BVerfG verhandelt über Filmförderung: "Subventionen machen bequem"

Interview mit Patrick Jacobshagen

08.10.2013

Kinobetreiber müssen drei Prozent vom Preis einer verkauften Eintrittskarte für die Förderung des deutschen Films zahlen. Über eine Verfassungsbeschwerde gegen diese Abgabe wird am Dienstag in Karlsruhe verhandelt. Der Filmrechtler Patrick Jacobshagen erwartet, dass das Unterfangen wie vor den Instanzgerichten erfolglos bleiben wird, und warnt gleichzeitig davor, dass Förderungen auch schaden können.

LTO: Die Verfassungsbeschwerde haben Betreiber von großen Kinos erhoben (Az. 2 BvR 1561/12). Sie argumentieren vor allem damit, dass sie überwiegend ausländische Filme zeigen und daher kein wirtschaftliches Interesse an der Förderung deutscher Filme haben. Ist es tatsächlich gerechtfertigt alle Kinobetreiber für die Filmförderung heranzuziehen?

Patrick JacobshagenJacobshagen: Alle Institutionen die von Filmen profitieren sollen die Abgabe zahlen, so der Gedanke. Trotzdem ist und bleibt die Abgrenzung schwierig. Ähnlich wie beim Rundfunkbeitrag, den einige auch nicht zahlen wollen, mit dem Argument, sie sehen kein öffentlich-rechtliches TV, ist auch bei der Filmabgabe immer wieder diskutiert worden, wer eigentlich zahlen muss.

Auch die Betreiber von großen Kinos, die jetzt klagen, zeigen die geförderten Filme von Til Schweiger und Matthias Schweighöfer gern. So einfach ist es also nicht. Trotzdem bleibt es ein schmaler Grat und die gesetzliche Festlegung, wer abgabepflichtig ist, ist eben gerichtlich überprüfbar.

LTO: Wie könnte die Förderung sonst finanziert werden?

Jacobshagen: Für eine alternative Finanzierung gibt es drei Ansätze. Erstens die reine Finanzierung durch den Markt: Der Kinofilm ist auch ein Produkt, das sich am Markt refinanzieren müsste. Zweitens durch Steuererleichterungen bei Investitionen in heimische Filme. Drittens durch Steuermittel, wie es jetzt schon etwa bei den Landesförderungen läuft.

"Konsens unter Kinobetreibern ist schwierig zu finden"

LTO: Die Filmabgabe beruht auf einem Bundesgesetz. In der Verfassungsbeschwerde wird deshalb die Frage aufgeworfen, ob der Bund überhaupt zuständig ist. Auf welche Grundlage wird das Gesetz denn gestützt? Überzeugt Sie das?

Jacobshagen: Die Frage ist in der Tat verfassungsrechtlich heikel. Die Zuständigkeit für Kultur liegt bei den Ländern. Der Bund darf nur ergänzend eingreifen, wenn die Länder ihre Aufgabe nicht allein erfüllen können. Dass letzteres der Fall war, darüber bestand bei Erlass des Filmförderungsgesetzes Einverständnis. Ob das immer noch so ist, muss nun das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entscheiden.

LTO: Die Kinobetreiber kritisieren auch, dass sie anders als die TV-Anstalten den Beitrag, den sie zahlen müssen, nicht aushandeln können. Hat der Gesetzgeber das nicht während des laufenden Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) geändert?

Jacobshagen: Ja und nein. Der Verhandlungsspielraum der TV-Anstalten ist weiterhin größer. Sie profitieren auch direkter von der Abgabe, die sie für die Produktion ihrer TV-Filme wieder ziemlich direkt beanspruchen können. Außerdem sind die Verhandlungen einfacher, da es nur wenige TV-Sender, aber sehr viele Kinobetreiber gibt. Unter letzteren lässt sich kaum ein Konsens finden, auch schon ein Gremium, das für sie verhandeln könnte, ist nicht so leicht aufzustellen.

