Die Künstlersozialabgabe ist weder beliebt noch bekannt. Zumindest letzteres wird sich wohl bald ändern, da ihre Zahlung ab dem kommenden Jahr deutlich umfassender kontrolliert wird. Und auch die Steuerberaterkammern kommen um die Abgabe nicht herum, urteilte das BSG am Mittwoch. Andri Jürgensen erläutert die Entscheidung.
Auch die Steuerberaterkammer muss die Künstlersozialabgabe (KSA) an die Künstlersozialkasse (KSK) leisten, weil sie von selbstständigen Fotografen angefertigte Bilder ihrer Veranstaltungen in Jahresberichten, in der Zeitschriftenbeilage "Kammerreport" sowie auf ihrer Internetseite verwendet. Das entschied das Bundessozialgericht (BSG) am Mittwoch.
Die Künstlersozialabgabe dient einem guten Zweck: Mit ihrer Hilfe unterstützt die KSK die soziale Absicherung von selbständigen Künstlern und Publizisten. Wer etwa als freier Autor, Musiker oder Schauspieler bei der KSK gemeldet ist, zahlt in die gesetzliche Kranken-, Pflege und Rentenversicherung ein und bekommt einen Zuschuss von 50 % zu den Beiträgen. Für selbstständige Kreative ist das eine sehr günstige und daher beliebte Form der Absicherung. Entsprechend steigt die Zahl der nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) versicherten Künstler jedes Jahr auf inzwischen fast 180.000.
Die KSK und die Künstlersozialabgabe
Die von der KSK gezahlten Zuschüsse müssen jedoch finanziert werden. Dies übernimmt nur zum kleineren Teil der Staat, der größere Teil wird über die Künstlersozialabgabe erwirtschaftet. Diese Abgabe müssen gemäß § 24 KSVG alle Unternehmen und Einrichtungen leisten, die regelmäßig mit selbständigen Künstlern oder Publizisten arbeiten, etwa im Rahmen der Eigenwerbung. Die Rechtsform spielt dabei keine Rolle, auch öffentlich-rechtliche Körperschaften, als gemeinnützig anerkannte Vereine, Verbände, Stiftungen, etc. können zum Kreis der zur Abgabe verpflichteten Unternehmen gehören.
Sie müssen auf alle Honorare, die sie an selbständige Künstler und Publizisten zahlen, zusätzlich einen prozentualen Anteil als Künstlersozialabgabe an die KSK leisten. Wie hoch dieser Anteil ist, wird für jedes Jahr neu festgesetzt. 2014 und auch 2015 lag er bei 5,2 Prozent des gezahlten Entgelts an den Künstler. Wenn also eine Werbeagentur 2014 Honorare an selbständige Grafiker und Werbetexter von 25.000 Euro zahlt, muss sie hierauf weitere 1.300 Euro an die KSK überweisen. Die Abgabe darf dabei den Künstlern natürlich nicht von der Rechnung abgezogen werden.
Das Verfahren der Entgeltzahlung ist recht einfach: Der Verwerter meldet der KSK nach Abschluss eines Kalenderjahres bis zum 1. März, welche Gesamtsumme er an selbständige Künstler und Publizisten gezahlt hat. Die KSK übernimmt diese Angabe ungeprüft und erlässt den Bescheid über die Höhe der zu zahlenden Künstlersozialabgabe. Ob die gemeldete Entgeltsumme tatsächlich stimmt, wird erst im Rahmen einer Betriebsprüfung durch die Deutsche Rentenversicherung (DRV) oder die KSK ermittelt.
2/2: Öffentlichkeitsarbeit zählt als Werbung
Gegen diese Verpflichtung hatte sich die Bundessteuerberaterkammer zur Wehr gesetzt. Ihr Argument: als öffentlich-rechtliche Körperschaft sei sie kein Unternehmen im Sinne des § 24 KSVG. Auch betreibe sie keine "Werbung" für sich, sondern verfolge mit ihrer Pressearbeit und Kommunikation nur ihr durch Gesetz oder durch Satzung zugewiesene Aufgaben. Die von ihr regelmäßig an Fotografen gezahlten Honorare unterlägen damit nicht der Künstlersozialabgabe.
Allerdings hatte das BSG bereits mehrfach entschieden, dass die Abgabepflicht nach dem KSVG losgelöst von der Rechtsform besteht. Schon 1994 war eine öffentlich-rechtlich organisierte Ersatz-Krankenkasse mit dem gleichen Argument gescheitert (Urt. v. 20.04.1994, Az. 3/12 RK 66/92). Denn durch Broschüren und Informationsschriften wollte die Ersatzkasse auch neue Mitglieder werben, so die Richter in ihrem damaligen Urteil. Mehrere Städte und Gemeinden mussten ebenfalls hinnehmen, dass sie - etwa mit ihrem Stadtmarketing - zum Kreis der abgabepflichtigen Verwerter gezählt wurden.
