BVerwG zur Entfernung eines rechtsextremen Polizisten aus dem Dienst: Auf die Gesamt­wür­di­gung kommt es an

von Sarah Nußbaum

18.11.2017

2/2: Einzelne Vorwürfe nicht relevant

Für die Richter des Bundesverwaltungsgerichts kam es allerdings gar nicht darauf an, ob jeder einzelne Vorwurf aus der Disziplinarklage bewiesen werden konnte. Während sich die erste und zweite Instanz an der mangelnden Nachweisbarkeit abmühten, nahmen die Bundesrichter eine Gesamtwürdigung des Verhaltens des Polizeibeamten vor.

So war weniger relevant, dass der Beamte den Hitler-Gruß vielleicht gar nicht im Inland zeigte und er somit nicht strafrechtlich sanktioniert werden konnte, oder dass er vielleicht wegen völliger Trunkenheit entschuldigt sein könnte. Die Richter erkannten lediglich, dass es mehrere, jedenfalls zwei identifizierte Situationen gab, in denen der Polizeibeamte den Hitler-Gruß zeigte.

Daneben sahen sie, dass in seiner Privatwohnung zahlreiche Devotionalen der rechten Szene gefunden wurden. Auch hier zählte für die Richter nicht, dass der Besitz nicht strafbar war und er die Gegenstände lediglich zu Hause aufbewahrte. Ebenso verhält es sich auch mit seinem Kontakt zu Personen der Szene oder seiner Teilnahme an Veranstaltungen.

Aus den einzeln disziplinarrechtlich nicht relevanten Umständen zogen die Richter des BVerwG Rückschlüsse auf die Gesinnung des Polizeibeamten. Sie waren davon überzeugt, dass Tätowierungen zwar auch dekorative Zwecke erfüllen, aber der Körper ebenso bewusst als Kommunikationsmedium eingesetzt werden kann. Insbesondere angesichts ihrer Dauerhaftigkeit bekenne sich der Träger in besonderer Weise mit der dargestellten Ideologie. Den rechtsextremistischen Bezug der Abbildung erkannten die Richter nicht zuletzt dank ihrer musikalischen Vorkenntnisse an der abgebildeten Melodie und dem weiteren Verhalten des Beamten. 

Grundsätzliche Bedeutung der Entscheidung

Bisher war dem Disziplinarrecht eine Rechtsprechung nach der Gesinnung des Täters fremd. Erforderlich war vielmehr ein nachweisbares Verhalten. Dem Polizeibeamten konnte indes nicht nachgewiesen werden, dass er seinen freien Oberkörper, also seine Tätowierungen, im Inland in der Öffentlichkeit zeigte.

Trotzdem erkannten die Leipziger nach einer Gesamtwürdigung seines Verhaltens, den Tätowierungen, dem Besitz der Devotionalien und dem wiederholten Zeigen des Hitler-Grußes eindeutig ein durch die Tätowierungen dokumentiertes Bekenntnis als grundsätzliche und dauerhafte Abkehr von den Prinzipien der Verfassungsordnung, die zu einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führen müsse.

Der in Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz (GG) geforderten politischen Treuepflicht des Beamten kann dieser auch nicht das Grundrecht auf Meinungsfreiheit entgegenhalten. Zum einen ist ein Verhalten nur dann verfassungsrechtlich von Art. 5 Abs. 2 GG geschützt, wenn es nicht unvereinbar mit Art. 33 Abs. 5 GG im Sinne eines ausdrücklichen Gesetzesvorbehaltes ist. Zum anderen richtet sich der disziplinarrechtliche Vorwurf nicht gegen die Wahrnehmung der grundrechtlichen Betätigung als solche, sondern gegen die im Zusammenhang erfolgte Begründung des Anscheins einer Identifizierung mit der rechtsextremen Strömung.

Auch wenn die schriftliche Begründung des Urteils noch abzuwarten bleibt, zeigt sich schon jetzt die grundsätzliche Bedeutung der Entscheidung. Mit Spannung darf daher die Entwicklung beobachtet werden, wenn nach rechtsextremen Polizisten auch die Frage nach "islamistischen Polizisten" gestellt wird.

Die Autorin Sarah Nußbaum ist Rechtsanwältin in der Hotstegs Rechtsanwaltsgesellschaft, Düsseldorf. Die Kanzlei ist auf das öffentliche Dienstrecht, insbesondere Beamten- und Disziplinarrecht spezialisiert.

Zitiervorschlag

BVerwG zur Entfernung eines rechtsextremen Polizisten aus dem Dienst: . In: Legal Tribune Online, 18.11.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25595 (abgerufen am: 05.10.2024 )

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