Vielen Influencern ist nicht klar, was sie als Werbung kennzeichnen müssen und was nicht. Nach Abmahnungen und unterschiedlichen LG-Urteilen ist die Szene verunsichert. Im BMJV gibt es nun erste Überlegungen, das gesetzlich zu regeln.
"Ich hoffe wirklich, dass man jetzt Regelungen schafft, an die wir Influencer uns dann auch super-super-gerne halten wollen." Die Influencerin, die das sagt, ist Ann-Katrin Schmitz, die auf ihrem Blog Nonalanalove über Lifestyle-Themen schreibt und auf instagram als @himbeersahnetorte mehr als 77.000 Follower hat. Und sie ist jedenfalls am richtigen Ort dafür: Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat zu einem Stakeholder-Dialog geladen, Schmitz sitzt zusammen mit anderen Influencern auf dem Podium. Schnell wird klar: Sie und die drei anderen wünschen sich dringend klare gesetzliche Vorgaben, welche Beiträge sie als Werbung kennzeichnen müssen und in welcher Form.
Ihr gemeinsamer Gegner ist der in Berlin ansässige Verband Sozialer Wettbewerb (VSW), der seit einigen Jahren Abmahnungen an Influencer verschickt, weil sie angeblich Beiträge nicht richtig kennzeichnen. Schmitz hat diese Erfahrung gemacht und auch ihr Kollege Nico Imér, der sein Start-up nach zahlreichen Abmahnungen durch den VSW inzwischen aufgegeben hat. Imér hatte ein Mobile-Magazin gegründet, das von der Influencerin xLaeta präsentiert wurde. "Ein seriöses Magazin, das sich ganz normal über Werbung finanzieren sollte, wie es andere Verlage auch machen", betont Imér. Klassische Werbung habe er gekennzeichnet. "Das Problem ist aber, dass der VSW alles für abmahnfähig hält, was wir machen. Auch bei redaktionellen Beiträgen werden uns kommerzielle Interessen vorgeworfen."
Auf der Veranstaltung bekräftigt Imér seine Kritik: Der VSW gehe strategisch gegen Influencer vor, nicht aber gegen Lifestyle-Magazine im Printbereich, die ähnlich arbeiteten. VSW-Geschäftsführer Ferdinand Selonke sitzt im Publikum und hält ihm entgegen: "Seien Sie doch dankbar, wenn Sie von uns eine Abmahnung bekommen. Das kostet Sie 150 Euro, bei ihrem eigenen Anwalt zahlen sie für die gleichen Hinweise sehr viel mehr."
Die Influencer hätten den Rechtsrat allerdings lieber vor der Abmahnung als hinterher. Und auch BMJV-Staatssekretär Gerd Billen betont: "Das Ziel kann ja nur sein, weniger Abmahnungen, nicht mehr." Die Bundesregierung hat sich gerade erst darauf geeinigt, mit neuen Regeln gegen missbräuchliche Abmahnungen vorzugehen.
Schon Werbung oder noch eine bloße Empfehlung?
Nun will Billen klare Regeln für Influencer schaffen. Möglich wäre eine Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Gemäß § 5a Abs. 6 UWG muss der kommerzielle Zweck einer geschäftlichen Handlung kenntlich gemacht werden, sofern er sich nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt. Außerdem kommt es danach darauf an, ob die fehlende Kennzeichnung den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
Zudem ist nach Nr. 11 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG auch der vom Unternehmer finanzierte Einsatz redaktioneller Inhalte zum Zwecke der Verkaufsförderung unzulässig, wenn sich dieser Zusammenhang aus dem Inhalt oder der Art der Darstellung nicht eindeutig ergibt. Klar ist die Rechtslage also dann, wenn der Influencer von einem Unternehmen dafür bezahlt wird, ein bestimmtes Produkt zu bewerben. Er muss den Beitrag eindeutig als Werbung kennzeichnen.
Dabei soll es bleiben, betont Billen: "Verbraucher müssen erkennen können, wenn jemand mit Beiträgen im Internet Geld verdient." Beiträge, für die Influencer eine Gegenleistung erhalten, müssten auch weiterhin gekennzeichnet werden.
"Influencer geben allerdings auch zahlreiche Empfehlungen, für die sie keine Gegenleistung erhalten", so Billen weiter. "Hier brauchen wir eine Klarstellung, dass solche Empfehlungen nicht als geschäftlich gekennzeichnet werden müssen."
Keine einheitliche Rechtsprechung
Das Problem: Private und kommerzielle Interessen gehen oft ineinander über, schließlich vermarkten Influencer immer sich selbst. Wenn sie auf bestimmte Produkte oder Marken hinweisen, ohne dass es dafür eine Gegenleistung gab, wollen sie vielleicht eine entsprechende Partnerschaft anbahnen, sich vernetzen oder die eigene Sichtbarkeit erhöhen. Umstritten sind dabei vor allem Tags und Links. "Alles, was man irgendwie anklicken kann, wird uns als Werbung ausgelegt", sagt Schmitz. "Auch wenn es um Kollegen, Freunde, Restaurants oder Hashtags zu Städtenamen geht."
