BVerfG verhandelt zum Versorgungsausgleich: Kapi­tal­ver­nich­tung bei der Schei­dung

Gastbeitrag von Werner Schwamb (Vors. Richter am OLG a. D.)

09.03.2020

Zehn Jahre nach der Reform des Versorgungsausgleichs muss das BVerfG entscheiden, ob eine umstrittene Ausnahmeregelung für Betriebsrenten in § 17 VersAusglG verfassungsgemäß ist.

Wenn eine Ehe geschieden wird, dann müssen Paare nicht nur Fragen zu Unterhalt oder Sorgerecht klären, sondern auch zur Altersversorgung. Grundlage dafür ist der sogenannte Versorgungsausgleich, durch den etwa Rentenansprüche fair aufgeteilt werden sollen. Am Dienstag wird der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in einer mündlichen Verhandlung eine Sonderregelung für Betriebsrenten prüfen (Az. 1 BvL 5/18).

Nach geltendem Recht sollen die während der Ehe erworbenen Anrechte zum Beispiel in der gesetzlichen Rentenversicherung als eine gemeinsame Lebensleistung angesehen werden, deshalb soll sie zwischen den Partnern gleichermaßen auf beide aufgeteilt werden. Dazu heißt es in § 1 des im Jahr 2009 eingeführten Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG): "Im Versorgungsausgleich sind die in der Ehezeit erworbenen Anteile von Anrechten jeweils zur Hälfte zwischen den geschiedenen Ehegatten zu teilen"

Ausnahmeregelung vor dem BVerfG

Regelmäßig kommt es zu einer sogenannten internen Teilung der Anrechte zwischen den beiden Ehepartnern. Das heißt, dass der Ausgleich innerhalb des jeweiligen Versorgungssystems erfolgt. Wenn der Ehemann in der gesetzlichen Rentenversicherung beispielsweise zehn Entgeltpunkte erworben hat, werden davon fünf Punkte auf das Versicherungskonto seiner Exfrau übertragen.

In Ausnahmefällen kommt es zu einer externen Teilung. Dabei werden Ansprüche auf einen anderen Versorgungsträger übertragen. Das bedeutet beispielsweise, dass ein Ausgleichsbeitrag aus einer Betriebsrente an einen anderen Träger etwa für eine Riesterrente überwiesen wird.

Und diese externe Teilungsregelung wird nun vor dem BVerfG überprüft. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hält diese Regelung für verfassungswidrig und hat das Verfahren dem BVerfG vorgelegt (OLG Hamm, Beschl. v. 09.10.2018  Az. II-10 UF 178/17).

Es ist sozusagen der zweite Anlauf für Karlsruhe. Eine vorangegangene Verfassungsbeschwerde gegen eine auf die Vorschrift gestützte Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschl. v. 09.03.2016 Az. XII ZB 540/14) hatte das BVerfG mangels ausreichender Begründung nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, Beschl. v. 09.03.2017, Az. 1 BvR 963/16).

Gesetzesreform 2009 sollte Altersarmut bei Ex-Ehefrauen verhindern

Wenn sich ein Ehepaar scheiden lässt, dann hat der Ehemann in den meisten Fällen die höheren Anwartschaften auf Altersversorgung. Daran hat sich auch in den mehr als 40 Jahren seit der Reform des Scheidungsrechts von 1977 im Grundsatz nichts geändert, obwohl Frauen heute vermehrt erwerbstätig sind und auch Kindererziehungszeiten für ihre Rente zählen. In der Vergangenheit drohte den Frauen ohne diese Regelung im Fall der Scheidung häufig die Altersarmut.

Deshalb hat der Gesetzgeber ebenfalls 1977 den Versorgungsausgleich eingeführt und diesen vor gut zehn Jahren in einem gesonderten VersAusglG noch einmal völlig neu geregelt. Das Ziel der Reform von 2009 war es, jedes Anrecht der Eheleute auf Altersversorgung einzeln intern zu teilen, um eine möglichst genaue Halbteilung aller Anrechte zu erzielen. Besonders die zuvor nur bruchstückhaft teilbaren Anrechte aus der betrieblichen Altersversorgung sollen vollständig erfasst werden. Die Teilung kann auf der Basis von Pensions- bzw. Rentenbeträgen oder von sog. Entgeltpunkten wie bei der gesetzlichen Rente oder wie bei den meisten betrieblichen Versorgungen auf der Basis des der Rente zugrunde liegenden Deckungskapitals geschehen.

