Wer Wohnraum an Hartz-IV-Empfänger vermietet, kann Mietrückstände nicht direkt vom Jobcenter einklagen, entschied das BSG. Die Entscheidung und warum es auch nach dem Zivil- anstelle des Sozialrechts nicht klappt, erklärt Martin Kellner.
Dem Klischee nach sind Hartz-IV-Empfänger gern gesehene Mieter: Die Wohnung braucht nur einfachen und grundlegenden Bedürfnissen zu entsprechen und der Vermieter kann sich sicher sein, dass mit dem Jobcenter ein potenter und zuverlässiger Zahler die Miete übernimmt, sofern sich die Miethöhe nur im Rahmen hält.
In einem nun vom Bundessozialgericht (BSG) entschiedenen Verfahren hatten die Mieter einer Auszahlung der Sozialleistungen für die Miet- und Nebenkosten unmittelbar an den Vermieter und einer Offenlegung dieser Abtretung gegenüber den Sozialbehörden mietvertraglich zugestimmt. Als die Mietzahlungen ausblieben und Mietrückschulden aufgelaufen waren, nahm der Vermieter das Jobcenter gerichtlich in Anspruch – und scheiterte nun auch in Kassel (Urt. v. 09.08.2018, Az. B 14 AS 38/17 R).
Geklagt hatte ein Rechtsanwalt, der gleichzeitig Vermieter mehrerer Wohnungen ist. Er vermietete eine Drei-Zimmer-Wohnung an ein Ehepaar, das sich in Substitutionsbehandlung wegen Opiatabhängigkeit befand und schon seit längerem Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II von dem Jobcenter bezog. Der Mietvertrag beinhaltete eine Klausel, nach der die wohnungsbezogenen Sozialleistungen des Ehepaars direkt an ihn abgetreten werden sollten.
Als die Mieter die vom Jobcenter gezahlten wohnungsbezogenen Leistungen mit der Zeit nicht mehr an den Vermieter weiterleiteten, entstanden erhebliche Mietrückstände. Wegen dieser kündigte der Vermieter das Mietverhältnis fristlos. Dazu erhob er Klage gegen das Jobcenter auf Auszahlung der ausstehenden Miete und Nebenkosten nebst Zinsen.
Kein Anspruch aus abgetretenem Recht
Das BSG stellte dar, dass kein Anspruch des Vermieters aus abgetretenen Ansprüchen auf Grundsicherungsleistungen gegen den Grundsicherungsträger besteht. Fraglich erscheine bereits, ob die mietvertragliche Klausel überhaupt im Sinne einer Abtretungserklärung auszule-gen gewesen sei. Jedenfalls spreche gegen eine wirksame Abtretung das anzuwendende Sozialrecht. Da dieses in besonderer Weise den Schutz der Leistungsberechtigten verfolgt, ist die Abtretung von sozialrechtlichen Ansprüchen auf Geldleistungen generell an eine Zustimmung des zuständigen Leistungsträgers gebunden. Nach § 53 Abs. 2 Nr. 2 SGB I muss der Leistungsträger vorab durch Verwaltungsakt feststellen, dass die Übertragung im wohlverstandenen Interesse des Berechtigten liegt. Eine Feststellung war bei dem beklagten Jobcenter als Leistungsträger aber nicht beantragt und daher auch nicht ausgesprochen worden. Eine rückwirkende Feststellung für die Vergangenheit ist dabei nicht möglich; und zwar erst recht, wenn die Leistung bereits an den Berechtigten ausgezahlt worden ist.
Auch kein Anspruch auf Direktauszahlung
Einen unmittelbaren Anspruch des Vermieters gegen das Jobcenter auf Auszahlung der Miete sieht das SGB II auch nicht vor. Nach § 22 Abs. 7 SGB II ist das Arbeitslosengeld II - soweit es für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird - auf Antrag des Leistungsberechtigten vom Jobcenter direkt an den Vermieter auszuzahlen. Außerdem soll es in solchen Fällen direkt gezahlt werden, in denen die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Diese Regelung soll einer Zweckentfremdung der für den Wohnraum bewilligten Leistungen und das Entstehen von Mietschulden verhindern.