So entschied das LG Karlsruhe im Fall Pamela Reif, die Mode-und Fitness-Influencerin müsse auch Posts kennzeichnen, für die sie nicht bezahlt werde. Sie fördere damit jedenfalls ihre eigenen geschäftlichen Aktivitäten, denn Unternehmen seinen an möglichst glaubwürdigen Werbeträgern interessiert.
Anders sah es das das LG München I im Fall von Cathy Hummels. Unbezahlte Tags müsse sie nicht kennzeichnen, schließlich würden ihre Follower dabei nicht in die Irre geführt. Bei fast einer halben Million Abonnenten müsse jedem klar sein, dass die Frau des Fußballers Mats Hummels auf Instagram nicht nur Freunde über ihr Leben auf dem Laufenden halte, sondern auch kommerzielle Interessen verfolge.
Auch Reif und Hummels wurden vom VSW abgemahnt. Möglicherweise könnten diese Verfahren aber noch dazu beitragen, die Rechtslage zu klären: Ein Grundsatzurteil des BGH fehlt bisher, vielen Influencer sind Gerichtsverfahren schlicht zu teuer und langwierig.
Verbände und Institutionen: "Mehr Gerichtsentscheidungen abwarten"
Heike Heidemann-Peuser vom Verbraucherzentrale Bundesverband plädiert dafür, erstmal abzuwarten, welche Maßstäbe die Gerichte entwickeln: "Ich bin mir nicht sicher, ob die Zeit schon reif ist für eine gesetzliche Regelung", so Heidemann-Peuser auf der Veranstaltung. Es gehe immer um Einzelfälle: "Wenn wir zu verschiedenen Fällen Gerichtsentscheidungen haben, wird sich abzeichnen, was geht und was nicht."
Auch Rechtsanwältin Christina Kiel-Otto von der Wettbewerbszentrale hofft auf Gerichtsentscheidungen, die mehr Klarheit schaffen. Die Wettbewerbszentrale ist eine Selbstkontrollinstitution der Wirtschaft, führt selbst Verfahren bei Wettbewerbsverstößen, berät Unternehmen und hat einen Leitfaden zur Kennzeichnung von Werbung auf Instagram veröffentlicht, der Influencern und Unternehmen unterstützen soll.
Kiel-Otto könnte sich auch vorstellen, dass Influencer und Unternehmen das Problem selbst lösen, etwa mit einem Kodex, der festlegt, welche Posts wie gekennzeichnet werden, oder auch indem zusammen mit den Plattformen neue Möglichkeitenschaffen, eindeutig auf werbende Posts hinzuweisen.
Vorerst sieht sie die Influencer auf der sicheren Seite, wenn sie bezahlte Posts deutlich zu Beginn als "Werbung" oder "Anzeige" kennzeichnen, #ad oder "sponsored by" dürften dagegen nicht unbedingt ausreichen.
Bei unbezahlten Beiträgen empfiehlt sie Influencern, den Zweck des Beitrags selbst kritisch zu überprüfen etwa mit Fragen wie: Wie werblich ist der Beitrag? Werden die Vorzüge des Produkts einseitig in den Vordergrund gestellt? Was wird vertaggt?
Wichtig ist nach Kiel-Ottos Erfahrung aber vor allem Aufklärung: "Eine Influencerin hat mir geschrieben, seit der Datenschutzgrundverordnung müsse sie alles als Werbung kennzeichnen. Das klingt lustig, zeigt aber auch, wie groß die Unwissenheit ist."
Die Datenschutzgrundverordnung ist zwar in dem Fall weniger relevant, tatsächlich müssen Influencer unter Umständen aber auch das Telemediengesetz und den Rundfunkstaatsvertrag berücksichtigen. Daneben kann etwa auch die EU-Health-Claims-Verordnung, das Lebensmittelrecht oder das Jugendschutzrecht eine Rolle spielen.
Bei den Influencern trägt das alles zur Verunsicherung bei. Sascha Wieland, der mit der Agentur Atmo Productions Fotografen in sozialen Netzwerken vermarktet, seufzt jedenfalls am Ende der Veranstaltung: "Nach allem was ich heute gehört habe, empfehle ich am besten wieder allen, alle ihre Posts als Werbung zu kennzeichnen."
Transparenz sieht in der Tat anders aus.
BMJV will klare Regeln für Influencer: . In: Legal Tribune Online, 12.06.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/35883 (abgerufen am: 07.11.2024 )
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