BVerfG verhandelt über Förderung für parteinahe Stiftungen: Darf die AfD-Stif­tung bald mit­spielen?

von Annelie Kaufmann

25.10.2022

Vor dem BVerfG geht es um die Frage, wie der Bundestag Geld an parteinahe Stiftungen verteilt - und wieviel Nähe zwischen Partei und Stiftung besteht. 

Wie finanzieren sich die politischen Stiftungen, wie nahe stehen sie einer politischen Partei und wie stark beeinflusst ihre Arbeit den Erfolg einer Partei? Die Karlsruher Richterinnen und Richter haben am Dienstag Vertreter aller parteinahen Stiftungen gebeten, zu diesen Fragen ausführlich Stellung zu nehmen. Der Unterschied zwischen den sechs etablierten Stiftungen und der Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES), die der AfD nahesteht, ist groß.

Die einen bekommen staatliche Zuwendungen in Millionenhöhe, die DES geht bisher leer aus. Die einen setzen sich seit Jahrzehnten für politische Bildung und Demokratie ein - die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung etwa unterstützt seit bald hundert Jahren die Arbeiterbewegung, die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung wurde 1955 gegründet, beide unterhalten mehr als hundert Auslandsbüros, führen jährlich tausende Bildungsveranstaltungen durch, fördern um die 3.000 Stipendiatinnen und Stipendiaten. Die Hanns-Seidel-Stiftung (CSU), die Heinrich-Böll-Stiftung (Grüne) und die Rosa-Luxemburg-Stiftung (Linke) sind etwas kleiner, engagieren sich aber ebenfalls in Deutschland und international in der politischen Bildung. Die DES dagegen bietet bisher hauptsächlich Web-Seminare, einen Youtube-Kanal und Video-Vorträge mit Titeln wie "Migration als Waffe", "Ist die Impfpflicht gescheitert?" oder "Die Vergewaltigung der deutschen Sprache".

Doch die Stiftung will ihren Einfluss ausbauen und die politische Bildungslandschaft ebenfalls maßgeblich gestalten. Zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich gegen rechte Ideologien und rechte Gewalt engagieren, warnen eindringlich davor, dass die DES mit entsprechenden staatlichen Fördermitteln rechte und rechtsextreme Positionen gesellschaftsfähig machen und rechte Strömungen weiter radikalisieren kann. So plädieren etwa die Bildungsstätte Anne Frank, die Amadeu Antonio-Stiftung, der Zentralrat der Juden in Deutschland, der Deutsche Gewerkschaftsbund, ver.di und Pro Asyl für ein Stiftungsgesetz, das verhindert, dass die DES staatlich gefördert wird. 

Nun will die AfD in einem Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erreichen, dass sie an der staatlichen Föderung ebenfalls beteiligt wird - und das Verfahren wird für alle Stiftungen entscheidend sein. Denn der Zweite Senat kann die Gelegenheit nutzen, grundsätzliche Fragen zu Nähe und Distanz zwischen den Stiftungen und Parteien zu den erforderlichen gesetzlichen Grundlagen für die staatliche Förderung zu klären. 

Millionen aus dem Bundeshaushalt für die etablierten Stiftungen

Finanziert werden die Stiftungen hauptsächlich aus dem Bundeshaushalt, die staatlichen Zuwendungen beliefen sich nach Angaben des Bundes der Steuerzahler im Jahr 2021 auf rund 590 Millionen, hinzu kommen Zuschüsse des Bundesministeriums für Bildung und Forschung an die Begabtenförderwerke. Besonders wichtig für die Stiftungsarbeit: Die sogenannten Globalzuschüsse aus dem Bundesministerium des Innern (BMI), 2021 waren das insgesamt 140.959 Euro, den größten Anteil bekam die Konrad-Adenauer-Stiftung mit 43.429 Euro, den kleinsten die Hanns-Seidel-Stiftung mit 12.757. Außerdem finanzieren auch andere Bundesministerien aus ihrem Haushalt die Tätigkeit der Stiftungen, einen großen Anteil machen Projektförderungen im Rahmen internationaler Zusammenarbeit aus.

Eine gesetzliche Grundlage für die Förderung der politischen Stiftungen gibt es bisher nicht. Die Fördergelder werden stattdessen jährlich im Bundeshaushalt festgelegt. Die AfD und die DES verlangen seit Jahren, an der Förderung beteiligt zu werden, bisher ohne Erfolg. Zuletzt hatten die Karlsruher Richter im Juli dieses Jahres einen Antrag der AfD abgelehnt, der darauf abzielte, Fördergelder für die DES zu erreichen (Beschl. v. 28.07.2022, Az. 2 BvE 3/19). Die DES selbst klagt parallel auf dem Verwaltungsrechtsweg, ist aber zunächst auch vom VG Köln abgewiesen worden. Ohnehin sei das teuer und wenig erfolgsversprechend, beklagt der Anwalt der AfD, Dr. Ulrich Vosgerau. Er will mit dem Organstreitverfahren grundsätzliche Fragen klären.