"Alles andere als eine Bestätigung der Filmförderung wäre eine Sensation"

LTO: Das BVerfG will auch erörtern, ob die Filmförderungsanstalt, an die Kinobetreiber, TV-Anstalten und DVD-Verleiher die Abgabe zahlen, ausreichend demokratisch legitimiert ist. Warum bestehen daran Zweifel?

Jacobshagen: Zunächst ist der Bund für Kultur nicht zuständig, wie eben erwähnt. Dann ist die Zwangsabgabe letzten Endes nichts anderes als eine zusätzliche Steuer. Beides steht also auf einem schmalen Grat.

LTO: Was erwarten Sie, wie das BVerfG entscheiden wird?

Jacobshagen: Seien wir ehrlich, alles andere als eine Bestätigung der Filmförderung wäre eine Sensation. Wie im Verfahren vor dem BVerwG rechne ich, wie alle, mit einer Bestätigung. Trotzdem ist die Frage berechtigt, ob die Förderung von Filmen in dieser Form 2013 noch zeitgemäß ist. Ist der Film noch ein Kulturgut? Sind nicht andere Kulturgüter daneben getreten und hat der Film seine Rolle eingebüßt? Ist das Medium zeitgemäß? Besteht der gesellschaftliche Konsens noch, der zum Beispiel in Frankreich nie in Frage gestellt wurde? Es gibt also Spielraum.

"Brauchen wir diese Filme alle wirklich?"

LTO: Angenommen das BVerfG erklärt die Abgabe für verfassungswidrig: Würde das wirklich das Aus für den deutschen Film bedeuten? Es geht immerhin um ziemlich viel Geld. Insgesamt werden deutsche Filme jährlich mit etwa 300 Millionen Euro gefördert. Davon trägt 70 Millionen die Filmförderungsanstalt.

Jacobshagen: Nein, das Aus wäre es sicher nicht. Die Filmförderung wird auch viel kritisiert. Nach den mir vorliegenden Zahlen, haben 90 Prozent der geförderten Filme weniger als 10.000 zahlende Kinozuschauer. Brauchen wir diese Filme alle wirklich? Wer entscheidet zurzeit, ob ein Film gemacht wird? Letztlich die Filmförderanstalten – ist das wirklich richtig?

Und dann: Ist das eine Wirtschaftsförderung, also eine Subvention? Oder ist es eine Kulturförderung wie die Gelder, mit denen etwa Opernhäuser unterstützt werden? Und wenn ja, ist die Höhe der Mittel dann auch berechtigt? Auch in Frankreich wird viel kritisiert, dass die Förderung zu einer massiven Qualitätsminderung der eigenen Filme geführt hätte. Subventionen sind bequem, manche sage auch: Sie machen bequem.

LTO: Der Constantin-Film-Vorstand Martin Moszkowicz im Magazin Wirtschaftswoche an, dass auch Online-Dienste wie Apple für die deutsche Filmförderung zur Kasse gebeten werden sollten. Was halten Sie von diesem Vorschlag?

Jacobshagen: Es ist die Aufgabe des Vorstandes der größten deutschen Filmunternehmung, so etwas zu fordern. Sein Vorgänger verlangte auch gerne mal die sofortige Verzehnfachung der Filmförderung. Das ist deren Job. Im Sinne der Abgabengerechtigkeit hat er auch Recht. Denn wenn alle herangezogen werden sollen, die von Filmen profitieren, dann müssten dazu neben Videotheken, Kinos und TV-Sender auch Online-Portale wie iTunes dazu zählen. Auch sie profitieren nämlich eindeutig von den Filmen.

LTO: Vielen Dank für das Interview.

Patrick Jacobshagen ist Rechtsanwalt in Berlin und spezialisiert auf Filmrecht.

Die Fragen stellte Claudia Kornmeier.

Zitiervorschlag

BVerfG verhandelt über Filmförderung: . In: Legal Tribune Online, 08.10.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9752 (abgerufen am: 12.12.2024 )

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