Am Dienstag verhandelte das BVerfG über die Adoptionsrechte eingetragener Lebenspartner. Anders als Ehegatten können sie ein adoptiertes Kind ihres Partners später nicht rechtlich annehmen – eine Regelung, die den Gleichheitssatz verletzen könnte. Experten sprachen sich in Karlsruhe gegen die Benachteiligung schwuler Paare aus. Eine Sukzessivadoption habe nur Vorteile für das Kind.
Eine Frau adoptiert ein Kind. Ihre eingetragene Lebenspartnerin will dieses Kind später auch rechtlich annehmen. Eine solche Sukzessivadoption lässt der deutsche Gesetzgeber aber nicht zu. § 9 Abs. 7 Lebenspartnerschaftsgesetz erlaubt lediglich die Adoption eines leiblichen Kindes des Partners. Bei Ehegatten ist das anders. § 1742 Bürgerliches Gesetzbuch eröffnet ihnen beide Arten der Adoption. Vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) deutete sich nun eine Korrektur dieser Ungleichbehandlung an.
Der Erste Senat muss klären, ob das bestehende Adoptionsrecht mit dem Grundgesetz zu vereinbaren ist (Az. 1 BvR 3247/09 und 1 BvL 1/11). Zu entscheiden hat Karlsruhe über die Verfassungsbeschwerde einer Ärztin aus Münster. Ihre Lebenspartnerin, eine Innenarchitektin, hatte 2004 ein Mädchen aus Bulgarien adoptiert. Das Kind, inzwischen 13 Jahre alt, lebt mit beiden im gemeinsamen Haushalt – doch den Wunsch der Ärztin, gleichfalls Adoptivmutter zu werden, lehnten die Gerichte entsprechend der gesetzlichen Regelung ab.
Sachverständige: "Regenbogenfamilie" genauso gut wie andere Familie
Außerdem hatte das Oberlandesgericht Hamburg dem BVerfG einen Normenkontrollantrag vorgelegt, weil es bezweifelte, dass das diesbezügliche Adoptionsrecht mit Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz vereinbar sei. Es gebe keinen Grund, Ehegatten und Lebenspartnern insoweit ungleich zu behandeln. Die Hamburger Richter hielte es auch für nicht nachvollziehbar, dass das leibliche Kind eines Lebenspartners durch den anderen adoptiert werden könne, nicht aber das von einem Lebenspartner bereits allein adoptierte Kind. Das einzeln adoptierte Kind dürfte sogar ein viel größeres Bedürfnis nach einer weiteren Absicherung haben als ein leibliches.
In der Verhandlung in Karlsruhe sprachen sich auch die Experten gegen eine rechtliche Benachteiligung von Lebenspartnern aus. "Es dient dem Wohl des Kindes, wenn eine faktische Beziehung auch rechtlich abgesichert wird", sagte die Bonner Rechtswissenschaftlerin Nina Dethloff von der wissenschaftlichen Vereinigung für Familienrecht. Psychologen betonten, dass sich Kinder in "Regenbogenfamilien" genauso gut entwickeln wie in anderen Familienformen. Zu diesem Ergebnis kam auch eine Studie im Auftrag des Bundesjustizministeriums: Entscheidend sei nicht die Struktur der Familie, sondern die Qualität der Beziehungen.
Der Vorsitzende der Kinderrechtekommission des Deutschen Familiengerichtstags, Michael Coester, wies auf einen weiteren Vorteil der doppelten Adoptin hin: Zwei Elternteile würden dann unterhaltspflichtig. Grünen-Politiker Volker Beck betonte, es gehe dabei "zuallererst um die Rechte der Kinder und nicht um die Rechte der Lebenspartner".
BVerfG hat Rechte Schwuler bereits mehrfach gestärkt
Bedenken kamen nur vom Deutschen Familienverband (DFV). Kinder homosexueller Eltern liefen Gefahr, "Opfer von Stigmatisierung zu werden", sagte DFV-Präsident Klaus Zeh. Die Suche nach der eigenen Identität sei für adoptierte Kinder ohnehin schwierig. Bei den Richtern schien Zeh damit nicht viel Eindruck zu machen. Schließlich werde bei der Sukzessivadoption nur eine zusätzliche Bezugsperson geschaffen, sagte Verfassungsrichter Andreas Paulus. "Ich sehe nicht, wie das die Identitätssuche verschlimmert." Mehrere Experten betonten, dass möglicherweise bestehende Diskriminierungen kein Anlass sein dürften für eine rechtliche Schlechterstellung.
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hatte sich zuletzt für die Gleichstellung homosexueller Paare in Deutschland auch bei der Adoption ausgesprochen: "Wenn mehr gleichgeschlechtliche Paare Kinder haben, ist das wunderbar. Neben der bereits jetzt möglichen Stiefkindadoption wird sich die volle Adoption Bahn brechen." Ein im August veröffentlichter Referentenentwurf ihres Ministeriums zur Gleichstellung eingetragener Lebenspartner enthielt jedoch noch keine entsprechenden Vorschläge, sondern war eher redaktioneller Art.
In dem Verfahren vor dem BVerfG ging es nicht um die gemeinschaftliche Adoption eines Kindes, die der Gesetzgeber schwulen Paaren bisher ebenfalls verwehrt. Schon mehrfach hat Karlsruhe die Rechte homosexueller Paare gestärkt – etwa bei der Erbschaftsteuer und beim Familienzuschlag für Beamte. Mit einer Entscheidung ist erst im kommenden Jahr zu rechnen.
cko/LTO-Redaktion
Mit Material von dpa.
BVerfG verhandelt Adoptionsrecht Homosexueller: . In: Legal Tribune Online, 18.12.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7817 (abgerufen am: 06.10.2024 )
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