Das BMJV hat einen weiteren Gesetzentwurf zur Umsetzung der umstrittenen EU-Richtlinie zum Urheberrecht vorgelegt. Ziel sei ein "fairer Ausgleich". Upload-Filter werden nicht vollständig ausgeschlossen.
Bis Anfang Juni 2021 müssen zwei EU-Richtlinien zum Urheberrecht in deutsches Recht umgesetzt werden: Die hoch umstrittene EU-Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt (EU-RL 2019/790 vom 17. April 2019 "Digital Single Market", kurz DSM-Richtlinie) und die sogenannte Online-SatCab-Richtlinie (EU-RL 2019/789 vom 17. April 2019), bei der es um den EU-weiten Zugang zu Rundfunkinhalten geht. Gut ein Jahr bleibt also noch Zeit – das ist nicht viel, zumal zahlreiche unterschiedliche Interessen berücksichtigt werden müssen.
Immerhin liegen nun aber die Vorschläge von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) auf dem Tisch. Anfang des Jahres hatte das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) bereits einen ersten Diskussionsentwurf vorgelegt, in dem es um die Neuregelung des gescheiterten deutschen Leistungsschutzrechts für Presseverleger ging. Am heutigen Mittwoch folgte ein zweiter Diskussionsentwurf, der die übrigen Punkte aufgreift. Schwerpunkt dieses Entwurfs ist nunmehr die Umsetzung von Art. 17 der DSM-Richtlinie.
Art. 17 der DSM-Richtlinie sieht vor, dass Plattformen wie YouTube, die große Mengen an von Nutzern hochgeladenen Inhalten zugänglich machen und damit Geld verdienen, grundsätzlich für Urheberrechtsverletzungen auf ihrer Seite haften. Seitdem steht die Frage im Raum: Müssen soziale Netzwerke Upload-Filter einführen? Das heißt: Müssen sie Inhalte, die Nutzer hochladen, automatisiert prüfen und womöglich abweisen? In den sozialen Netzwerken ist Upload-Filter längst ein Reizwort, hunderttausende Demonstranten gingen dagegen auf die Straße.
Deutschland hatte dem Richtlinien-Vorschlag letztendlich zugestimmt, in einer Protokollerklärung aber festgehalten, dass es bei der Umsetzung insbesondere darum gehen müsse, die Rechte der Kreativen und der Nutzer zu wahren, und nach Möglichkeit auf Upload-Filter zu verzichten. Dabei soll es auch bleiben – so sieht es jedenfalls das BMJV.
Upload-Plattformen für alle Inhalte verantwortlich
Das BMJV schlägt nun ein eigenes Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz (UrhDaG) vor. Upload-Plattformen sollen damit künftig für alle Inhalte, die sie zugänglich machen, grundsätzlich urheberrechtlich verantwortlich sein.
Dazu zählt die Pflicht, bestimmte Lizenzen für die öffentliche Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Werke zu erwerben. Das heißt, die Plattform-Betreiber müssen geeignete Lizenzangebote zu angemessenen Bedingungen annehmen, wenn es um Inhalte geht, die typischerweise bei ihnen hochgeladen werden. Außerdem müssen sie auf die deutschen Verwertungsgesellschaften aktiv zugehen, um Lizenzen zu erwerben.
Auch sogenannte kollektive Lizenzen können dabei eine Rolle spielen. Sofern eine Verwertungsgesellschaft bereits viele Rechteinhaber vertritt, also repräsentativ ist, soll sie kollektive Lizenzen mit erweiterter Wirkung vergeben dürfen, für die Rechtsinhaber eine Vergütung erhalten. Die Lizenzen der Plattform sollen auch zugunsten der Nutzer wirken.
Zulässig ist die öffentliche Wiedergabe und die Vervielfältigung von urheberrechtlich geschützten Werken auch, soweit es um Karikaturen, Parodien und Pastiches (Nachahmungen) – das soll in einem neuen § 51a des Urheberrechtsgesetz ausdrücklich klargestellt werden. Ausdrücklich erlaubt wird auch die Nutzung bestimmter kurzer Ausschnitte, etwa bis zu zwanzig Sekunden eines Films oder einer Tonspur, bis zu 1.000 Zeichen eines Textes oder ein Foto oder eine Grafik mit einem Datenvolumen von bis zu 250 Kilobyte.
