Darf ein Drittanbieter sogenannte Bots für ein Online-Spiel verkaufen, die dem Spieler helfen, durch Automatisierung seine Ziele schneller als die Mitspieler zu erreichen? Mit dieser Frage könnte sich nun das BVerfG auseinandersetzen.
Das Online-Rollenspiel World of Warcraft (WoW) hat es nicht nur unter Videospielern zu großer Beliebtheit gebracht, sondern ist wegen seines Erfolgs auch in der Wahrnehmung der breiten Öffentlichkeit angekommen. WoW ist ein Massen-Mehrspieler-Online-Rollenspiel, bei dem gleichzeitig mehrere tausend Mitspieler mithilfe von Fantasy-Charakteren eine virtuelle Welt bevölkern und verschiedene Aufgaben lösen oder Kämpfe bestreiten, um Erfahrungspunkte zu sammeln.
Tatsächlich ist es für viele Spieler aber nicht nur ein netter Zeitvertreib, sondern kann durch den Verkauf von hochgespielten Accounts sogar eine ernsthafte Einnahmequelle darstellen. Die Käufer müssen dann nicht von vorn anfangen, sondern können beispielsweise direkt die Inhalte für Spieler mit höheren Leveln oder mehr Spielgeld ("Gold") nutzen.
Bots sparen Zeit und verschaffen so Vorteile
Um schneller ein solch höheres Level zu erreichen oder viel Gold anzuhäufen, kommen sogenannte Bots zum Einsatz, deren Name vom englischen "robot" (Roboter) herrührt. Dabei handelt es sich um Softwareprogramme, die zum Beispiel in Abwesenheit des Spielers Aufgaben im Spiel lösen oder benötigte Naturalien im Spiel einsammeln und ihm so eine Menge Zeit sparen - und damit auch einen Vorteil gegenüber Spielern verschaffen, die keine Bots einsetzen. Aus diesem Grunde verbieten viele Spieleentwickler den Einsatz in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Bots sind somit in der gesamten Branche ein heiß diskutiertes Thema.
Der umstrittene Einsatz von Bots wurde von der WoW-Entwicklerfirma Blizzard Entertainment Inc. vor deutschen Gerichten erfolgreich angegriffen. Nun ruft die Firma Bossland GmbH, welche Bots für WoW vertreibt, das Bundesverfassunsgericht (BVerfG) an. LTO liegt die entsprechende Verfassungsbeschwerde vor.
Darin monieren die Firma Bossland und ihr Geschäftsführer, vertreten durch Härting Rechtsanwälte, einer für Medien- und Internetrecht bekannten Berliner Kanzlei, jeweils als Beschwerdeführer eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 12 und Art. 3 I Grundgesetz (GG). Gemäß Art. 19 III GG können sich auch juristische Personen wie Unternehmen auf Grundrechte berufen, sofern diese ihrem Wesen nach auf sie anwendbar sind.
Bossland im Zivilverfahren zur Unterlassung verurteilt
Sie wenden sich damit gegen die Entscheidungen der Gerichte im Zivilverfahren gegen die Blizzard Entertainment Inc., die allesamt dem gegen den Vertrieb der Bots klagenden amerikanischen Unternehmen Recht gaben. Blizzard hatte sich dabei auf § 4 Nr. 4 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) berufen und eine gezielte Behinderung ihres Geschäftes durch den Vertrieb der Bots geltend gemacht. Daraufhin wurde Bossland zur Unterlassung verurteilt, zuletzt durch den Bundesgerichtshof (BGH) (Urt. v. 12.01.2017 - Az.: I ZR 253/14).
Bots machen einen großen Teil des wachsenden Spielemarktes aus, auf dem in Deutschland im Jahr 2015 Umsätze von mehr als 2,8 Milliarden Euro erzielt wurden. Neben Hardware stellt auch Software wie eben jene für Bots Gaming-Zubehör dar.
"Ehrliche" Spieler könnten sich abwenden
Bossland bietet für WoW Bot-Programme namens "Honorbuddy" und "Gatherbuddy" (sogenannte Buddybots). Blizzard untersagt die Nutzung von Bots in den AGB aber zu Recht, da durch die Missachtung der Spielregeln das Spiel in unlauterer Weise untergraben und verändert werde, so dass das Unternehmen die vorgesehenen Inhalte im Rahmen eines Abo-Modells nicht mehr vermarkten könne, urteilte der BGH.
Der Einsatz der Buddybots könne im Blick auf die Reaktionen der sich regelkonform verhaltenden Spieler erhebliche wirtschaftlich nachteilige Auswirkungen auf den Vertrieb des Spiels haben, weshalb eine unlautere Behinderung durch ihren Vertrieb vorliege.
Blizzards Nachteile als Konsequenz des Wettbewerbs?
Die Bossland GmbH führt dagegen in ihrer Verfassungsbeschwerde an, die Einhaltung der Spielregeln eines Computerspiels gehört nicht zu den Schutzanliegen des Wettbewerbsrechts, denn die Fairness des Spiels habe nichts mit der Lauterkeit des Wettbewerbs zu tun.
Ein Verbot des Vertriebs könne auch nicht mit dem Argument gerechtfertigt werden, die Spieler würden dadurch zum Verstoß gegen die AGB verleitet. Dass Mitbewerber einander Kunden abwerben, liege im Wesen des Wettbewerbs, auch wenn die Kunden dabei die Verträge und AGB der Konkurrenz missachteten, so der Bot-Programmierer. Etwaige Nachteile für Blizzard seien dem freien Wettbewerb zuzurechnen. Schließlich sei die Herstellung von Zubehör nicht verboten und wesentlicher Teil von Fortentwicklung und Innovation auf dem Markt.
Vor dem Hintergrund der Gleichbehandlung monieren die Beschwerdeführer zudem, dass die grundsätzlich nur inter partes geltenden AGB keine Auswirkung auf die Geschäfte Dritter haben dürften, bloß weil es sich dabei auch um Spielregeln handele.
Das BVerfG wird also mit gleich mehreren Fragestellungen konfrontiert, was nicht nur die Spielewelt mit großem Interesse verfolgen wird.
Maximilian Amos, Streit um Spielvorteile in World of Warcraft: . In: Legal Tribune Online, 09.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22311 (abgerufen am: 03.12.2024 )
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