Nach dem Brexit stellt sich für in Deutschland lebende Briten aktuell die Frage nach einer Einbürgerung. Warum man einen entsprechenden Plan noch bis zum Vollzug des Austritts in die Tat umsetzen sollte, zeigt Imke Schneider auf.
Nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU entfallen für britische Staatsangehörige zunächst auch sämtliche Privilegien, die mit der Unionsbürgerschaft einhergehen. Das betrifft unter anderem die Freizügigkeit von Unionsbürgern. So gewährleisten etwa Art. 45 und Art. 49 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) die Arbeitnehmerfreizügigkeit und die Niederlassungsfreiheit für Erwerbstätige. Daneben gibt es die allgemeine Freizügigkeitsregelung in Art. 21 AEUV. In Deutschland regelt das Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU) die Rechtsstellung von Unionsbürgern und ihren freizügigkeitsberechtigten Familienangehörigen.
Großbritannien wird durch den Brexit aus Perspektive der EU zu einem Drittstaat. In welchem Umfang dann weiterhin Freizügigkeit bestehen wird, ist bisher ungewiss. Dies werden erst die Austrittsverhandlungen ergeben. Im Zweifel könnten dann für Briten in Deutschland zunächst die allgemeinen ausländerrechtlichen Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes zur Anwendung kommen. Für die Aufnahme oder Ausübung einer Erwerbstätigkeit bedürfte man dann gegebenenfalls eines entsprechenden Aufenthaltstitels.
Eine Möglichkeit für britische Staatsangehörige, auch nach dem Brexit weiterhin in den Genuss der Freizügigkeit in der EU zu kommen, ist die zusätzliche Annahme der deutschen Staatsangehörigkeit. Politische Forderungen, insbesondere jungen Briten nunmehr die deutsche Staatsangehörigkeit anzubieten, sind in den vergangenen Tagen bereits lautgeworden.
Eigentlich soll Mehrstaatigkeit vermieden werden
Jedenfalls bis zum Vollzug des Austritts von Großbritannien aus der EU lässt sich die doppelte Staatsangehörigkeit nach dem geltenden deutschen Einbürgerungsrecht noch verhältnismäßig einfach erreichen. Nach dem Brexit bräuchte es dafür zunächst einer Gesetzesänderung.
Britische Staatsangehörige, die bereits länger in Deutschland leben und hier arbeiten, aber auch britische Staatsangehörige, die zwar nicht in Deutschland leben, jedoch enge Verbindungen zu Deutschland haben und sich regelmäßig hier aufhalten, sollten sich daher nun die Frage stellen, ob sie – bei Vorliegen der sonstigen Einbürgerungsvoraussetzungen – neben der britischen Staatsangehörigkeit zusätzlich auch die deutsche Staatsangehörigkeit annehmen wollen.
Im Grundsatz gilt für das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht, dass Mehrstaatigkeit vermieden werden soll. Dementsprechend sehen die Einbürgerungsvorschriften im Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) grundsätzlich vor, dass ein Ausländer bei der Einbürgerung seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgeben muss. Von diesem Grundsatz gibt es Ausnahmen, unter anderem bei der Einbürgerung von EU-Bürgern (vgl. § 12 StAG).
Diese können also die deutsche Staatsangehörigkeit neben ihrer ausländischen Staatsangehörigkeit annehmen, wenn die übrigen Einbürgerungsvoraussetzungen vorliegen. Das gilt auch für Bürger der Schweiz, nach aktueller Regelungslage aber nicht für Staatsangehörige der EWR-Staaten. Allerdings wird in der Kommentarliteratur darüber gestritten, ob die Ausnahmeregelung auf diese Staaten im Rahmen einer Analogie ausgedehnt werden könnte.