Rechteinhaber können sich beschweren – Nutzer auch
Die Plattformen müssen den Nutzern künftig die Möglichkeit geben, sich beim Upload auf eine der gesetzlich geregelten erlaubten Nutzungen zu berufen (Pre-flagging) und dürfen so gekennzeichnete Inhalte nicht blockieren (Online by default). Ausgenommen davon sind offenkundig rechtswidrige Uploads, etwa vollständige urheberrechtlich geschützte Filme. Das aber bedeutet, dass letztlich doch Upload-Filter zum Einsatz kommen.
Die Plattformen müssen auch dafür sorgen, dass Inhalte, deren Nutzung nicht gesetzlich erlaubt ist, nicht verfügbar sind ("take down" und "stay down"). Rechteinhaber können sich beschweren, wenn sie meinen, ihre Inhalte würden zugänglich gemacht, obwohl weder eine entsprechende Lizenz noch eine gesetzliche Erlaubnis vorliege. Wenn Nutzer meinen, ein Inhalt werde zu Unrecht geblockt können sie sich ebenfalls beschweren. Die Plattformen können dazu externe Beschwerdestellen einrichten. Der Rechtsweg zu den Gerichten bleibt dennoch möglich.
Das UrhDaG soll für Plattformen gelten, die dazu dienen, eine große Menge an von Dritten hochgeladenen urheberrechtlich geschützten Inhalten zu speichern und öffentlich zugänglich zu machen und dabei auf Gewinnerzielung ausgerichtet sind, etwa in dem sie Werbung schalten. Ausdrücklich nicht umfasst sind nicht gewinnorientierte Online-Enzyklopädien – also Wikipedia – sowie Entwicklungsplattformen für quelloffene Software, Online-Marktplätze und bestimmte Cloud-Dienste. Vorgesehen sind außerdem Sonderregelungen für Start-Ups, kleine Diensteanbieter und bestimmte Bagatellnutzungen.
GFF: Versprechen zu Upload-Filtern gebrochen
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) erklärte, es gehe ihr um einen fairen Ausgleich zwischen Kreativen, Rechteverwertern und Nutzern. "Mit der Modernisierung des Urheberrechts wollen wir die Rechte der Kreativen stärken, die Rechtsinhaber fair an den Erlösen beteiligen und gleichzeitig die Kommunikations- und Meinungsfreiheit der Nutzerinnen und Nutzer im Internet wahren", so Lambrecht.
Das BMJV betont in einem Eckpunktepapier, man habe die unterschiedlichen Interessen berücksichtigt: Die Plattformen sollen klare und rechtssichere Vorgaben erhalten, Start-Ups und kleine Unternehmen von Ausnahmeregelungen profitieren. Nutzer erhalten eine ausdrückliche gesetzliche Erlaubnis Inhalte für Karikaturen oder Parodien zu nutzen, so dass die Meinungs-, Kunst- und Kommunikationsfreiheit gewahrt bleibe.
Unternehmen der Kulturwirtschaft – die in der Regel die Verwertungsrechte innehaben – könnten die Plattformen künftig leichter für Rechtsverletzungen verantwortlich machen. Schließlich soll sichergestellt werden, dass ein Teil der Zahlungen der Plattformen die Kreativen wirklich erreicht. Dafür wird ein Direktvergütungsanspruch geschaffen, der über die Verwertungsgesellschaften gelten zu machen ist.
Klar ist aber auch, dass viele Punkte weiterhin umstritten bleiben werden – insbesondere die Upload-Filter. So kritisiert Julia Reda von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF): "Die Bundesregierung bricht ihr Versprechen, bei der Umsetzung der EU-Urheberrechtsreform auf Uploadfilter zu verzichten." Sollte das so kommen, werde die GFF "genau prüfen, ob wir dagegen gerichtlich vorgehen". Dennoch lasse sich der Entwurf "als Gesprächsangebot an die Netzcommunity" werten.
Die Diskussion dürfte spannend werden, zumal Plattformen, Unternehmen, Kreative und Nutzer nicht nur unterschiedliche Interessen haben – auch innerhalb dieser Gruppen gibt es verschiedene Auffassungen. So ist etwa die Rolle der Verwertungsgesellschaften je nach Kreativbranche unterschiedlich ausgeprägt. Und schließlich bleibt die Frage, wie andere EU-Mitglieder vorgehen und wie sich der deutsche Vorschlag in das EU-System einpasst.
Diskussionsentwurf zum EU-Urheberrecht: . In: Legal Tribune Online, 24.06.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41998 (abgerufen am: 03.12.2024 )
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