Ab Januar 2018 stellt Birkenstock die Belieferung von Amazon ein. Was dies mit der kürzlich ergangenen Coty-Entscheidung des EuGH zu tun hat und was Birkenstock damit bezwecken mag, erläutern Daniel Kendziur und Janine Manke.
Birkenstock stellt Direktlieferungen an Amazon in Europa ein und schafft es damit in die Schlagzeilen. Die hippen Sandalen sind dann auf dieser Plattform nur noch eingeschränkt zu bekommen. Ist das Timing Zufall oder Taktik?
Der Presse war zu entnehmen, dass Birkenstock in der Vergangenheit massiv mit Markenrechtsverletzungen und Plagiaten auf der europäischen Amazon Plattform zu kämpfen hatte. Viel Unterstützung gegen die insbesondere über Amazon Marketplace angebotenen Fälschungen erhielt der Schuhhersteller zu seiner Enttäuschung von Amazon offenbar nicht.
Birkenstock legt seit jeher viel Wert auf die Qualität und Tradition des Originals. Das laut eigenen Angaben "TOP 5 Global Footwear Brand" gibt es seit dem Jahr 1774 und ist, spätestens seit Heidi Klum die Treter salonfähig machte, nicht nur wegen des gesunden Korkfußbetts beliebt, sondern hat es mittlerweile sogar schon in die Vogue geschafft. Auf der Unternehmens-Homepage heißt es etwa, wer sich für ein Original-Produkt entscheide, setze damit "auch ein Zeichen gegen Marken- und Produktpiraterie mit all ihren bedenklichen Schattenseiten für Mensch, Natur und Wirtschaft."
Geht Amazon zu wenig gegen Plagiate vor?
Bereits seit Sommer 2016 liefert Birkenstock nicht mehr an Amazon USA. Grund ist ebenfalls Unverständnis über Amazons offenbar fehlende Bereitschaft, nachhaltig gegen Produktfälschungen auf seiner Marketplace Plattform vorzugehen. Ein Birkenstock-Sprecher ließ gegenüber der Welt N24 verlauten, dass es anderen Online-Shops und Plattformen demgegenüber durchaus möglich sei, den Handel mit Fälschungen zu unterbinden.
Birkenstock ist bei Weitem kein Einzelfall und sieht sich, wenn man so will, in guter Gesellschaft, was den Verkauf von Fälschungen über Amazon Marketplace anbelangt. Aus jüngerer Zeit ist etwa ein Testkauf der Computerzeitschrift "c‘t" bekannt, in deren Auftrag zwölf Original-Akkus für Samsung Smartphones bestellt wurden, von denen sich jedoch jeder einzelne als Plagiat entpuppte. Ähnliche Fälle stammen aus den Bereichen Speichermedien und Grafikkarten.
Über die Gründe für das anscheinend nicht gerade aggressive Vorgehen Amazons gegen den Handel mit Plagiaten und markenrechtsverletzenden Produkten auf seinen Plattformen kann man nur spekulieren. Mitunter mag es schlicht einfacher sein, einzelne betroffene Kunden kulant zu entschädigen als gegen einzelne, mitunter nur kleine Händler vorzugehen.
Andere Händler werden weiter Birkenstock anbieten
Wer im neuen Jahr auf Amazon nach Birkenstock Schuhen sucht, wird weiter fündig werden. Denn der angekündigte Lieferstopp von Birkenstock an Amazon selbst kann nicht verhindern, dass Birkenstock Schuhe – oder solche, die so genannt werden – über Amazon gehandelt werden. Das können eben neben Originalware, die von Dritthändlern dort angeboten wird, weiterhin auch die Plagiate sein, an denen sich Birkenstock verständlicherweise stört.
Birkenstock müsste also seinen Lieferstopp beispielsweise im Wege einer groß angelegten Werbekampagne für den eigenen Online-Store bekannt machen, etwa nach dem Motto "Garantiert ein Original gibt’s nur bei uns direkt". Denn Kunden, die vom Lieferstopp nichts wissen, werden unbekümmert weiter auf Amazon nach Birkenstock Schuhen suchen – und fündig werden.
Solange es eine Nachfrage gibt, die auf Amazon durch Dritte oder Fälscher bedient wird, dürfte sich der Lieferstopp von Birkenstock an Amazon wohl nur als Umsatzdelle im Milliardenumsatz des Onlinehändlers auswirken. Wirklich effektiv scheint ein solcher Lieferstopp also nur zu sein, wenn zumindest auch der Handel auf Amazon mit Originalware durch Dritte unterbunden werden könnte. Denn dann wäre klar: Was dort noch auftaucht, kann nicht echt sein.
Schadet sich Birkenstock mit dem Lieferstopp am Ende also womöglich nur selbst? Wohl kaum. Der Schritt dürfte vielmehr gut überlegt zu einem Zeitpunkt kommen, zu dem Bewegung in die juristische Diskussion um die kartellrechtliche Zulässigkeit von Vertriebsbeschränkungen gekommen ist.
2/2 Hohe Hürden für selektive Vertriebssysteme
Grundsätzlich kann ein Hersteller einem Händler den Handel mit seinen Waren auf Amazon und Co. nicht verbieten. Für selektive Vertriebssysteme gibt es hohe Hürden. In seiner Coty-Entscheidung vom 6. Dezember 2017 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) nunmehr jedoch entschieden, dass ein Hersteller von Luxuswaren seinen autorisierten Händlern verbieten kann, Waren über Drittplattformen wie Amazon Marketplace zu verkaufen, wenn dies der Sicherstellung des Luxusimages der Ware dient (Az. C-230/16).
Voraussetzung ist dem EuGH zufolge, dass die Auswahl der Wiederverkäufer anhand objektiver Gesichtspunkte qualitativer Art erfolgt, die einheitlich für alle in Betracht kommenden Wiederverkäufer festgelegt und ohne Diskriminierung angewendet werden. Außerdem müssen die Eigenschaften des fraglichen Erzeugnisses zur Wahrung seiner Qualität und zur Gewährleistung seines richtigen Gebrauchs ein solches Vertriebsnetz erfordern und schließlich die festgelegten Kriterien nicht über das erforderliche Maß hinausgehen.
Eine eindeutige Definition, was konkret unter Luxuswaren zu verstehen ist, liefert der EuGH jedoch nicht. Er verweist hierzu vielmehr auf seine Copad-Entscheidung (EuGH, Urteil vom 23.04.2009 - C-59/08), nach der ein selektiver Vertrieb in Bezug auf Luxuswaren erforderlich sein kann, da die Qualität der Waren nicht allein auf ihren materiellen Eigenschaften beruht, sondern auch auf ihrem Prestigecharakter, der ihnen eine luxuriöse Ausstrahlung verleiht.
Maßgebliches Unterscheidungskriterium dieser Waren ist daher ihr Luxusimage. Zwischen Herstellern und Händlern wird häufig Uneinigkeit herrschen, ob einer Ware ein Luxusimage anhaftet, wenn den Händlern deren Vertrieb auf Online-Plattformen verboten werden soll. Das Beispiel Birkenstock dürfte dieses Problem anschaulich machen.
"Deutsche Markenqualität" – aber nicht gerade Luxusprodukt
Birkenstock wirbt in erster Linie für die deutsche Markenqualität seiner Produkte. Zwar droht das Image selbstverständlich zu leiden, wenn der Markt, oder in diesem Fall der Amazon Marketplace, mit billigen Fälschungen überschwemmt wird. Es dürfte allerdings schwer für Birkenstock werden, mit einem angekratzten Luxusimage seiner Produkte zu argumentieren. Da helfen wahrscheinlich auch nicht die zahlreichen Hollywood- und Blogger-Füße, welche die Birkenstocks spazieren führen. Denn materielle Qualität allein ist, wie der EuGH in Copad angedeutet hat, gerade nicht mit einem Luxusimage gleichzusetzen.
Birkenstock könnte jedoch versuchen, medienwirksam den Druck auf Amazon zu erhöhen, endlich aktiver gegen Fälschungen auf seinen Plattformen vorzugehen und ausschließlich originale Qualitätsware anzubieten. Sollten es weitere namhafte Hersteller Birkenstock gleichtun, wäre der Nebeneffekt eine mögliche Schwächung des Marktmonopols des europaweit größten Onlinehändlers. Dies würden wiederum sicherlich die Kartellämter begrüßen.
Es bleibt daher abzuwarten, ob andere Hersteller Birkenstock nachfolgen. Immerhin hat Birkenstock es schon einmal vermocht, zum Trendsetter zu werden: "Gesundheits-Latschen" als hippe Fußbekleidung, das konnte sich vor zwanzig Jahren auch noch niemand so recht vorstellen.
Dr. Daniel Kendziur und Janine Manke, LL.M. (Chinese University of Hong Kong) sind Rechtsanwälte im Münchener Büro von Simmons & Simmons und beraten in marken- und wettbewerbsrechtlichen Angelegenheiten.
Daniel Kendziur und Janine Manke, Neuer Trend der Hersteller im Kampf gegen die Produktpiraterie?: Birkenstock beliefert Amazon nicht mehr . In: Legal Tribune Online, 15.12.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26025/ (abgerufen am: 18.04.2024 )
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