Dürfen Investitionsschiedsverfahren in der EU noch durchgeführt werden, oder bleiben die Streitigkeiten künftig nationalen Gerichten vorbehalten? Eine Antwort auf diese Frage hatten sich Schieds- und Europarechtler vom BGH erhofft – vergebens. Stattdessen haben die Bundesrichter jedoch ein anderes, bislang ebenfalls ungeklärtes Problem des (Schieds-)Prozessrechts gelöst, wie Peter Bert erläutert.
Investitionsschiedsverfahren sind spätestens seit der Klage von Vattenfall gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen des Atomausstiegs ins Blickfeld der Öffentlichkeit geraten. Auch die Transparenz solcher Verfahren sorgt für rechtspolitische Debatten. Ein weiteres heißes Thema ist es, ob Investitionsschiedsverfahren auf der Grundlage von Investitionsschutzverträgen zwischen EU-Mitgliedsstaaten überhaupt noch zulässig sind. Die EU-Kommission hat hier deutlich Stellung bezogen: Ihrer Auffassung nach gibt es für Schiedsklauseln aus solchen Verträgen keinen Anwendungsspielraum mehr. Mit dieser Frage wurden als erste staatliche Gerichte in der EU die deutschen befasst, da die Slowakei in der Bundesrepublik gegen einen Zwischenschiedsspruch vorging, mit dem das Schiedsgericht in Sachen Eureko ./. Slowakei seine Zuständigkeit bejaht hatte.
Folgerichtig blickten Europa- und Schiedsrechtler mit Spannung nach Karlsruhe, wo die Entscheidung des Bundesgerichtshofs erwartet wurde. In dem in der vergangenen Woche veröffentlichten Beschluss vom 19. September 2013 (Az. III ZB 37/12) hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) jedoch in der Sache nicht geäußert, sondern vielmehr darauf hingewiesen, dass das von der Slowakei angestrengte Verfahren nach § 1040 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) unzulässig geworden, da zwischenzeitlich ein Schiedsspruch in der Hauptsache ergangen sei. Er nutzte jedoch die Gelegenheit – ungewöhnlich genug – einen Hinweisbeschluss zu veröffentlichen, und die bislang nicht höchstrichterlich entschiedene Frage zu klären, wie sich die gerichtliche Überprüfung eines Zwischenentscheids zur Zuständigkeit des Schiedsgerichts (§ 1040 Abs. 3 ZPO) einerseits und des endgültigen Schiedsspruchs (§ 1059 ZPO) andererseits zu einander verhalten.
Keine Kontrolle von Zwischenschiedsspruch nach endgültiger Entscheidung
Doch zunächst zum Hintergrund des Verfahrens: Der niederländische Versicherungskonzern Eureko bot in der Slowakei private Krankenversicherungen an. Seiner Auffassung nach verstießen regulatorische Änderungen, die die Slowakei im Jahr 2006 beschloss, gegen das Investitionsschutzabkommen zwischen den Niederlanden und der Slowakei. Eureko leitete auf dieser Basis im Oktober 2008 ein Investitionsschiedsverfahren ein, bei dem das Schiedsgericht seinen Sitz in Frankfurt hatte. Im Oktober 2010 erließ das Schiedsgericht einen Zwischenschiedsspruch, bejahte darin seine Zuständigkeit und wies die Einwände der Slowakei – und die Argumente der Kommission - gegen die Anwendbarkeit der Schiedsklausel als unbegründet zurück. Hiergegen wandte sich die Slowakei vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main. Dieses bestätigte die Auffassung des Schiedsgerichts jedoch im Mai letzten Jahres (Beschl. v. 10.05.2012, Az. 26 SchH 11/10).
Während gegen die Frankfurter Entscheidung noch die Rechtsbeschwerde vor dem BGH anhängig war, setzte das Schiedsgericht das Verfahren fort und erließ am 7. Dezember 2012 einen Schiedsspruch zugunsten von Eureko, in dem es Eureko unter anderem Schadensersatz in Höhe von gut 22 Millionen Euro zusprach. Dieser Schiedsspruch ist zugleich der Grund dafür, dass sich der BGH nun an einer Sachentscheidung gehindert sieht.
In seinem Hinweisbeschluss legt der BGH dar, dass der Antrag der Slowakei nach § 1040 Abs. 3 ZPO unzulässig geworden sei. Die Slowakei könne kein Rechtsschutzbedürfnis für eine isolierte Überprüfung des Zwischenschiedsspruchs mehr geltend machen.
Andere Entscheidung im Ausland "kaum vermittelbar"
Zur Begründung führen die Karlsruher Richter aus, dass sie die Reichweite des Verfahrens nicht über den Zwischenschiedsspruch hinaus auf die Wirksamkeit des endgültigen Schiedsspruchs ausdehnen könnten. Eine Entscheidung über den Zwischenschiedsspruch würde zudem die Funktion des Aufhebungsverfahrens nach § 1059 ZPO und der darin vorgesehenen Fristen unterlaufen. Daher komme nur noch ein formales und förmliches Aufhebungsverfahren nach § 1059 ZPO über den endgültigen Schiedsspruch in Frage, neben dem das Verfahren über den Zwischenschiedsspruch nach § 1040 Abs. 3 ZPO nicht weitergeführt werden könne.
Dabei trägt der Bundesgerichtshof auch der Tatsache Rechnung, dass die Schiedssprüche, die aufgrund des Sitzes des Schiedsgerichts in Frankfurt "deutsche" Schiedssprüche sind, auch im internationalen Rechtsverkehr durchsetzbar bleiben müssen. Eine Fernwirkung einer Entscheidung über den Zwischenschiedsspruch auf den endgültigen Schiedsspruch sei in ausländischen Verfahren "kaum vermittelbar". Schließlich spreche auch nicht die Prozessökonomie für eine andere Handhabung. Von den Parteien im Verfahren über den Zwischenschiedsspruch aufgewandte Mühen könnten auch im Verfahren über den endgültigen Schiedsspruch fruchtbar gemacht werden.
Die erwartete inhaltliche Entscheidung über die Frage der Zulässigkeit von Schiedsklauseln in inner-europäischen Investitionsschiedsverfahren muss daher noch auf sich warten lassen, bis auch der Angriff der Slowakei auf den endgültigen Schiedsspruch den Bundesgerichtshof erreicht. Der Bundesgerichtshof selbst wird die Angelegenheit möglicherweise dem Europäischen Gerichtshof vorlegen müssen, so dass der Fall interessierte Kreise noch einige Jahre beschäftigen dürfte.
Der Autor Peter Bert ist Rechtsanwalt, Solicitor (England & Wales) und Partner bei Taylor Wessing in Frankfurt am Main. Er befasst sich mit internationalen Schieds- und Zivilverfahren und bloggt unter www.disputeresolutiongermany.com.
BGH zu Kontrolle von Schiedssprüchen: . In: Legal Tribune Online, 24.10.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9875 (abgerufen am: 14.10.2024 )
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