Das BVerfG hat entschieden, dass der Bundestag grundsätzlich einen Anspruch gegenüber der Bundesregierung auf Informationen über deutsche Rüstungsexporte hat. Aber nur, wenn nicht das Staatswohl gefährdet ist. Und wer entscheidet darüber? Die Bundesregierung. Zum Teil überraschend, findet Sebastian Roßner, und zeigt die neuen Grenzen des parlamentarischen Informationsanspruchs auf.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat im Organstreit dreier grüner Abgeordneter gegen die Bundesregierung entschieden, dass der Bundestag ein Informationsrecht über deutsche Rüstungsexporte hat (Urt. v. 21.10.2014, Az. 2 BvE 5/11).
Den Stein ins Rollen brachten im Sommer 2011 Nachrichten über einen Plan der damaligen schwarz-gelben Bundesregierung, Kampfpanzer vom Typ "Leopard 2 A7" nach Saudi Arabien zu liefern. Das war aus Regierungssicht ein ungünstiger Zeitpunkt, denn die Saudis hatten sich kurz zuvor medienwirksam mit ihrem Militär an der Niederschlagung von Demonstrationen im benachbarten Kleinstaat Bahrain gegen den dortigen König beteiligt.
Nicht nur, dass die Saudis gerade eher schlechte Presse hatten. Sondern die Parlamentarier der Regierungs- wie der Oppositionsfraktionen erfuhren erst durch Medienberichte von dem möglichen Panzergeschäft.
Einige Abgeordnete der Grünen wollten genauer wissen, was an den Gerüchten dran war und machten von ihrem Fragerecht aus Art. 38 Abs. 1 S. 2, 20 Abs. 2 S. 2 Grundgesetz (GG) gegenüber der Bundesregierung Gebrauch. Sie wollten in Erfahrung bringen, ob und unter welchen Bedingungen Leopard-Panzer in das Wüstenkönigreich geliefert werden sollten und ob schon praktische Vorbereitungen für eine Lieferung begonnen hätten. Daneben fragten sie auch, ob die Lieferung von Rüstungsgütern nach Algerien geplant oder bereits beschlossen sei.Die Regierung sagte im Wesentlichen nichts und verwies darauf, dass geheim sei, was in dem für solche Geschäfte zuständigen Bundessicherheitsrat vor sich gehe.
Informationsanspruch über die Entscheidung
Dies entsprach in der Tat der Praxis aller bisherigen Bundesregierungen: Der Bundessicherheitsrat, der Mitte der fünfziger Jahre als Ausschuss der Regierung für Fragen der Landesverteidigung eingerichtet worden war und später auch für besonders wichtige Rüstungsexportentscheidungen zuständig wurde, arbeitete stets geheim.
In diesen Schleier des Geheimnisses hat das BVerfG jetzt, auf Antrag der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Katja Keul und Claudia Roth, ein Loch geschnitten: Die Bundesregierung muss auf Anfrage der Abgeordneten grundsätzlich über die getroffenen abschließenden Entscheidungen informieren und kann auch nicht auf die seit neuestem halbjährlich erscheinenden Berichte der Regierung über die deutschen Rüstungsexporte verweisen.
Damit blieb das Gericht bei seiner Linie, nach welcher der Informationsanspruch der Parlamentarier prinzipiell jede politische Materie erfasst, sich aber nicht auf laufende Vorgänge oder die Entscheidungsvorbereitung innerhalb der Regierung bezieht. Die Abgeordneten müssen demnach zwar darüber in Kenntnis gesetzt werden, ob eine Entscheidung getroffen wurde und welchen Inhalt sie hat, nicht aber darüber, wie zuvor die Diskussionen verliefen oder darüber, welche Meinungen bestimmte Regierungsmitglieder vertreten haben.
Die abschließende Entscheidung ist also die Zäsur, ab welcher der Informationsanspruch der Abgeordneten beginnt, davor liegt der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, den das Parlament nicht ausforschen darf. Insoweit wandelt die Entscheidung auf bekannten oder zumindest vorhersehbaren Pfaden.
Votum des Sicherheitsrats gilt als abschließend
Eine nicht so leicht vorhersehbare Wendung machen die Verfassungsrichter dann aber bei der Definition dessen, was als abschließende Entscheidung gilt.
Technisch betrachtet ist der Bundessicherheitsrat ein Ausschuss des Organs Bundesregierung, der dessen Entscheidungen nur vorbereitet. Für die eigentliche Genehmigung des Exports von Kriegswaffen ist nach Art. 26 Abs. 2 Grundgesetz (GG) grundsätzlich die Bundesregierung als ganze zuständig. Allerdings fällt die Befugnis nach dem insofern sehr problematischen § 11 Abs. 2 Kriegswaffenkontrollgesetz (KWKG) in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Erste Verordnung zur Durchführung des KWKG, regelmäßig dem Wirtschaftsministerium zu. Eigentlich kann der Bundessicherheitsrat also keine Genehmigungen zum Export von Kriegswaffen erteilen.
Karlsruhe argumentiert hier aber politisch-realistisch und erkennt an, dass faktisch die rüstungsexportpolitischen Würfel gefallen sind, sobald der Bundessicherheitsrat einen Beschluss gefasst hat. Dies hängt damit zusammen, dass ihm neben der Kanzlerin als Vorsitzender auch der Außen-, der Verteidigungs-, der Finanz-, der Innen-, der Entwicklungshilfe- sowie der Wirtschaftsminister und der Chef des Kanzleramtes als ständige Mitglieder angehören. Das politische Gewicht dieses Gremiums ist so groß, das es sowohl Entscheidungen des Gesamtkabinetts als auch der einzelnen vertretenen Ministerien vorbestimmen kann. Diesen politischen Umstand hebt das Gericht jetzt ins Rechtliche und wertet bereits ein Votum des Sicherheitsrates als endgültige Entscheidung. Aus Sicht der fragenden Abgeordneten, die möglichst rasch Informationen über die politisch relevanten Beschlüsse erhalten wollen, ist das eine richtige Entscheidung.
Sebastian Roßner, BVerfG zu Transparenz bei Rüstungsexporten : . In: Legal Tribune Online, 21.10.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13547 (abgerufen am: 10.12.2024 )
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