Das BSG machte mit seinem Urteil deutlich, dass aus der Entscheidung des Jobcenters, nach § 22 Abs. 7 SGB II die Wohnkosten unmittelbar an den Vermieter auszuzahlen, kein einklag-barer Anspruch des Vermieters gegen das Jobcenter folgt. Das ist richtig und erschließt sich bei einer näheren Betrachtung der fraglichen Rechtsbeziehungen: Die Entscheidung zur Direktüberweisung erfolgt durch Verfügung des Jobcenters - auf Antrag oder von Amts wegen - gegenüber dem Leistungsberechtigten. Der Vermieter ist in diese Rechtsbeziehung schon gar nicht eingebunden, ihm kommt lediglich eine Empfangsberechtigung bezüglich der Sozialleistungen zu.
Das Zivilrecht hilft auch nicht weiter
Das BSG erörterte schließlich noch, ob dem Vermieter womöglich ein zivilrechtlicher Anspruch auf Zahlung der Miete gegen das Jobcenter zustehen könnte. Zivilrechtlich betrachtet bestünde ein Dreiecksverhältnis, wenn der Träger des Jobcenters der mietvertraglichen Zahlungsverpflichtung der Mieter beigetreten wäre. Das ist er aber nicht.
Einen eigenen Anspruch könnte der Vermieter nämlich nur aus einer ausdrücklichen Schuldübernahmeerklärung erwerben, durch die sich das Jobcenter ihm gegenüber zur Zahlung der von den Leistungsberechtigten geschuldeten Miete verpflichtete. Eine solche Schuldübernahme hinsichtlich der laufenden Miete ist im Recht der der Grundsicherung für Arbeitsuchende aber unüblich. Das Jobcenter schuldet dem Leistungsberechtigten lediglich Geldleistungen zur Bestreitung von Miete und Nebenkosten. Es tritt aber nicht unmittelbar gegenüber dem Vermieter auf und steht diesem gegenüber auch nicht für die Mietzahlungen durch den Mieter ein.
Nach der Entscheidung des BSG stellt sich also die Frage, was Vermieter, die Mietern in prekärer Lage Wohnraum überlassen, gegen eine Zweckentfremdung wohnungsbezogener Sozialleistungen tun können. Nun könnte man an eine den Anforderungen des § 53 SGB I entsprechende Abtretung unter Mitwirkung des Jobcenters denken. Eine solche ist zwar grundsätzlich zulässig, jedoch liegt in dem wohlverstandenen Interesse des Leistungsberechtigten an der Abtretung eine hohe Hürde. Deshalb wird das Jobcenter die Zustimmung vermutlich im Regelfall verweigern, denn das SGB II hält selbst mit der antragsabhängigen Direktzahlung an den Vermieter ein Mittel vor, das für den Leistungsberechtigten milder wirkt: Der Antrag auf Direktzahlung ist anders als eine Abtretungsvereinbarung jederzeit für den Leistungsberechtigten widerruflich.
Und auch wenn die Direktzahlung in dem Mietvertrag vereinbart ist, kann sich ein Vermieter kaum dagegen wehren, wenn der Mieter den Antrag auf Direktzahlung nach Abschluss des Mietverhältnisses gegenüber dem Jobcenter widerruft oder einen solchen Antrag gleich bleiben lässt. Letzten Endes liegt in der fehlenden Vertragstreue des Mieters ein Risiko, wie es mit jedem Mietverhältnis verbunden ist.
Der Autor Dr. Martin Kellner, LL.M. (Vanderbilt) ist Richter am Sozialgericht Freiburg.
BSG zum Anspruch auf wohnungsbezogene Sozialleistungen: . In: Legal Tribune Online, 13.08.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30301 (abgerufen am: 13.10.2024 )
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