Konkurrentenklagen an Bundesgerichten: Haus­ge­machte Schwie­rig­keiten

von Dr. Ursula Knapp

09.10.2015

2/2: Auch das Bundesverfassungsgericht muss ran

Dass das Bundesverfassungsgericht in Konkurrentenklagen eingeschaltet wird, nimmt übrigens zu. Vor wenigen Tagen entschieden die Karlsruher Richter auch über den Fortgang des Besetzungsstreits am Münchener BFH.

Seit fast zwei Jahren wird dort gestritten, wer Vorsitzender des III. Senats wird. Der nicht berücksichtigte Bewerber klagte hier im Eilverfahren – und zwar vor beiden Verwaltungsgerichtsinstanzen mit Erfolg. Aber jetzt ist alles wieder auf null gestellt, das Besetzungsverfahren beginnt von vorn. 

Das Bundesverfassungsgericht hat es in einer aktuellen Entscheidung, die LTO vorliegt, nämlich gebilligt, dass BFH-Präsident Rudolf Mellinghoff das alte Bewerbungsverfahren abgebrochen und ein neues eingeleitet hat. Denn ein zusätzlicher Bewerber hatte sich für den Vorsitz im III. Senat gemeldet. Weil das alte Besetzungsverfahren durch die VGH-Entscheidung endgültig angehalten war, sei ein neues Bewerbungsverfahren mit zusätzlichen Bewerbern  verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, möglicherweise sogar geboten, so die Kammer unter Vorsitz von Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle. Der Konkurrent, der das alte Verfahren fortsetzen wollte,  war schon vor dem VGH gescheitert, auch seine Verfassungsbeschwerde blieb jetzt ohne Erfolg.

Am BFH geht es aber schon lange nicht mehr allein um den III. Senat, sondern auch um den II. Im Oktober und Januar treten zwei weitere Vorsitzende in den Ruhestand. Geht es weiter wie bisher, kann es bis zur Besetzung Jahre dauern.

Lösungsvorschläge von Gerichtspräsidenten und Justizministerkonferenz

Der von den Präsidentinnen und Präsidenten der Bundesgerichte im Sommer 2015 einstimmig eingebrachte Vorschlag, Konkurrentenklagen künftig  beim Bundesverwaltungsgericht zu bündeln, kommt also nicht von ungefähr. Im Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz wird er, so die Auskunft eines Pressesprechers, auch geprüft. Eingebettet sind die Überlegungen aber in einen weiteren Reformvorschlag der Justizministerkonferenz, die auch  die Wahlen zu den Bundesgerichten reformieren will. Danach sollen die Auswahlkriterien normiert werden und zudem eine persönliche Anhörung der Bewerber im Richterwahlausschuss stattfinden. In die Reform soll möglicherweise auch ein neuer Instanzenzug für Konkurrentenklagen an Bundesgerichten eingebunden werden.

Ein Gegenargument gibt es bereits gegen den vorgeschlagenen Sonderweg. Klagen unterlegener Bewerber bei Bundesrichterstellen könnten keinen anderen juristischen Gang nehmen als beispielsweise bei Bundeswehroffizieren. Allerdings kann sich die Bundeswehr bei langen Stellenblockaden Offiziere aus anderen Abteilungen holen. BFH, BSG oder BGH können sich aber keine Richter bei dem von Konkurrentenklagen bislang verschonten Bundesarbeitsgericht oder Bundesverwaltungsgericht ausleihen.

Zitiervorschlag

Dr. Ursula Knapp, Konkurrentenklagen an Bundesgerichten: Hausgemachte Schwierigkeiten . In: Legal Tribune Online, 09.10.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17146/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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