Aus der Maskenaffäre um die früheren Unionsabgeordneten Löbel und Nüßlein will die GroKo Konsequenzen ziehen und plant diverse Gesetzesverschärfungen – u.a. im StGB. Ob ausgerechnet diese allerdings was bringt, bezweifeln Juristen.
Die Koalition hat offenbar erhebliche Zweifel daran, dass mit dem geltenden Recht die Korruption von Bundestagsabgeordneten wirksam bekämpft werden kann. Wie die SPD-Bundestagsfraktion gegenüber LTO bestätigte, soll deshalb u. a. der einschlägige Straftatbestand der Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern (§108e StGB) zum Verbrechen mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr hochgestuft worden. Die Union signalisierte in diesem Punkt gegenüber LTO Zustimmung.
Was nach den Bestechungsvorwürfen der vergangenen Tage gegenüber Abgeordneten der Unionsfraktion aus Sicht der Sozialdemokraten gesetzlich geboten erscheint, hat die SPD-Bundestagsfraktion nunmehr in einem "Entwurf eines Gesetzes zur Erhöhung der parlamentarischen Transparenz und zur Bekämpfung der parlamentarischen Korruption" aufgelistet. Der Entwurf liegt LTO vor.
Neben einer Verschärfung des § 108e StGB sieht der Vorschlag diverse Änderungen des Abgeordnetengesetzes (AbgG) sowie des Parteiengesetzes (PartG) vor. Die parlamentarischen Transparenzregeln des Abgeordnetengesetzes sollen "deutlich" verschärft werden. Unter anderem soll in § 44a Abs. 2 AbgG ein Spendenannahmeverbot für Bundestagsabgeordnete eingeführt werden. Bisher sind Spenden an MdB grundsätzlich erlaubt. Das soll sich ändern. Im Entwurf aus der SPD-Fraktion heißt es: "Die Abgeordnetenentschädigung ist in ihrer Höhe auskömmlich. Für die Annahme der Spenden von Dritten gibt es daher keinen Grund."
SPD: Keine entgeltliche Beratertätigkeit mehr für Abgeordnete
Um Übersichtlichkeit und Transparenz zu schaffen, regt die SPD an, die bisher nur in einer Anlage zur Geschäftsordnung des Bundestages (GO-BT) enthaltenen Verhaltensregeln für Mitglieder des Bundestages in das AbgG zu überführen. Damit würden sämtliche Transparenzregeln für Bundestagsabgeordnete "rechtssicher in einem Gesetz verankert und somit übersichtlich". Das bisherige Regelwerk sei so verschachtelt angelegt, dass es eher Intransparenz als Transparenz schaffe, heißt es.
Im Einzelnen schweben den Sozialdemokraten neben der StGB-Änderung folgende Änderungen vor:
- Entgeltliche Beratertätigkeiten, die neben dem Mandat in unmittelbarem Zusammenhang mit der Interessenvertretung beim Gesetzgebungsprozess stehen, sollen künftig unzulässig sein – ebenso wie die Annahme von Spenden für Abgeordnete.
- Beteiligungen an Kapital- und Personengesellschaften sollen künftig ab fünf Prozent der Stimmrechte anzeige- und veröffentlichungspflichtig werden. Auch die Einkünfte aus diesen Unternehmensbeteiligungen seien anzuzeigen und zu veröffentlichen. Optionen auf Gesellschaftsanteile werden Einkünften gleichgestellt. Auch sie sollen anzeige- und veröffentlichungspflichtig sein - und zwar unabhängig von der Frage, ob sie einen bezifferbaren Wert haben. Unternehmensgründungen soll Bundestagsabgeordneten komplett untersagt werden.
- Fortan sollen MdB nach Wunsch der SPD auch präzisere Angaben zum Umfang ihrer Nebentätigkeiten machen. Damit soll offengelegt werden, ob das Mandat immer noch im Mittelpunkt ihrer Arbeit steht. Alle Nebeneinkünfte der Mitglieder des Bundestages sollen künftig betragsgenau ("auf Euro und Cent") veröffentlicht werden. Das bisher geltende Stufensystem bei den Nebeneinkünften, wonach sich der Grad der Offenlegungspflicht nach dem jeweiligen Gewinn bzw. Umfang der Beteiligung ergibt, soll aufgehoben werden.
- Im Parteiengesetz soll eine neue jährliche Höchstgrenze von 100.000 Euro pro Geberin oder Geber eingeführt werden. Parteispenden müssen künftig bereits ab 2.000 Euro statt bisher ab 10.000 Euro veröffentlichungspflichtig sein. In der Abwägung zwischen Transparenz und bürokratischem Aufwand für die Schatzmeistereien der Parteien sei dies eine "angemessene Lösung".
- Schließlich sieht der Entwurf auch Regeln vor, die im Bereich des sogenannten Parteiensponsorings für Transparenz sorgen sollen. Dieses ist bislang im PartG nicht ausdrücklich geregelt. Sponsoring findet etwa in Ortsvereinen und Unterbezirken statt, wenn z.B. ein lokaler Sponsor mit Sachleistungen ein Sommerfest unterstützt.