Und der Zweite Senat zeigt sich für grundsätzliche Fragen durchaus offen. Es geht unter anderem darum, inwiefern die Stiftungen, die vom BVerfG geforderte Distanz zu den politischen Parteien einhalten - ansonsten wäre es eine unzulässige Parteienfinanzierung, das hat das BVerfG bereits 1986 klargestellt. Damals betonte der Zweite Senat auch, dass, wenn der Staat parteinahe Stiftungen fördert, jedenfalls "alle dauerhaften, ins Gewicht fallenden politischen Grundströmungen in der Bundesrepublik Deutschland angemessen berücksichtigt" werden müssen. Darauf beruft sich die AfD: Sie will ebenso an der Förderung beteiligt werden, wie die anderen parteinahen Stiftungen.

Die Vertreter von Bundestag und Bundesregierung halten die Anträge der AfD für größtenteils unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Die Chancengleichheit der Parteien aus Art. 21 Grundgesetz sei nicht verletzt. Parteien hätten keinen unmittelbar im Grundgesetz angelegten Anspruch darauf, dass ihnen nahestehenden Stiftungen gefördert würden, zudem sei es ein zulässiges Kriterium, danach zu unterscheiden, wie lange eine Partei im Bundestag vertreten sei. "Die AfD beruft sich auf den Gleichbehandlungsgrundsatz, um etwas zu verlangen, was vor ihr noch nie jemand bekommen hat: Nämlich ab der ersten Legislaturperiode Fördergelder für eine parteinahe Stiftung zu bekommen", sagt die Rechtsprofessorin Sophie Schönberger, die den Bundestag vertritt, mit Blick auf die Bemühungen der AfD und der DES seit 2018.

Geld nur für Stiftungen, die für die demokratische Grundordnung eintreten? 

Es ist eine etwas formalistische Abwehrschlacht, die Bundestag und Bundesregierung führen. Dass die AfD aus dem Bundestag bald wieder ausscheidet und sich das Problem von selbst erledigt, ist unwahrscheinlich. 2022 enthält der Haushaltsplan deshalb erstmals einen Vermerk, wonach Globalzuschüsse nur politischen Stiftungen gewährt werden, "die nach ihrer Satzung und ihrer gesamten Tätigkeit jederzeit die Gewähr bieten, dass sie sich zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten".

Die AfD hält das für "evident verfassungswidrig", die Vertreter des Bundes die Anträge zur Förderung 2022 für unzulässig. Falls der Zweite Senat dazu etwas sagen will, wird er die Gelegenheit aber wohl nutzen, das zu tun. 

Es sind Hinweise, auf die man im Bundestag nun gespannt wartet. Reicht ein Haushaltsgesetz aus oder braucht es eine eigene gesetzliche Grundlage, also ein Stiftungsgesetz? Was ist unter der dauerhaften Grundströmung zu verstehen? Kann eine mangelnde Verfassungstreue bei der Partei der Förderung der Stiftung entgegenstehen?  

Im Grunde ist allen Beteiligten klar, dass die Stiftungsfinanzierung so nicht weitergehen kann. Die Ampel-Koalition hat sich vorgenommen, die Finanzierung transparenter zu regeln - aber wie?

Gegenüber LTO sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Johannes Fechner, vor der Verhandlung: "Für uns ist die entscheidende Frage, ob man, wie wir meinen, eine Stiftung von der staatlichen Förderung ausschließen kann, wenn Zweifel an der Verfassungstreue der Partei bestehen, der sie ideell nahesteht. Dazu wollen wir die Hinweise des Bundesverfassungsgerichts abwarten. Formell ist dann außerdem zu klären, ob es ausreicht, dies im Haushaltsgesetz zu regeln oder ob es ein eigenes Stiftungsgesetz braucht."

Stephan Thomae, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion im Bundestag, hat sich bereits für ein Stiftungsgesetz ausgesprochen. "Ein Stiftungsgesetz, das klare Kriterien für die Förderung politischer Stiftungen vorgibt, wäre sinnvoll", so Thomae gegenüber LTO. "Aus meiner Sicht sollte eine Partei mindestens drei volle Wahlperioden im Bundestag vertreten sein, um sicherzustellen, dass sie eine dauerhafte, demokratische Grundströmung in Deutschland repräsentiert. Zudem ist es wichtig, dass sich die Stiftung in ihrer Arbeit aktiv und nachprüfbar für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einsetzt. Wenn daran begründete Zweifel bestehen, darf es keine Zuschüsse geben."

Das so umzusetzen, dass es in Karlsruhe hält, wird allerdings eine Herausforderung. Noch ist offen, wie sich die Karlsruher Richterinnen und Richter dazu stellen werden. Die Verhandlung dauerte am Dienstagabend noch an.

Zitiervorschlag

BVerfG verhandelt über Förderung für parteinahe Stiftungen: . In: Legal Tribune Online, 25.10.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49985 (abgerufen am: 06.12.2024 )

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