BVerfG zur Strompreisbremse: Umver­tei­lung war mög­lich

von Dr. Christian Rath

28.11.2024

Das Bundesverfassungsgericht billigte die Finanzierung der Strompreisbremse und die damit verbundene Abschöpfung von Sondergewinnen der Öko-Stromerzeuger. Christian Rath stellt das Urteil vor.

Robert Habeck war nicht gekommen, obwohl er doch schöne Bilder im Bundesverfassungsgericht hätte haben können - als Wirtschaftsminister, der beherzt, aber doch verhältnismäßig angepackt hat, damals 2022, als die Strompreise explodierten und dies bei den einen große unerwartete Gewinne und bei den anderen unerwartete finanzielle Belastungen erzeugte.

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts unter Präsident Stephan Harbarth hat an diesem Donnerstag jedenfalls zwei Verfassungsbeschwerden von 22 Wind-, Solar- und Holz-Kraftwerksbetreibern abgelehnt, die gegen das Strompreisebremsegesetz von Habeck geklagt hatten. Die Überschusserlöse der Ökostromerzeuger durften zur Finanzierung der Strompreisbremse abgeschöpft werden.

Die Profiteure der Strompreis-Explosion

Die Strompreisbremse war vom Bundestag im Dezember 2022 beschlossen worden, nachdem im Laufe des Jahres 2022 der Strompreis massiv angestiegen war. Hauptgrund hierfür war die gezielte Verknappung der Gaslieferungen durch Russland. Da die Gaspreise auch Einfluss auf Bildung der Strompreise haben, stieg der Strompreis 2022 an der Strombörse auf das Fünffache des üblichen, in Spitzen auf das Zehnfache.

Von diesem exorbitant gestiegenen Strompreis profitierten vor allem die Produzenten erneuerbarer Energie, weil ihre Produktionskosten unverändert niedrig blieben. Das Strompreisbremsegesetz sah daher vor, dass bis Juni 2023 sieben Monate lang 90 Prozent der "Zufallsgewinne" der Energieerzeuger abgeschöpft werden. Eigentlich sollten so 13,5 Milliarden Euro umverteilt werden. Doch der Gas- und Strompreis sank früher und stärker als erwartet, so dass am Ende nur rund 750 Millionen Euro Extragewinne abgeschöpft wurden. Die restlichen Kosten der Strompreisbremse von rund 16 Milliarden Euro kamen aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF), einem Sondervermögen des Bundes.

Keine Sonderabgabe

Die Ökostrom-Hersteller klagten jedoch gegen die Abschöpfung ihrer Sondergewinne, sie verletze ihre Berufs- und Unternehmensfreiheit. Die Dämpfung des Strompreises für Verbraucher und Unternehmnen sei nicht ihre Aufgabe, sondern müsse aus dem allgemeinen Staatshaushalt finanziert werden. Die hohen Anforderungen an eine "Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion" seien hier nicht erfüllt. So seien die Einnahmen zum Beispiel nicht "gruppennützig" verwendet worden.

Das Bundesverfassungsgericht lehnte die Verfassungsbeschwerden nun aber einhellig und in vollem Umfang ab (Urt. v. 28.11.2024; Az: 1 BvR 460/23 u.a.).

Es handelte sich bei der Gewinnabschöpfung um keine Sonderabgabe, so die Richter. Denn der Staat habe sich mit der Abschöpfung keine eigenen Einnahmen verschafft. Vielmehr habe es sich um eine reine Umverteilung unter Privaten gehandelt, die über eine Verrechnung bei den Stromnetzbetreibern erfolgte.

Die Richter verwiesen hierbei auf eine ältere Entscheidung des Zweiten Senats zum rot-grünen Beitragssatzsicherungsgesetz (Urt. v. 13.09.2005; Az: 2 BvF 2/03). Damals hatte das Gericht entschieden, dass Preisregulierungen für Pharma-Unternehmen (etwa Zwangsrabatte) keine Sonderabgaben sind, weil die finanziellen Vorteile nicht dem Staat, sondern den Beitragszahlern der Krankenversicherung zugute kommen.