Erwartungsgemäß sahen die Richter nun auch bei der Steuerberaterkammer den Tatbestand der "Eigenwerbung" als erfüllt an. Werbung und Öffentlichkeitsarbeit im Sinne des KSVG lägen nicht nur dann vor, wenn durch Werbemaßnahmen Umsatz und Gewinn gesteigert werden sollen. Das zeige schon die Begrifflichkeit, denn das KSVG stellt "Werbung" und "Öffentlichkeitsarbeit" gleichberechtigt nebeneinander. Und Öffentlichkeitsarbeit ist schon dann gegeben, wenn die Einrichtung in der Öffentlichkeit positiv dargestellt werden soll, also losgelöst von Produktverkäufen oder Mitgliederzuwächsen.
So kann im Ergebnis schon eine Website genügen, um "Eigenwerber" im Sinne der KSK zu sein, weil mit der Website naturgemäß das Ziel verfolgt wird, den Verband oder Verein positiv in der Öffentlichkeit darzustellen. Stammen die Fotos, Texte oder das Layout der Seite von selbständigen Fotografen, Textern oder Layoutern, kann das gezahlte Honorar abgabepflichtig sein.
Abgabe weiterhin verfassungsgemäß
Die Steuerberater hatten auch noch einmal vergeblich die angebliche Verfassungswidrigkeit der Künstlersozialabgabe vorgetragen. Zwar hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Jahr 1987 entschieden, dass die Abgabe mit dem Grundgesetz vereinbar ist, weil selbständige Künstler vom Vermarkter wirtschaftlich ähnlich abhängig seien wie Arbeitnehmer vom Arbeitgeber. Dann aber sei es gerechtfertigt, die Auftraggeber an den Kosten der sozialen Absicherung zu beteiligten.
Diese Grundlage, so die Steuerberaterkammer, sei jedoch inzwischen weitgehend entfallen. Mit dem Internet bestünden mittlerweile weitreichende Möglichkeiten für Künstler und Publizisten, ihre Werke selbst zu vermarkten, sodass die vom BVerfG angenommene "symbiotische Verbindung" nicht mehr bestehe. Die KSA sei daher auch kein Sozialversicherungsbeitrag, sondern eine verfassungswidrige Sonderabgabe. Das Argument der Verfassungswidrigkeit wird seit Jahren auch vom Bund der Steuerzahler in mehreren Gerichtsverfahren vorgetragen. Bislang hat sich ihm jedoch kein einziges Gericht angeschlossen.
Auch die Bundesrichter entschieden jetzt, dass die veränderten Verwertungsmöglichkeiten künstlerischer Erzeugnisse über das Internet keine andere Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit der maßgeblichen Vorschriften des KSVG rechtfertigten.
Dies ist nur sachgerecht, denn natürlich sind Autoren weiterhin auf Zeitungen, Maler auf Galerien, Musiker auf Plattenfirmen und Designer auf Werbeagenturen angewiesen. Die Vorstellung, dass mit dem Internet alle Künstler direkt an Endkunden kämen, ist fern der Realität.
Ein Urteil mit Signalwirkung
Das Urteil hat eine Signalwirkung für alle Verbände und Vereine. Wenn die Steuerberaterkammer zahlen muss, dann muss auch die Rechtsanwaltskammer aufhorchen. Und zum 1. Januar 2015 greift eine Reform des KSVG, die zu einer massiven Ausweitung der Erfassung abgabepflichtiger Verwerter führt: Die Deutsche Rentenversicherung wird statt bisher 70.000 dann 400.000 Unternehmen und Einrichtungen jährlich prüfen und die Entgeltmeldung kontrollieren.
Viele Steuerberater scheuen das Thema KSK, denn es fällt nicht mehr in ihr Gebiet des Steuerrechts. Für sie handelt es sich um eine unzulässige Rechtsberatung mit entsprechenden Haftungsfolgen. Dennoch hatten viele ihren Mandanten in der Vergangenheit empfohlen, "abzutauchen" und einfach abzuwarten, bis eine Prüfung ansteht.
Künftig werden sich alle Verwerter nun eigenständig und aktiver mit dem Thema auseinandersetzen müssen, denn innerhalb der kommenden – schätzungsweise vier - Jahre dürfte die Prüfungswelle das Land einmal komplett erfasst haben.
Der Autor Andri Jürgensen (www.kunstrecht.de) ist als Rechtsanwalt seit 15 Jahren auf das Recht der KSK spezialisiert und hat hierzu mehrere Bücher veröffentlicht. Jedes Frühjahr bietet er bundesweit Fachseminare zur Künstlersozialabgabe an.
Andri Jürgensen, Künstlersozialabgabe: Keine Ausnahme für Steuerberater und Rechtsanwälte . In: Legal Tribune Online, 09.10.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13441/ (abgerufen am: 29.03.2024 )
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