Wenig Corona in den wichtigsten Fällen des BSG: der Arbeitsunfall im Homeoffice, Kosten für die künstliche Befruchtung und auch schön: Referendare können Arbeitslosengeld bekommen.
1/6: Der Sturz im Homeoffice
Machen wir uns nichts vor: Selten wird eine Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) sehnsüchtig erwartet. Doch auch das macht Corona möglich: Beim Sturz im Homeoffice war das nun einmal anders. Das BSG hat nicht enttäuscht: Wer sich bei der Arbeit von Zuhause aus vom Bett ohne Umwege über das Frühstück an den Schreibtisch bewegt, erleidet bei einem Sturz einen Arbeitsunfall. Der Weg vom Bett direkt ins häusliche Büro fände nämlich im Interesse des Arbeitgebers statt, entschied das BSG (Urt. v. 08.12.2021, Az. B 2 U 4/21 R).
Die Rechtsprechung passt zur Neuregelung, die der Gesetzgeber im Sommer 2021 mit dem Betriebsmodernisierungsgesetz in § 8 Sozialgesetzbuch (SGB) VII eingeführt hat: Während mit alter Rechtsprechung im Homeoffice der Weg in die Küche, um einen Kaffee zu holen, nicht versichert war, besteht nun auch Versicherungsschutz wie beim Arbeiten in der Betriebsstätte des Arbeitgebers.
2/6: Entschädigung ist kein Einkommen
Ein Ehepaar hatte aus einem Vergleich mit einem Bundesland eine Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer erhalten, § 198 Abs. 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Das Jobcenter berücksichtigte die Zahlung in Höhe von 3.000 Euro sogleich beim Einkommen des Ehepaares und forderte bereits bewilligtes Arbeitslosengeld II zurück bzw. lehnte dessen Erbringung ab.
Das BSG entschied: Eine derartige Entschädigungszahlung wegen überlanger Gerichtsverfahrensdauer ist kein Einkommen im Sinne des Sozialgesetzbuchs (SGB) II, sie sei vielmehr nach § 11 a Abs. 3 S. 1 SGB II davon ausgenommen. Das Geld sei daher nicht bei der Berechnung des Arbeitslosengelds II zu berücksichtigen (Urt. v. 11.11.2021, Az. B 14 AS 15/20 R).
3/6: Jeder zahlt die Befruchtung selbst
Die Krankenkassen zahlen bei Unfruchtbarkeit nicht die Kosten für eine künstliche Befruchtung. Da dies gleichermaßen für hetero- wie homosexuelle Paare gilt, ist die Regelung rechtmäßig. Eine Ungleichbehandlung liegt nicht vor, urteilte das BSG (Urt. v. 10.11.2021, Az. B 1 KR 7/21 R).
Die Kassen übernehmen die Kosten nur bei der Verwendung der Ei- und Samenzellen des Ehepartners, der sogenannten homologen Insemination. Müssen fremde Samen oder Eier verwendet werden, die heterologe Insemination, müssen die Paare die Kosten selbst tragen. Das gilt auch für heterosexuelle Paare, wenn beide Partner unfruchtbar sind – und damit werden alle Paare gleichbehandelt.
4/6: Arbeitslosengeld nach dem Rechtsreferendariat
Rechtsreferendarinnen und -referendare stehen in den meisten Bundesländern im Vorbereitungsdienst in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis. Melden sie sich rechtzeitig arbeitslos, können sie nach der Beendigung Arbeitslosengeld von der Bundesagentur für Arbeit erhalten, hat das BSG entschieden (Urt. v. 12.05.2021, Az. B 11 AL 6/20 R).
Der Anspruch auf das Arbeitslosengeld beginnt unmittelbar nach dem Bestehen des Zweiten Staatsexamens und zwar auch dann, wenn die Unterhaltsbeihilfe für den restlichen Prüfungsmonat weitergezahlt wird. Die Höhe ist jedoch nicht gerade üppig: Es beträgt im Regelfall 60 Prozent des ehemaligen Nettoeinkommens und kann bis zu zwölf Monate beansprucht werden.
5/6: Tankgutscheine sind Arbeitsentgelt
Das Arbeitsentgelt umfasst grundsätzlich alle im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden geldwerten Vorteile, und damit auch Tankgutscheine oder eine Vergütung für die Nutzung von Privatautos als Werbeflächen, urteilte das BSG (Urt. v. 24.02.2021, Az. B 12 R 21/18 R).
Ein Arbeitgeber hatte mit der Belegschaft einen teilweisen Lohnverzicht vereinbart und gewährte im Gegenzug an Stelle des Arbeitslohns Gutscheine und zahlt Miete für Werbeflächen auf den PKWs der Mitarbeitenden. Das ist sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt und unterliegt der Beitragspflicht, so der zwölfte Senat. Entscheidend sei, dass der ursprüngliche Bruttoarbeitslohn rechnungsmäßig fortgeführt werde und die Tankgutscheine und Werbeeinnahmen als "neue Gehaltsanteile" hinzukommen. Unerheblich sei hingegen, dass Arbeitgeber und Beschäftigte eigenständigen Mietverträge abgeschlossen hatten.
6/6: Befreiung von der Rentenversicherungspflicht
Arbeitet ein Anwalt befristet berufsfremd, so kann er vorübergehend von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit werden. Das geht aber nur, wenn die als nächstes aufgenommene Tätigkeit mit der ursprünglichen in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang steht, sagt das BSG (Urt. v. 11.03.2021, B 5 RE 2/20 R).
In dem Fall war ein Rechtsanwalt für eine Arbeit als Angestellter seit 1999 von der Versicherungspflicht befreit und arbeitete ab 2008 in mehreren befristeten Stellen im öffentlichen Dienst. Auch dafür erhielt er mehrfach hintereinander Freistellungen. Dann kam es im Jahr 2014 zur Arbeitslosigkeit und erst einige Zeit später zur wiederum befristeten Stelle. Für das BSG endete die anwaltliche Tätigkeit daher im Jahr 2008, eine Erstreckung der Befreiung sei nicht möglich.
In der Entscheidung billigte das BSG aber auch die Praxis der Deutschen Rentenversicherung, dass sich die neue Tätigkeit für eine Befreiung nicht auf den Tag anschließen muss: Zwischen der befreiten Tätigkeit und der neuen Tätigkeit darf ein Zeitraum von drei Monaten liegen, um dem Erfordernis des unmittelbaren zeitlichen Zusammenhangs noch zu genügen.
Sollte man kennen: Sechs wichtige Entscheidungen des BSG aus 2021 . In: Legal Tribune Online, 29.12.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47065/ (abgerufen am: 04.12.2023 )
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