Freigestellte Personalratsmitglieder bekommen die gleiche Vergütung wie ihre Kollegen. Aber es gibt keine Zulagen für besondere Leistungen, sagt das BVerwG – und weicht damit von der Linie des BAG zu Betriebsräten ab.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat gestern überraschend entschieden, dass freigestellte Personalratsmitglieder regelmäßig keinen Anspruch auf Berücksichtigung bei der sog. Leistungsbesoldung haben (Urt. v. 23.01.2020, Az. 2 C 22.18). Damit hebt das BVerwG nicht nur die Entscheidung der Vorinstanz auf, sondern weicht auch von der Linie des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur Vergütung freigestellter Betriebsratsmitglieder bei leistungsbezogenen Vergütungsbestandteilen ab.
Geklagt hatte ein Polizeihauptkommissar im Dienst der Bundespolizei, er war als Mitglied des Personalrats vollständig von seiner Dienstpflicht befreit. Für freigestellte Personalratsmitglieder gilt das sog. Lohnausfallprinzip (§ 46 Abs. 2 S. 1 BPersVG). Sie müssen also genau das verdienen, was sie verdienen würden, wenn sie nicht freigestellt wären. Dabei dürfen sie gegenüber ihren nicht freigestellten Kollegen nicht benachteiligt werden (§ 46 Abs. 3 S. 6 BPersVG). Haben die Kollegen also eine Chance auf Besoldungsentwicklung, darf diese den freigestellten Personalratsmitgliedern nicht vorenthalten werden.
Eigentlich sollte das im Besoldungsrecht recht einfach sein: Anders als in der freien Wirtschaft ist die Beamtenbesoldung nicht frei verhandelbar, sondern gesetzlich in den Besoldungstabellen festgelegt. Vergleichbare Bedienstete erhalten also grundsätzlich immer dieselbe Besoldung.
Leistungsbezogene Besoldung im Ermessen der Behördenleiter
Genau in diesem "grundsätzlich" steckt aber die Tücke des nun entschiedenen Falles. Denn auch Beamte haben die Möglichkeit, neben ihrer Grundbesoldung Prämien zu erhalten, die sog. Leistungsbesoldung. In welchen Fällen ein solcher Anspruch besteht, richtet sich für Bundesbeamte nach der Bundesleistungsbesoldungsverordnung (BLBV) und den dazugehörigen Durchführungshinweisen. Diese sehen Leistungsstufen, Leistungsprämien und Leistungszulagen vor, um "herausragende bzw. herausragende besondere Leistungen" zu belohnen.
Genau solche leistungsbezogenen Besoldungsbestandteile hatte der Kläger begehrt. Allerdings lassen sich Kriterien für die Bemessung "herausragender besonderer Leistungen" aufgrund der Vielzahl unterschiedlicher Behörden nicht allgemeingültig festlegen. Denn während sich unter den Bundesbürgern mit großer Wahrscheinlichkeit ein Konsens dafür fände, die Besoldung der Beamten im Bürgeramt an Faktoren wie "Kundenzufriedenheit" oder "durchschnittliche Wartezeit" zu koppeln, wäre dies bei den Beamten einer Justizvollzugsanstalt wohl etwas vermessen.
Der Verordnungsgeber hat sich deshalb für ein flexibles Modell entschieden und die Frage, wer eine Leistungsbesoldung in welcher Höhe erhält, ins Ermessen der Behördenleiter bzw. den von diesen bestimmten Entscheidungsberechtigten gestellt (§ 9 BLVB). Die Beamten haben aber einen Anspruch darauf, ermessensfehlerfrei in die Entscheidung einbezogen zu werden.
Der Bundespolizist meinte, dass sein vor seiner Freistellung als Personalratsmitglied entstandener Anspruch auf ermessensfehlerfreie Berücksichtigung bei der leistungsbezogenen Besoldung nicht allein dadurch erlöschen könne, dass er infolge der Freistellung selbst fortan keine dienstlichen Leistungen erbringen könne.
Besondere Leistungen brauchen eine Tatsachengrundlage
Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben und den Bund auf der Grundlage des Lohnausfallprinzips und des Benachteiligungsverbots dazu verpflichtet, neu zu entscheiden, ob dem Beamten eine leistungsbezogenen Besoldung zusteht. Freigestellte Personalratsmitglieder hätten einen Anspruch auf die Besoldung, die sie erhielten, wenn sie in ihren bisherigen Aufgabenbereichen verblieben wären. Dazu gehöre auch, eine etwaige leistungsbezogene Besoldung. Das Oberverwaltungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil bestätigt, aber die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Das BVerwG hat nun der Revision des Beklagten stattgegeben, die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben und die Klage abgewiesen. So habe ein vollständig vom Dienst freigestelltes Personalratsmitglied in aller Regel keinen Anspruch auf Einbeziehung in die Ermessensentscheidung über die Gewährung leistungsbezogener Besoldungselemente, heißt es in der Mitteilung des Gerichts.
