Sitzungsmarathons, Abschiedsreden, Wahlkampfstimmung – vergangene Woche kamen die Abgeordneten das letzte Mal in dieser Legislaturperiode zusammen. Teilweise mitten in der Nacht beschlossen die Parlamentarier strengere Gesetze gegen Menschenhändler, Abmahnanwälte und unseriöse Geldeintreiber. Außerdem einigte man sich noch auf eine kleine Reform des Urheberrechts. Es berichten Thomas Robl und Marek Steffen Schadrowski.
Es ist Donnerstagabend, kurz nach 23 Uhr. Die Reihen im Plenarsaal des Deutschen Bundestages sind spärlich besetzt, da betreten plötzlich mehrere Dutzend Abgeordnete der SPD den Saal. Schon wittern die Vertreter der Regierungskoalition ein taktisches Manöver der Opposition. Tatsächlicher Grund war jedoch die letzte Plenarsaalrede von Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD), die seit 1987 dem Bundestag angehört, nun aber nicht erneut kandidiert. Mit ihr verlassen viele bekannte Gesichter, wie Ilse Aigner (CSU), Michael Glos (CSU), Franz Müntefering (SPD) oder Jürgen Koppelin (FDP) das Parlament.
Als der ebenfalls aus dem Bundestag ausscheidende Vizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) die Abgeordneten am Freitagnachmittag um 16:14 Uhr mit den Worten "Kommen Sie gut nach Hause" verabschiedete, hatten die Parlamentarier einen Sitzungsmarathon hinter sich. In der Nacht von Donnerstag auf Freitag wurde der letzte Tagesordnungspunkt erst um 0:51 Uhr geschlossen, nur etwa acht Stunden später trat das Plenum erneut zusammen. Verabschiedet wurden vor allem drei wichtige Gesetze.
Strafbarkeit des Menschenhandels erweitert
Mit den Stimmen von CDU/CSU und FDP beschloss der Bundestag den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Bekämpfung des Menschenhandels und Überwachung von Prostitutionsstätten (BT-Drs. 17/13706, in der vom Rechtsausschuss geänderten Fassung, BT-Drs. 17/14193, 17/14215).
Mit dem Gesetz soll die europäische Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels umgesetzt werden. Dafür wird § 233 des Strafgesetzbuches (StGB) erweitert. Menschenhandel soll nicht mehr nur strafbar sein, wenn damit die Arbeitskraft eines Menschen ausgebeutet wird, sondern auch dann wenn es um Organhandel, Bettelei oder die Ausnutzung anderer strafbarer Handlungen geht. Der Rechtsauschusses hat klargestellt, dass § 233 Abs. 1 StGB auch für die Ausbeutung von Personen unter 21 Jahren gilt.
Daneben ist die Gewerbeordnung (GewO) geändert worden, um Prostituierte besser zu schützen. Bordelle sind nun überwachungsbedürftige Gewerbe nach § 38 Abs. 1 GewO. Das gibt Behörden die Möglichkeit, dem Betreiber etwa zum Schutz der Frauen Auflagen zu erteilen.
Opposition unzufrieden
Nach Ansicht der SPD setzt das Gesetz die Richtlinie nicht vollständig um, weil es sich auf strafrechtliche Regelungen beschränkt. So fehlten vor allem Hilfsangebote, eine Verbesserung des Opferschutzes und eine effektivere Bestrafung der Täter. Die Grünen beanstandeten vor allem Beweisschwierigkeiten in der Praxis. Gleichzeitig forderten sie mit drei abgelehnten Anträgen, das Aufenthaltsgesetz zu ändern. Opfer einer Straftat nach §§ 232, 233, 233a StGB sollten unter bestimmten Voraussetzungen eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Damit griffen sie auf, was die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes in der öffentlichen Anhörung im Rechtsauschuss gefordert hatte.
Während der Anhörung hatten auch die anderen Sachverständigen scharfe Kritik an dem Gesetzentwurf geäußert. Auf die praktischen Probleme bei der Strafverfolgung hatte etwa ein Vertreter des Bundeskriminalamtes hingewiesen. So könne Menschenhandel fast nur nachgewiesen werden, wenn das Opfer von einer Ausbeutung berichtet. Es sei nahezu unmöglich, anhand von objektiven Kriterien zu belegen, ob und wie ein Entschluss hervorgerufen wurde. In der Regel sei es problematisch eine Aussage des potenziellen Opfers zu erhalten.
Einige Sachverständige hielten es auch für unzureichend, Bordelle als überwachungsbedürftiges Gewerbe auszugestalten. Außerdem fehle es an einer Definition für eine "Prostitutionsstätte". In dem Milieu gebe es zu viele unterschiedliche Geschäftsmodelle – neben klassischen Bordellen etwa den Straßenstrich, Terminwohnungen oder Internetdienste.
Thomas Robl und Marek Schadrowski, Aus dem Bundestag: . In: Legal Tribune Online, 01.07.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9044 (abgerufen am: 06.12.2024 )
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