Antrag auf Ausschluss von der Parteienfinanzierung: Die NPD boy­kot­tiert das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt

von Dr. Christian Rath

04.07.2023

Doppeltes Novum: Erstmals wurde über einen Antrag auf Streichung der Finanzierung einer verfassungsfeindlichen Partei verhandelt. Und erstmals blieben die Stühle eines Verfahrensbeteiligten demonstrativ leer. Christian Rath war dabei.

Es gab Zeiten, da klagte die NPD mit ihrem erstaunlich soliden Rechtsanwalt Peter Richter regelmäßig in Karlsruhe und konnte vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nicht genug bekommen. Doch diese Zeiten sind vorbei: Auch in dieser Hinsicht hat die AfD der NPD längst den Rang abgelaufen.

Der letzte große Auftritt der NPD in Karlsruhe war das Verbotsverfahren, das Anfang 2017 mit einem demütigenden Erfolg der Extremisten endete. Der Zweite Senat des BVerfG stellte damals zwar fest, dass die NPD verfassungsfeindlich ist. Ein Verbot unterblieb jedoch, weil der schrumpfenden Kleinpartei längst die Relevanz fehle. Das Gericht sprach von fehlender "Potentialität" für eine Beseitigung oder Beeinträchtigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung.

Damals regte das Gericht aber an, man könne einer verfassungsfeindlichen Partei, die nicht verboten wird, immer noch die Parteifinanzierung streichen. Es müsse nur das Grundgesetz entsprechend geändert werden. Den Hinweis nahm die Politik fix auf und schon im Juli 2020 wurde Art. 21 Abs. 3 als Ermächtigung ins Grundgesetz (GG) eingeführt, der den Ausschluss einer verfassungsfeindlichen Partei von der staatlichen Parteienfinanzierung möglich machte. Außerdem wurden § 18 Abs. 7 Parteiengesetz (PartG) und § 46a Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) geändert, welche die Streichung von Zuschüssen regeln.

Der Antrag, die NPD von der Parteienfinanzierung auszuschließen, wurde dann 2019 gemeinsam von Bundesrat, Bundestag und Bundesregierung eingebracht. Im Bundesrat fiel der Beschluss einstimmig. Im Bundestag war die Mehrheit überwältigend, nur die AfD enthielt sich.

Politik der leeren Stühle

Für zwei Tage (Dienstag und Mittwoch) hatte der Zweite Senat die mündliche Verhandlung über den Antrag angesetzt. Die Sicherheitsvorkehrungen waren ungewöhnlich streng.

Dann kam morgens um 7.59 Uhr das Fax: Die rechtsextreme NPD (die seit Juni "Die Heimat" heißt) sagte ihre Teilnahme an der mündlichen Verhandlung ab. In einer Erklärung erklärte der Vorsitzende Frank Franz, man werde nicht an einer "Justiz-Simulation" teilnehmen, bei der das Urteil schon geschrieben sei.

Erzürnt hat die Rechtsextremisten angeblich ein Beschluss des Zweiten Senats vom 20. Juni 2023 (Az. 2 BvE 1/17). Dabei hat das Verfassungsgericht eine Organklage der NPD gegen den neuen Art. 21 Abs. 3 GG als unzulässig abgelehnt. Die Partei könne die Norm nicht mit der Organklage angreifen, weil die Norm nicht nur für die NPD, sondern für alle verfassungsfeindlichen Parteien gelte.

"Ein bisher einmaliger Vorgang", sagte Vizepräsidentin Doris König, die die Verhandlung leitete, zum Fernbleiben der Partei-Vertreter. Die Verhandlung fand aber trotzdem statt, es gibt beim BVerfG keine Anwesenheitspflicht. Die Plätze der NPD blieben damit einfach leer.

Rechtsprofessor Christoph Möllers, der die antragsstellenden Verfassungsorgane vertrat, konnte sich über das Wegbleiben der Gegenseite aber nicht freuen. "Damit hat die Antragsgegnerin das letzte Fitzelchen bürgerschaftliche Gemeinschaftlichkeit aufgegeben", sagte er am Dienstag.

Trotz der zunehmenden Irrelevanz der NPD war viel Politprominenz nach Karlsruhe gekommen. "Unsere Verfassung ist wehrhaft", sagte Innenministerin Nancy Faeser (SPD), "wir haben aus den Fehlern von Weimar gelernt." Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (ebenfalls SPD) betonte: "Es war der Bevölkerung noch nie zu vermitteln, dass Steuergelder an Verfassungsfeinde gehen." Über die AfD sprachen die Politikerinnen nicht.

Keine Zuschüsse, aber Rechtsschutzbedürfnis

Als die NPD noch am Verfahren teilnahm, hatte sie argumentiert, dass der Antrag, ihr die Staatszuschüsse zu streichen, schon deshalb unzulässig sei, weil sie seit 2021 gar keine staatliche Parteifinanzierung mehr bekommt. Zu schlecht waren ihre Wahlergebnisse. Laut § 18 PartG muss eine Partei bei Bundestags- oder Europawahlen mindestens 0,5 Prozent bzw. 1,0 Prozent bei Landtagswahlen erreicht haben.

Doch Rechtsprofessor Christian Waldhoff, der neben Möllers die Staatsorgane vertrat, ließ das nicht gelten. Bei der letzten Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern habe die NPD 0,8 Prozent der Stimmen erhalten, "da fehlte nicht viel", sagte Waldhoff. Aber vor allem gehe es auch um steuerliche Vorteile. Wenn Karlsruhe dem Antrag der Staatsorgane stattgibt, sind Spenden an die NPD nicht mehr steuerbegünstigt. Außerdem wäre die NPD nicht mehr von Erbschafts-, Schenkungs- und Körperschaftsteuer befreit. "Allein seit 2020 hat die NPD rund 200.000 Euro Erbschaftsteuer gespart", schätzte Waldhoff.

