterscheidet man nämlich zwischen sogenannten Präsentations- und Funktionsarzneimitteln.

Präsentationsarzneimittel sind solche, bei denen der Hersteller durch die Aufmachung oder die Zweckbestimmung eine therapeutische Wirkung in Anspruch nimmt. Dies kann eben bei E-Zigaretten der Fall sein, wenn sie etwa mit dem Hinweis "Zur Raucherentwöhnung" versehen sind.

Werden E-Zigaretten aber als Lifestyle-Produkte verkauft, dann können sie nicht in diese Kategorie eingestuft werden. Das ist heute der Regelfall, denn die Werbung für diese Produkte zielt auf Dauerkunden und auf Dauerkonsum ab.

Die beklagten staatlichen Institutionen haben das Gesetz weit ausgelegt und die E-Zigarette als Funktionsarzneimittel eingestuft.

Seite 1/2
  • Seite 1:

    E-Zigaretten sind keine Arzneimittel

  • Seite 2:

    Die Nutzer wissen, worauf sie sich einlassen

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

Anne-Christine Herr, BVerwG zu E-Zigaretten: . In: Legal Tribune Online, 20.11.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13880 (abgerufen am: 14.05.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Verwaltungsrecht
    • Arzneimittel
    • Gesundheit
    • Rauchen
  • Gerichte
    • Bundesverwaltungsgericht (BVerwG)
Mann sitzt besorgt in seiner Wohnung 12.05.2025
Mietwohnung

BGH zu Härtefall nach Eigenbedarfskündigung:

Gesund­heits­zu­stand muss nicht zwin­gend mit ärzt­li­chem Attest belegt werden

Ein Mieter mit psychischen Beschwerden muss diese nicht mit einem fachärztlichen Attest belegen. Die Beurteilung seines Psychoanalytikers genügt, um einen Härtefall gegen die Eigenbedarfskündigung zu begründen, stellt der BGH klar.

Artikel lesen
Zigarettenautomat 02.05.2025
Rauchen

LG Heilbronn zu Warnhinweisen am Zigarettenautomaten:

Ein Auf­k­leber reicht

Ein Tabakgroßhändler muss nicht jede Auswahltaste eines Zigarettenautomaten mit Warnhinweisen versehen. Der Verbraucher benötige die Hinweise nicht: Seine Kaufentscheidung stehe schon vor dem Gang zum Automaten fest, so das LG Heilbronn.

Artikel lesen
Ein Mediziner berät zur Spirale 09.04.2025
Medizin

OLG Frankfurt am Main:

1.000 Euro Sch­mer­zens­geld nach Bruch einer Ver­hü­tungsspi­rale

Sogenannte Kupferspiralen gelten als beliebte Verhütungsalternative zur Antibabypille. Weil eine Frau infolge eines Produktfehlers noch einmal behandelt werden musste, erhält sie nun 1.000 Euro Schmerzensgeld.

Artikel lesen
Arzt hält ein Döschen Cannabis in den Händen 07.03.2025
Wettbewerbsrecht

OLG Frankfurt am Main sieht Irreführung:

Ver­mitt­lungs­portal darf nicht für medi­zi­ni­sches Cannabis werben

Behandlung mit Cannabis auf Rezept – und das Ganze digital? Ein Vermittlungsportal verstößt mit diesem Angebot gleich dreimal gegen Wettbewerbs- beziehungsweise Berufsrecht, so das OLG Frankfurt am Main.

Artikel lesen
Eine Gruppe Menschen trinkt Kaffee 06.03.2025
Interview

Das bringen juristische Communities:

"Viele Juristen zwei­feln oder haben Zukunft­s­ängste"

Ob bei der Hausarbeit im Studium oder später im Beruf: Viele Juristen sind Einzelkämpfer. Woran das liegt und wie juristische Communities unterstützen können, erklärt Anwältin und Coach Marie-Theres Boetzkes im Interview.

Artikel lesen
Long Covid 21.01.2025
Coronavirus

SG Heilbronn zu den medizinischen Folgen von Corona:

Gericht erkennt Post-Covid als Berufs­krank­heit an

Fast auf den Tag genau vor fünf Jahren brach Corona auch in Deutschland aus. Die Folgen werden nicht nur die Justiz lange beschäftigen. Die hat nun wieder ein wichtiges Urteil vorgelegt.

Artikel lesen
ads lto paragraph
lto karriere logo
ads career people

Was ist Dein nächster Karriereschritt?

Jetzt registrieren
logo lto karriere
TopJOBS
Logo von Deutsche Rentenversicherung Bund
Voll­ju­rist*in (m/w/div)

Deutsche Rentenversicherung Bund , Ge­ra

Logo von Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg
Staats­an­wäl­tin (Rich­te­rin auf Pro­be) / Staats­an­walt (Rich­ter auf Pro­be)...

Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg , Pots­dam

Logo von Hengeler Mueller
Rechts­an­wäl­te (m/w/d) im Be­reich Öf­f­ent­li­ches Wirt­schafts­recht/...

Hengeler Mueller , Düs­sel­dorf

Logo von Stadt Kempten (Allgäu)
Sach­be­ar­bei­tung (m/w/d) Recht­s­an­ge­le­gen­hei­ten für das Bau­ver­wal­tungs- und...

Stadt Kempten (Allgäu) , Kemp­ten (All­gäu)

Logo von Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg
Staats­an­wäl­tin (Rich­te­rin auf Pro­be) / Staats­an­walt (Rich­ter auf Pro­be)...

Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg , Cott­bus

Logo von European Patent Office (EPO)
Al­ter­na­te Chair of the Di­s­ci­p­li­na­ry Com­mit­tee of the Eu­ro­pe­an Pa­tent...

European Patent Office (EPO) , Mün­chen

Logo von Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW)
Füh­rungs-Trainee (m/w/d) in der ge­setz­li­chen Un­fall­ver­si­che­rung

Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) , Dres­den

Logo von Sächsischer Landtag
Re­fe­rent (m/w/d)

Sächsischer Landtag , Dres­den

Mehr Stellenanzeigen
logo lto events
Online Info Session Jurastudium (LL.B., EjP)

21.05.2025

25. Düsseldorfer Insolvenztage 2025

22.05.2025, Düsseldorf

Nivalion Legal Finance Summit 2025

22.05.2025, Frankfurt am Main

ICC Germany Arbitration Day

22.05.2025, Frankfurt am Main

Triff Möhrle Happ Luther auf der StuWi 2025 in Wismar

22.05.2025, Wismar

Mehr Events
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH