EU-Arbeitszeitrichtlinie: Mehr Geld für Feu­er­wehr­leute! Und auch für andere Arbeit­nehmer?

von Dr. Silvia Lang und Dr. Nadine Kramer

21.07.2017

2/2: Opt-Out-Option wird in deutscher Privatwirtschaft selten genutzt

Die Opt-Out-Option wird in Deutschland allerdings selten genutzt. Ein Grund dafür könnte die mögliche Europarechtswidrigkeit der entsprechenden Regelung sein – bei unwirksamer, weil rechtswidriger Anordnung von Mehrarbeit müsste diese ggf. nachträglich vergütet werden. Auch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales stellt diese Zurückhaltung in seinem Weißbuch Arbeiten 4.0 fest und macht dafür die sinkende Tarifbindung sowie die Vielzahl der Arbeitnehmer, die von derartigen Gestaltungsansätzen nicht erfasst sind, verantwortlich.

Das ist problematisch, könnten doch die in der modernen Arbeitswelt bestehenden divergierenden Interessen auf diese Weise gut austariert werden. Hier stehen sich die Gefahren von Entgrenzung der Arbeit und Überforderung der Arbeitnehmer einerseits sowie der Wunsch der Arbeitnehmer nach mehr zeitlicher Flexibilität und Selbstbestimmung andererseits gegenüber.

Vereinbarungen der Sozialpartner sind zwar wünschenswert, weil sie helfen, diesen Konflikt zu befrieden. Dies wäre allerdings nicht mehr als ein Workaround. Besser wäre es, gleich die für alle geltende gesetzliche Basis zu modernisieren. Aktuell ist das ArbZG das Gesetz, gegen das wohl am häufigsten verstoßen wird. Der Grund: Die Regelungen sind gerade vor dem Hintergrund der modernen Arbeitswelt nicht mehr zeitgemäß. Experten fordern deshalb eine Reform: weg von Regelung der Arbeitszeit pro Werktag hin zu einer - auch europarechtlich geltenden - Arbeitszeit pro Woche.

Verstöße gegen ArbZG können strafrechtliche Folgen haben

Leider gehen viele Arbeitgeber davon aus, dass Verstöße ohne Konsequenzen blieben. Das ist ein Trugschluss: Bei einer Überschreitung der werktäglichen Arbeitszeit von acht Stunden (vgl. § 3 ArbZG) drohen Geldbußen von bis zu 15.000 Euro (vgl. § 22 Abs. (2), (1) Nr. 1 ArbZG). Noch gravierender sind die Sanktionen, wenn der Verstoß Gesundheit oder Arbeitskraft von Arbeitnehmern gefährdet. Dann drohen sogar strafrechtliche Konsequenzen: Bei Vorsatz kommt eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe in Betracht (vgl. § 23 Abs. (1) ArbZG), bei Fahrlässigkeit eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten und eine Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen (vgl. § 23 Abs. (2) ArbZG) - dies erschiene daher als Vorstrafe im polizeilichen Führungszeugnis. Als "Täter" kommen neben dem Arbeitgeber – Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder - auch Prokuristen und verantwortliche Abteilungs- oder Betriebsleiter sowie leitende Angestellte in Betracht, wenn sie von der Geschäftsführung oder dem Vorstand beauftragt wurden.

Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz stellen aber auch eine arbeitsrechtliche Pflichtverletzung dar: Arbeitnehmer haben in einem solchen Fall einen Erfüllungsanspruch und das Recht, die Leistung zu verweigern. Außerdem stehen ihn Schadensersatzansprüche zu. Im Ergebnis lohnt es sich deshalb für alle Arbeitgeber, die Vorgaben des ArbZG einzuhalten und Reformvorhaben zu unterstützen.

Dr. Silvia Lang ist Senior Associate bei Hogan Lovells in München, Dr. Nadine Kramer ist Senior Associate bei Hogan Lovells in Frankfurt. Beide Autorinnen sind Fachanwältinnen für Arbeitsrecht und beraten Mandanten schwerpunktmäßig in allen Fragen des Arbeitsrechts.

Zitiervorschlag

Dr. Silvia Lang und Dr. Nadine Kramer, EU-Arbeitszeitrichtlinie: Mehr Geld für Feuerwehrleute! Und auch für andere Arbeitnehmer? . In: Legal Tribune Online, 21.07.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23551/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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