Doch ist die NPD überhaupt noch eine richtige Partei? Die Umbenennung in "Die Heimat" änderte an diesem Status wohl nichts. Das Programm und auch das Führungspersonal blieben unverändert. Der als Sachverständiger geladene Politikwissenschaftler Steffen Kailitz sprach jedoch von "Zerfallserscheinungen einer Kleinstpartei" mit nur noch 3.100 Mitgliedern. Der Hamburger NPD-Landesverband machte die Namensänderung nicht mit und trat aus der "Heimat" aus. Der saarländische Heimat-Landesverband schloss im Mai den Bundesvorsitzenden Franz Frank aus, das Schiedsurteil ist aber noch nicht rechtskräftig.

Vermutlich genügen die Aktivitäten der Partei aber noch, um sie im Sinne von Art. 21 Abs. 3 GG ernst zu nehmen. Verfassungsrichterin Christine Langenfeld zeigte sich vor allem von den Internet-Aktivitäten der NPD beeindruckt.

Weiterhin keine Spitzel im Parteivorstand

Nachdem ein erstes Verbotsverfahren gegen die NPD 2001 daran gescheitert war, dass in den Vorständen der NPD bis zu 15 Prozent Spitzel der Verfassungsschutzämter von Bund und Ländern saßen, war die Staatsfreiheit der NPD im zweiten Verbotsverfahren ein großes Thema. Und auch jetzt beim Antrag auf Ausschluss von der Parteifinanzierung wurde die gleiche Sorgfalt angelegt.

Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, versicherte, dass im Bundesvorstand und in den Landesvorständen der NPD seit 2012 bis heute keine V-Personen, keine verdeckten Ermittler:innen saßen. Zwar habe das Landesamt NRW einmal ein NPD-Vorstandsmitglied angesprochen, aber nur um ein offenes Gespräch zu führen, nicht als Anwerbeversuch. Der Verfassungsschutz konnte seine Materialsammlung ausschließlich aus öffentlichen Quellen bestücken, betonte Haldenwang, "wir waren nicht blind, denn die NPD strahlte so hell."

Auch die Prozesstrategie der NPD sei nicht ausgespäht worden, versicherten die Antragsteller. Zwar hatte die Staatsanwaltschaft Saarbrücken einmal in einem Geldwäscheverfahren gegen den NPD-Vorsitzenden Franz dessen Telefone und Computer beschlagnahmt. Nach Protest von NPD-Anwalt Peter Richter habe man auf den Geräten aber nur nach unpolitischen Begriffen gesucht.

Verfassungswidriges Verfassungsrecht?

Auch wenn die Organklage der NPD im Juni als unzulässig abglehnt worden war, so kam ihr Argument, Art. 21 Abs. 3 GG sei "verfassungswidriges Verfassungsrecht", als implizite Vorfrage doch zur Sprache. Die NPD hatte argumentiert, mit dem Ausschluss aus der Finanzierung werde die Chancengleichheit und damit das Demokratieprinzip ausgehebelt. Die Ewigkeitsklausel des Art. 79 Abs. 3 GG sei verletzt.

Richter Peter Müller, Berichterstatter in diesem Verfahren, hatte gefragt, ob die Ewigkeitsklausel nicht schon durch das Konzept der "wehrhaften Demokratie" modifiziert sei.

Christoph Möllers argumentierte aber anders: Da das Grundgesetz Parteiverbote erlaube, könne die Streichung von Staatszuschüssen "als milderes Mittel" nicht verboten sein. Immerhin könnte die NPD weiter bei Wahlen kandidieren, hätte Anspruch auf Wahlwerbung im Rundfunk und auf die Vermietung von Stadthallen. Zudem würden die Mittel nur für sechs Jahre gestrichen.

Dass die NPD ausgerechnet beim BVerfG Hilfe gegen die neue Verfassungsnorm beantragt hatte, wirkte ohnehin etwas weltfremd - schließlich hatten die Richter:innen die Regelung ja selbst angeregt.

Anhaltende Verfassungsfeindlichkeit

Neben den Vor- und Randfragen brachte die eigentliche Rechtsfrage wenig Neues: Ist die NPD nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen?

Wie schon im Verbotsverfahren wurde der NPD vor allem vorgeworfen, dass sie einen ethnisch homogenen Volksbegriff vertritt. Deutsche mit Migrationshintergrund gehörten für die NPD nicht zum deutschen Volk. Daran habe sich seit 2017 nichts geändert. Der Verfassungsschutz habe 2.253 Belege hierfür gesammelt, so Rechtsprofessor Waldhoff.

Die NPD habe sich nach dem Urteil von 2017 auch nicht gemäßigt, sondern erst in eine Trotzhaltung zurückgezogen. "Lieber Verfassngsfeind als Volksfeind", sagte der Vorsitzende Franz damals in einem Interview. Dass jüngst viele Neonazis von der Partei "Die Rechte" zur NPD wechselten, dürfte deren Positionen auch nicht demokratieverträglicher gemacht haben.

Eigentlich wollte das BVerfG zwei Tage verhandeln. Doch ohne NPD lief das Verfahren schneller als gedacht: Um 16.30 Uhr war der Sitzungstag zu Ende. Die Politiker:innen hatten den Sitzungssaal mit Gefolge bereits Punkt 12 Uhr verlassen.

Das Urteil wird in einigen Monaten verkündet.

Zitiervorschlag

Antrag auf Ausschluss von der Parteienfinanzierung: . In: Legal Tribune Online, 04.07.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52149 (abgerufen am: 08.10.2024 )

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