Verhältnismäßiges Gesetz

Die Richter prüften im zweiten Schritt, ob der Eingriff in die Berufs- und Unternehmensfreiheit gem. Art 12 Grundgesetz (GG) gerechtfertigt ist.

Sie betonten, dass die Abschöpfung von Gewinnen, die aus der Knappheit von Produkten auf dem Markt folgen, grundsätzlich nicht erlaubt ist. Hier sei sie jedoch ausnahmsweise verhältnismäßig und damit gerechtfertigt gewesen.

Für die Zulässigkeit sprach, dass den "außerordentlich begünstigten Stromproduzenten" die "außerordentlich belasteten Verbraucher" gegenüberstanden. Hier einen Ausgleich herzustellen, sei ein "legitimes Ziel" gewesen. Die Richter machten deutlich, dass Strom "ein zur Deckung existenzieller Bedarfe unverzichtbares Gebrauchsgut" ist.

Die Bezahlung der Strompreisbremse ausschließlich aus dem Staatshaushalt wäre kein milderes Mittel gewesen, weil hier die Ausgleichsfunktion fehle.

Die Hersteller seien auch nicht unverhältnismäßig belastet worden. Es seien schließlich nicht alle Gewinne abgeschöpft worden, sondern nur 90 Prozent der Gewinne, die über die "typischen Investitionserwartungen" hinausgingen. Auch Übergewinne, die vor dem Dezember 2022 anfielen, blieben unangetastet. Zudem beschränkte sich die Abschöpfung auf sieben Monate.

Die Richter diskutierten auch, ob die Abschöpfung von Sondergewinnen, die aus einer unerwarteten Knappheit resultieren, falsche Investitionssignale sende, sie verneinten dies jedoch. Anders als bei den Corona-Schutzmasken, wo ein kurzfristig explodierter Preis zur schnellen Ausweitung der Produktion und zur relativ schnellen Beseitigung des Mangels führte, sei der Bau eines neuen Kraftwerks ein langwieriges Projekt, mit dem nicht auf kurzfristige Knappheit reagiert werden könne.

Auch die hohen Verwaltungskosten für die Betreiber machten die Gewinnabschöpfung nicht verfassungswidrig, so die Richter. Zu den abgeschöpften rund 750 Millionen Euro kamen noch rund 50 Millionen Euro administrative Kosten für die Erfassung der erforderlichen Daten hinzu. Dies sei aber deshalb nicht unverhältnismäßig, weil ja ursprünglich mit viel höheren Einnahmen gerechnet wurde.

Es ging den Klägern um Grundsätzliches

Die Kläger betonten nach der Urteilsverkündung, ihnen sei es nie ums Geld gegangen, sondern nur um Rechtssicherheit für Investoren und die Vermeidung von Standortnachteilen.

Die Verfassungsbeschwerden waren freilich zu einem Zeitpunkt eingelegt worden, als noch mit einer Abschöpfung von über 13 Milliarden Euro gerechnet wurde. Als sich abzeichnete, dass nur rund fünf Prozent der prognostizierten Summe abgeschöpft werden, hatten die Kläger diskutiert, ob sich der Klage-Aufwand noch lohne. Sie kamen dann aber zum Ergebnis, dass sie auf diesem Wege wenigstens noch Grundsatzfragen klären können. Insofern ist ihr bescheidener Dank an das Bundesverfassungsgericht für die erhaltene Rechtssicherheit vielleicht weniger aufgesetzt, als es zunächst wirkte.
 

Zitiervorschlag

BVerfG zur Strompreisbremse: . In: Legal Tribune Online, 28.11.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55991 (abgerufen am: 07.12.2024 )

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