Strafrechtler: § 108e StGB bleibt reformbedürftig
Inwieweit die meisten dieser, vor allem der SPD am Herzen liegenden Punkte am Ende Realität werden, ist indes noch offen. Die Verhandlungen innerhalb der Koalition dauerten am Freitag noch an. Aus Verhandlungskreisen war zu hören, dass es bei einer Vielzahl von Punkten noch Widerstand aus der Union gebe, u.a. bei der von der SPD geforderten umfassenden Veröffentlichungspflicht von Beteiligungen an Kapital- und Personengesellschaften. Zudem lehnten CDU und CSU eine betragsgenaue Veröffentlichung von Nebeneinkünften ab.
Zustimmung signalisierte die Union indes im Hinblick auf die strafrechtliche Änderung: § 108e StGB zum Verbrechen hochzustufen, sei "sinnvoll und gut", erklärte der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei gegenüber LTO. Auch der rechtspolitische Sprecher der Union, Jan-Marco Luczak, begrüßte im Gespräch mit LTO den Schritt: "Bestechliche Mandatsträger beschädigen das Vertrauen in die Unkäuflichkeit der Mandatsausübung. Das ist absolut inakzeptabel, sie schaden damit dem Ansehen des Parlaments und des gesamten repräsentativen Systems. Abgeordnetenbestechung muss daher hart bestraft werden. Das hohe Schutzgut der Norm rechtfertigt und verlangt, hier auf eine Mindeststrafe von einem Jahr zu gehen."*
Ob diese Änderung im StGB allerdings überhaupt etwas taugt, wenn nicht zugleich auch der Anwendungsbereich der Vorschrift ausgeweitet wird, bezweifeln Juristen, wie etwa der Augsburger Strafrechtler Prof. Michael Kubiciel. Er befasst sich schon seit Jahren intensiv mit dem Thema Abgeordnetenbestechung.
"Gegen eine Erhöhung des Strafrahmens bestehen keine Bedenken", so Kubiciel.
Allerdings weise § 108e StGB im Tatbestand einige Lücken auf. Dazu zähle zum Beispiel das Erfordernis, dass der Mandatsträger "im Auftrag oder auf Weisung" des Vorteilsgebers handeln muss. Das könne, so der Hochschullehrer, im Einzelfall zu großen Beweisproblemen führen. Der Verhandlungsführer der SPD-Fraktion, Matthias Bartke, zeigte sich unterdessen an diesem Punkt zuversichtlich: "Die Hochstufung zum Verbrechen ist drastisch und wird eine Abschreckungswirkung entfalten", sagte er im Gespräch mit LTO.
Transparency International kritisiert "Schaumschlägerei"
Ähnlich wie Strafrechtler Kubiciel bezweifelt allerdings auch die Anti-Korruptions-Organisation Transparency International (TI), dass die geplante Strafverschärfung irgendeine Wirkung zeigt, solange nicht am Tatbestand selbst etwas verändert wird. "Nur das Heraufsetzen des Strafrahmens ist Schaumschlägerei", kritisierte TI-Vorsitzender Hartmut Bäumer im Gespräch mit LTO.
Um Transparenz zu schaffen, setzt der Jurist setzt eher auf ein umfassendes Lobbyregister – ohne Ausnahmen und mit einem exekutiven als auch legislativen Fußabdruck. Nur so würde künftig deutlich, wer zu welchem Zweck wann lobbyiert hat. Laut Bäumer wird sich jeder Abgeordnete dann überlegen müssen, ob er um eines finanziellen Vorteils willen sein Mandat und die Reputation seiner Partei aufs Spiel setzt.
Teile der Opposition kritisierten die geplante StGB-Änderung gegenüber LTO ebenfalls: "Ein Tatbestand, der so gut wie nicht erfüllbar ist, wird auch nicht besser, wenn man ihn zum Verbrechen macht", sagte die rechtspolitische Sprecherin der Grünen, Katja Keul. Keuls Pendant bei der FDP, Rechtspolitiker Jürgen Martens, regte an, insbesondere für schwere Fälle von Bestechlichkeit eine Änderung in der Vorschrift vorzunehmen. Eine Heraufstufung zum Verbrechen lehnt Martens ab.
AfD-Rechtspolitiker Stephan Brandner bezeichnete die Bestrebungen der Koalition generell als "aktionistisch". Im Zweifel werde keine Verhaltensregel, kein Lobbyregister und keine StGB-Änderung einen "Schurken" davon abhalten können, sein illegales Werk zu vollenden, wenn es etwa um das Einstreichen hoher sechsstelliger Beträge geht. Linken-Rechtspolitker Friedrich Straetmanns mahnte indes wirkungsvolle Verschärfungen auch auf dem Gebiet des Strafrechts an, die sich an den Empfehlungen der Staatengruppe gegen Korruption des Europarats (GRECO) orientierten. Die Union, so Straetmanns, habe diese jedoch im Ältestenrat zurückgewiesen.
*Anm. d.Redaktion: Zitat ergänzt am 12.03.2021, 16.35 Uhr.
Nach Korruptionsvorwürfen bei Maskenbeschaffung: . In: Legal Tribune Online, 12.03.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44492 (abgerufen am: 04.10.2024 )
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