2/2: Nach dem Brexit: Ausnahmeregelung ungewiss
Ob nach einem Austritt Großbritanniens aus der EU eine entsprechende Ausnahmeregelung aufgrund eines völkerrechtlichen Vertrages oder durch eine Entscheidung des deutschen Gesetzgebers weiterhin auch für britische Staatsangehörige bestehen wird, bleibt abzuwarten. Jedenfalls wird man sich darauf derzeit nicht verlassen können. Zwar gibt es auch für Drittstaatsangehörige Möglichkeiten, bei einer Einbürgerung ausnahmsweise ihre ausländische Staatsangehörigkeit behalten zu dürfen. Dafür muss jedoch der Nachweis erbracht werden, dass die bisherige Staatsangehörigkeit entweder nicht oder nur unter besonders schwierigen Bedingungen aufgegeben werden kann. Die Nachweisanforderungen sind sehr hoch, so dass man nicht davon ausgehen sollte, sie sicher erfüllen zu können.
Wer also ohnehin bereits mit dem Gedanken einer Einbürgerung gespielt hat, sollte diesen Plan bei Vorliegen der sonstigen Einbürgerungsvoraussetzungen am besten noch bis zum tat-sächlichen Vollzug des Brexits in die Tat umsetzen.
Einen Anspruch auf Einbürgerung haben EU-Ausländer, die seit acht Jahren (unter Umständen auch kürzer) ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können, über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache und der Rechts- und Gesellschaftsordnung verfügen, sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung bekennen und strafrechtlich unbescholten sind. Auch für Ehegatten oder Lebenspartner Deutscher gelten erleichterte Einbürgerungsvorschriften. Daneben gibt es weitere Einbürgerungstatbestände, bei denen die Einbürgerung im Ermessen der zuständigen Behörden steht.
Ganz ausnahmsweise kann auch ein nicht in Deutschland lebender Ausländer eingebürgert werden, wenn er zusätzlich zu den Einbürgerungsvoraussetzungen Bindungen an Deutschland nachweisen kann und ein öffentliches Interesse an seiner Einbürgerung besteht.
Auch umgekehrt: Deutsche sollten bei Interesse jetzt aktiv werden
Die Frage nach der Annahme einer weiteren Staatsangehörigkeit könnte sich übrigens in entsprechender Weise auch für deutsche Staatsangehörige stellen, die erwägen, zusätzlich die britische Staatsangehörigkeit zu erwerben. Nach § 25 StAG verliert ein deutscher Staatsangehöriger mit der Annahme einer ausländischen Staatsangehörigkeit grundsätzlich automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit. Dieser Verlust tritt jedoch unter anderem dann nicht ein, wenn er die Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates annimmt. Ist Großbritannien also irgendwann nicht mehr Mitglied der EU, wäre ausgehend von der aktuellen Regelungslage eine zusätzliche Annahme der britischen Staatsangehörigkeit nicht mehr ohne Weiteres möglich.
Vielmehr müsste dann vor Annahme der britischen Staatsangehörigkeit eine sogenannte Beibehaltungsgenehmigung eingeholt werden. Deren Erteilung ist jedoch an bestimmte Nachweisanforderungen geknüpft. Auch für deutsche Staatsangehörige könnte es daher sinnvoll sein, bei entsprechender Interessenlage ein Einbürgerungsverfahren in Großbritannien so rechtzeitig einzuleiten, dass die Einbürgerung noch vor dem Austritt aus der EU vollzogen wird.
Da das behördliche Verfahren jedenfalls in Deutschland erfahrungsgemäß einige Zeit in Anspruch nehmen wird, sollten die notwendigen Schritte zeitnah eingeleitet werden. Denn maßgeblich ist, dass die Einbürgerung noch vor dem Austritt vollzogen wird. Nur dann kommt man sicher in den Genuss der beschriebenen Privilegierungen.
Dr. Imke Schneider ist Rechtsanwältin und Senior Associate bei Redeker Sellner Dahs am Standort Bonn. Als Fachanwältin für Verwaltungsrecht ist sie regelmäßig auch mit staatsangehörigkeitsrechtlichen Fragen befasst.
Dr. Imke Schneider, Deutsche Staatsbürgerschaft für Briten und umgekehrt: Schneller als der Brexit sein . In: Legal Tribune Online, 06.07.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19910/ (abgerufen am: 20.04.2024 )
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