Verfassungsrechtlich umstritten ist aber die Ausnahme für "besondere Fälle der externen Teilung von Betriebsrenten" nach § 17 VersAusglG.

Erheblicher Kapitalverlust durch Neuanlage

Die auf politischen Druck als zusätzliche Konzession an die Versorgungsträger aufgenommene Vorschrift hat angesichts der seit Einführung des Gesetzes kontinuierlich fallenden Zinsen auf dem Kapitalmarkt kapitalvernichtende Folgen. Während dem Ehegatten bei interner Übernahme in die Versorgung des Arbeitnehmers eine gleiche Wertentwicklung und vor allem auch derselbe Zinssatz zu garantieren sind, weil das Anrecht lediglich hälftig geteilt und nicht neu angelegt werden muss, ist das bei der externen Teilung völlig anders.

Der Ehegatte muss zu den aktuellen Kapitalmarktbedingungen ein neues Anrecht begründen. Der private Anbieter darf ihm dabei nur den aktuellen Garantiezinssatz von derzeit 0,9 Prozent versprechen (BGH, Beschl. v. 17.07.2019, Az. XII ZB 437/18). Deshalb entstehen hohe Transferverluste. Im Fall der Entscheidung des BGH vom 17. Juli 2019 sind es ausgehend von dem noch mit einem Rechnungszins von 4,54 Prozent ermittelten Ausgleichswert von 30.562 Euro bei einer Versicherungsdauer von 17 Jahren schon ca. 20.000 Euro. Bei einem Ausgleichswert in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze von mehr als 80.000 Euro entstehen den Ausgleichsberechtigten noch entsprechend höhere Verluste.

OLG Hamm sieht verfassungswidrige Diskriminierung

Dies hält das OLG Hamm in seinem Vorlagebeschluss für eine Verletzung des sich aus Art. 6 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 GG ergebenden Halbteilungsgrundsatzes und des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG). Die eigentliche Sollbruchstelle des neuen Rechts ist deswegen der § 17 VersAusglG mit der Wahlmöglichkeit der externen Teilung in den beiden klassischen Durchführungswegen der betrieblichen Altersversorgung (Direktzusage und Unterstützungskasse) bis zur Beitragsbemessungsgrenze.

Der Deutsche Anwaltverein und die Versorgungsausgleichskommission des Deutschen Familiengerichtstags e. V. haben sich schon früh dagegen gewendet. Auch der Deutsche Juristinnenbund hält die Regelung für verfassungswidrig. Aus der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte kamen Versuche einer verfassungsgemäßen einschränkenden Auslegung der Vorschrift, die vor dem BGH nicht standhielten.

Der BGH teilt die verfassungsrechtlichen Bedenken nicht, weil die in Zeiten fallender Zinsen mit der externen Teilung entstehenden Transferverluste nicht struktureller Art seien, sondern bei einer Umkehrung der Zinsentwicklung entfielen. Das hilft jedoch den aktuell Ausgleichsberechtigten nicht. Ihnen kann derzeit allenfalls geraten werden, mit dem Ausgleichsbetrag den Weg in die zuletzt stärker dynamische gesetzliche Rentenversicherung zu wählen, um den Schaden in Grenzen zu halten.

Dieser Weg steht aber Rentenbeziehern nicht mehr offen. Außerdem bleibt es dabei, dass eine so ausgedehnte Möglichkeit zur Wahl der externen Teilung dem auf die gerechtere interne Teilung gerichteten Grundprinzip des VersAusglG zuwiderläuft. Das BVerfG wird sich nun, anders als vor drei Jahren, mit der ausführlichen Begründung des Vorlagebeschlusses des OLG Hamm befassen müssen und bringt diese Absicht mit der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung auch zum Ausdruck.

Zitiervorschlag

BVerfG verhandelt zum Versorgungsausgleich: . In: Legal Tribune Online, 09.03.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/40729 (abgerufen am: 08.10.2024 )

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