Denn dies setze voraus, dass der betroffene Beamte – wäre er nicht freigestellt – eine „herausragende besondere Leistung“ erbracht hätte. Für diese Annahme bedürfe es einer belastbaren Tatsachengrundlage. Eine solche erscheine bei ganz vom Dienst freigestellten Personalratsmitgliedern aber nahezu ausgeschlossen. Anerkannte fiktionale beamtenrechtliche Instrumente könnten sie nicht ersetzen, das personalvertretungsrechtliche Benachteiligungsverbot finde hier seine Grenze. Anderes käme ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn der Beamte in der Zeit vor seiner Freistellung wiederholt herausragende besondere Leistungen erbracht hat und diese mit einer Form der Leistungsbesoldung honoriert wurden.
Was bedeutet das für die Betriebsratsvergütung?
Das BVerwG weicht mit seiner Entscheidung also erheblich von der Linie ab, die das BAG bei der Vergütung freigestellter Betriebsratsmitglieder verfolgt, und von der offenbar auch die ersten Instanzen überzeugt waren. Danach ist von dem Lohnausfallprinzip auch nicht bei sonstigen Vergütungsbestandteilen abzuweichen. Vielmehr gilt nach dem BAG der einfache Grundsatz: Ist der Vergütungsbestandteil Gegenleistung für die Arbeit des Betriebsrates, dann ist sie auch während der Freistellung als Betriebsratsmitglieds weiter zu gewähren. Handelt es sich um den Ersatz von Aufwendungen, die während der Freistellung nicht mehr anfallen, dann ist sie grundsätzlich nicht weiter zu gewähren.
Insoweit wird man eine Leistungsbesoldung aber durchaus als Gegenleistung für die Arbeit qualifizieren müssen. Auch im BPersVG gelten Lohnausfallprinzip und Benachteiligungsverbot wie im Betriebsverfassungsrecht. Freigestellte Betriebsratsmitglieder haben also genau wie freigestellte Personalratsmitglieder einen Anspruch auf das Entgelt, welches sie erhalten würden, wären sie nicht freigestellt. Ferner dürfen sie gegenüber anderen Arbeitnehmern auch nicht benachteiligt werden, müssen also gleichermaßen eine Chance auf eine betriebsübliche berufliche Entwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer haben.
Anders als das BAG zieht das BVerwG die Grenze des Benachteiligungsverbots aber dort, wo es einer rein hypothetischen Betrachtung bedürfte, um mögliche Benachteiligungen zu vermeiden. Denn das BAG fasst unter das Benachteiligungsverbot sämtliche Vergütungsleistungen, im Gegensatz zum BVerwG also auch besondere Leistungszulagen oder -prämien, wenn ein vergleichbarer, nicht freigestellter Arbeitnehmer die Voraussetzungen hierfür üblicherweise erfüllt.
Dies verlangt Arbeitgebern in der Praxis häufig extrem aufwendige Prüfungen ab, um – zum Teil über Jahrzehnte hinweg – eine betriebsübliche hypothetische Gehaltsentwicklung nachzuzeichnen. Rechtssicherheit lässt sich dabei selten erzielen. Vor dem Hintergrund, dass eine fehlerhafte Berechnung mitunter sogar strafrechtliche Konsequenzen haben kann, bedeutet der Ansatz des BVerwG also eine Erleichterung für die Dienstgeber.
Allerdings ist nicht zu erwarten, dass sich das BAG der Ansicht des BVerwG in naher Zukunft anschließen wird.
In der Entscheidung des BVerwG zeigt sich damit das grundsätzliche Dilemma bei der Vergütung von freigestellten Arbeitnehmervertretern: Leistungen, Kenntnisse und Qualifikationen, die in der Amtsausübung erworben werden, dürfen bei der Vergütungsbemessung nicht berücksichtigt werden. Das hätte aber in dem vorliegenden Fall weitergeholfen und eine Bewertung der Leistung des Personalratsmitglieds ermöglicht. Die Leistungen als freigestelltes Personalratsmitglied nicht zu berücksichtigen ist ist praxis- und realitätsfremd. Hier ist der Gesetzgeber gefordert, sowohl für Personalräte als auch für Betriebsräte eine klare Regelung zu finden.
Dr. Jochen Keilich, LL.M. (Exeter) ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei Pusch Wahlig Workplace Law in Berlin. Martin Brune ist dort Wissenschaftlicher Mitarbeiter.
BVerwG zur Besoldung für Personalratsmitglieder: . In: Legal Tribune Online, 24.01.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/39889 (abgerufen am: 14.11.2024 )
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