Parlamentsbeteiligung bei Auslandseinsätzen: Gute Gründe für den Reform-Stopp

von Autor Simon Gauseweg, LL.B

17.02.2017

2/2: Was ist ein bewaffneter Einsatz?

Fast einhellig lehnten die Sachverständigen die geplante Beschränkung des Parlamentsvorbehalts ab. Fest steht nach den entsprechenden Entscheidungen des BVerfG, dass bewaffnete Einsätze unter dem Vorbehalt des Parlaments stehen. Fraglich ist lediglich – zuletzt entschieden zur Operation PEGASUS in Libyen –, wann die Schwelle zum bewaffneten Einsatz erreicht ist.

Werden bei humanitären Operationen (z.B. in der Katastrophenhilfe) Waffen lediglich zum Selbstschutz mitgeführt, soll eine "Einbeziehung in bewaffnete Unternehmungen", die dafür Voraussetzung wäre, auch nach Annahme des BVerfG nicht vorliegen. Eine parlamentarische Zustimmung ist dann nicht nötig.

Umgekehrt bedeutet der Begriff der „Unternehmung“, dass die eingesetzten Soldaten nicht selbst bewaffnet sein müssen. Es reicht stattdessen aus, wenn sie z.B. in einem AWACS-Flugzeug Luftlagebilder erstellen oder an der Einsatzleitung von Kampffliegern mitwirken und so deren Kampfhandlungen fördern. So entschied es das BVerfG anlässlich der AWACS-Einsätze in der Türkei 2003.

Verfassungsrechtlich bestenfalls bedenklich

Bislang gab das ParlBG diese Rechtslage deklaratorisch wieder. Nun aber sollten Fälle beispielhaft angeführt werden, in denen eine Einbeziehung in eine bewaffnete Unternehmung in der Regel nicht zu erwarten gewesen wäre. Zudem sollte der Parlamentsvorbehalt nach Änderung erst bei "konkreter" Erwartung der Einbeziehung in bewaffnete Unternehmungen ausgelöst werden.

Letzteres wäre unzulässig. Der Erwartungs-Begriff ist als Voraussetzung für den Parlamentsvorbehalt vom Verfassungsgericht festgeschrieben. Die "konkrete" Erwartung ist enger formuliert als die vom BVerfG geforderte „qualifizierte“ Erwartung und damit eine unwirksame einfachgesetzliche Einschränkung eines unmittelbar kraft Verfassung geltenden Rechtsbegriffs.

Wegen des Verfassungscharakters des Parlamentsvorbehalts hätten die vorgesehenen Beispiele die bestehenden Rechtsunsicherheiten eher gefördert als gemindert: Regelbeispiel hin oder her – eine Einzelfallprüfung hätte in jedem einzelnen Fall vorgenommen werden müssen. Eine Aufzählung lädt jedoch dazu ein, sie zu unterlassen.

Der Sachverständige Prof. Dr. Ulrich Hufeld fürchtete, "dass Prozesse in Karlsruhe wahrscheinlicher w[ü]rden." Dabei sollten die Änderungen der Bundesregierung und ihren internationalen Partnern eigentlich mehr Rechts- und damit Planungssicherheit zu verschaffen.

Der Entwurf hätte eine Chance vertan

Auch handwerklich vermag der Entwurf nicht zu überzeugen. Die ohnehin komplizierten Begriffszusammenhänge hätten durch die Änderung nur an Trennschärfe verloren, die Grenze zur Unwirksamkeit aufgrund des Vorrangs der Verfassung ist schnell erreicht.

Bereits in der "Rühe-Kommission" haben die Parlamentarier die Chance vertan, die Gesetzesnovelle zu nutzen, um das ParlBG den Gegebenheiten moderner Kriegsführung anzupassen. Längst müssen Soldaten das Land nicht mehr verlassen, um zu kämpfen. Sowohl Drohnen als auch rein virtuelle "Cyber"-Angriffe können von der Tastatur im Heimatland ausgehen.

Hierfür ist zwar auch nach geltender (Verfassungs-) Rechtslage ein Bundestagsmandat notwendig. Die meisten materiellen Bestimmungen des ParlBG geben indes ohnehin nur Verfassungsrecht wieder. Eine passende Ergänzung hätte nicht geschadet.

Letztlich ist positiv, dass der Entwurf wohl gescheitert ist. Die durch die Änderungen bewirkten Rechtsunsicherheiten und Probleme hätten allen Beteiligten am Ende mehr geschadet als genutzt.

Und sei es auch nur in Bezug auf Erkundungskommandos oder Ausbildungsmissionen: Ohne eine Verfassungsänderung wird eine Einschränkung des Parlamentsvorbehalts nicht zu machen sein. Im Hinblick auf die Bündnisfähigkeit der Bundesrepublik und auch auf den Einsatzbegriff des Grundgesetzes mag diese regelmäßig gefordert werden. Ob sie wünschenswert ist, steht auf einem ganz anderen Blatt.

Der Autor Simon Gauseweg, LL.B. ist Reserveoffizier der Bundeswehr und legt derzeit an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) sein erstes Staatsexamen ab. Daneben forscht er dort zu völker- und verfassungsrechtlichen Aspekten moderner Kriegsführung.

Zitiervorschlag

Autor Simon Gauseweg, LL.B, Parlamentsbeteiligung bei Auslandseinsätzen: Gute Gründe für den Reform-Stopp . In: Legal Tribune Online, 17.02.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22141/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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