Das neue BND-Gesetz: Von grund­le­genden Reformen keine Spur

von Dr. Heide Sandkuhl

29.11.2016

2/2: Größerer Datenstrom erhöht Gefahr der Inländer-Überwachung

Zur Verdeutlichung: Nach dem neuen Gesetz soll sich der BND einen Rohdatenstrom zur strategischen Überwachung ausländischen Telekommunikationsverkehrs vom Inland aus ohne Kontrolle durch die G-10-Kommission verschaffen dürfen. Während nach dem G-10-Gesetz der Anteil der auf den Übertragungswegen zur Verfügung stehenden Übertragungskapazität höchstens 20 Prozent betragen darf, ist nach dem neuen BND-Gesetz ein unbegrenzter Abgriff von Telekommunikationsdaten möglich. Das aber birgt das Risiko, dass angesichts des nur unzureichend arbeitenden DAFIS-Filtersystems des BND, das insbesondere dem Schutz Deutscher oder im Bundesgebiet sich aufhaltender Personen dienen soll, eben jene mit größerer Wahrscheinlichkeit als bisher von einer Überwachung betroffen sein könnten.

Ungeachtet der Tatsache, dass es weitaus sinnvoller gewesen wäre, die Kontrolle des BND auch im Fall der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung der G-10-Kommission zu übertragen und die Kommission insbesondere personell und fachlich zu verstärken, lässt sich der Nachbesserungsbedarf hinsichtlich des geplanten Kontrollgremiums wie folgt zusammenfassen:

Neben Bundesrichtern und Bundesanwälten müssen der Kommission auch solche Personen angehören, die Expertise im Polizei- und Sicherheitsrecht haben. Bundesrichter und Bundesanwälte aber befassen sich vornehmlich mit Strafrecht, sind also im repressiven und eben nicht im präventiven Bereich tätig. Zudem gehört auch ein technischer Sachverständiger hinein, da nur Personen mit technischem Wissen prüfen können, ob sich der Datenzugriff im Rahmen des gesetzlich Erlaubten bewegt.

"Anwalt der Betroffenen" für heimlich Ausspionierte

Überdies ist die Kontrolle durch Schaffung eines "Anwalts des Betroffenen" sinnvoll. Mit diesem Schlagwort wird ähnlich dem Vorbild des "Vertreters des öffentlichen Interesses" die Schaffung einer mit Personal- und Sachmitteln angemessen ausgestatteten unabhängigen Behörde angesprochen, die im Verfahren zur Anordnung von Überwachungen anzuhören ist. So hat sie die Gelegenheit, die Interessen der Überwachungsadressaten wahrzunehmen.

Naturgemäß sind die Betroffenen nämlich weder über die Maßnahmen des BND informiert noch in das Verfahren der G-10-Kommission eingebunden. Mit Blick auf die Schwere des Grundrechtseingriffes ist es aber notwendig, dass ihre Rechte durch einen "Anwalt" wahrgenommen und das das Verfahren damit kontradiktorisch ausgestaltet wird.

Solange die Kontrolle des BND nicht hinreichend ausgestaltet ist, werden Zweifel an der Rechtmäßigkeit seines Handelns bestehen. Wenn Kritiker eine grundlegende Reform der Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit fordern, geht es immer darum, das Spannungsverhältnis zwischen Sicherheit und Freiheit auszubalancieren. Der aktuelle Entwurf zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung trägt in keinster Weise dazu bei.

Die Autorin Dr. Heide Sandkuhl ist Rechtsanwältin in Potsdam. Sie ist Fachanwältin für Strafrecht und Verwaltungsrecht und Vorsitzende des Ausschusses Gefahrenabwehrrecht des Deutschen Anwaltvereins, der regelmäßig zu Gesetzesentwürfen betreffend das Polizei- und Sicherheitsrecht Stellung nimmt.

Zitiervorschlag

Dr. Heide Sandkuhl, Das neue BND-Gesetz: Von grundlegenden Reformen keine Spur . In: Legal Tribune Online, 29.11.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21264/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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