"Adblock Plus" ist Dorn im Auge der Verlage, gerichtliche Gegenwehr jedoch bislang meist erfolglos. Bild.de sperrt Nutzer des Programms nun von ihrer Seite aus - und geht gegen Blogger vor, die erklären, wie man den Mechanismus austrickst.
Nur wenige Stunden, nachdem Bild.de damit anfing, Usern mit aktiviertem Werbeblocker den Zugang zu ihren Inhalten zu verwehren, machten die ersten Anleitungen zur Umgehung der Werbeblocker-Sperre im Netz die Runde. Die Leser wollten sich für keine der Alternativen entscheiden, welche der Axel Springer Verlag beim Besuch einer der meistbesuchten deutschen Nachrichtenseiten nun anbietet: entweder die AdBlocker für bild.de zu deaktivieren oder ein Abo-Angebot namens BildSmart abzuschließen. Das Argument des Verlags, dass unabhängiger Journalismus eine Finanzierung brauche, stieß bei vielen auf wenig Verständnis.
Dem Springer-Verlag ist es jedoch ernst mit seinem Vorhaben. Einen Blogger, der auf YouTube erklärte, wie bild.de durch einige Kniffe auch weiterhin mit Werbeblocker aufgerufen werden kann, mahnte die Bild GmbH & Co. KG, vertreten durch die auf geistiges Eigentum spezialisierte Hamburger Boutique Lubberger Lehment, kurzerhand ab.
Der jedoch verweigerte die geforderte Unterlassungserklärung am gestrigen Montag, dem letzten Tag der Frist. "Wir halten die geltend gemachten Ansprüche auf Abgabe einer Unterlassungserklärung und die auf Zahlung von Anwaltskosten aus einem Gegenstandswert von 50.000 Euro gerichtete Abmahnung für unbegründet", teilte sein Bevollmächtigter Dr. Niklas Haberkamm von der Kölner Medienrechtskanzlei Lampmann Haberkamm Rosenbaum gegenüber LTO mit.
Dr. Cornelis Lehment wollte sich am Montag noch nicht dazu äußern, wie seine Mandantin das Verfahren gegen den Blogger weiter betreiben will. Man wolle nicht, dass öffentlich die Codes diskutiert werden, mit welchen die Werbeblocker umgangen werden, so der zuständige Berater der Bild GmbH & Co. KG gegenüber LTO. "Es ist das Recht jedes Urhebers, die Bedingungen zu definieren, unter denen Menschen lesen dürfen, was er geschaffen hat".
Geschäftsmodell Werbeblocker
Für YouTuber-Vertreter Haberkamm geht es bei dem Werbeblocker-Blocker hingegen gar nicht um den Schutz urheberrechtlich geschützter Werke: "Die von der Bild GmbH & Co. KG genutzten Maßnahmen schützen ausschließlich das werbliche Umfeld der Inhalte. Sie sollen ein Geschäftsmodell erhalten, nämlich die Möglichkeit, Werbeeinnahmen zu generieren".
Haberkamm spricht die eigentliche Ursache eines Konflikts an, der die Verlagslandschaft seit Jahren umtreibt. Einer der großen Profiteure auf dem zunehmend kriselnden Online-Nachrichten-Markt ist die Eyeo GmbH, Herstellerin von AdBlock Plus. Das Unternehmen mit Sitz in Köln hat sich auf die Fahnen geschrieben, das Internet besser zu machen, indem es störende Werbung auf Webseiten blockt. Das geschieht durch Filterlisten, die bestimmen, was der mit AdBlock Plus verknüpfte Browser nicht anzeigen soll.
Die Verlage kritisieren daran einerseits, dass so ihr Geschäftsmodell, Online-Journalismus durch Bannerwerbung zu finanzieren, zerstört werde. Zudem sei AdBlock Plus, das nach außen als Open-Source-Gemeinschaftsprojekt auftrete, selbst stark kommerziell orientiert. Denn in die "White List" des Programms, die sogenannte akzeptable Werbung von der Sperre ausnimmt, werden nicht nur kleine Webseiten und Blogs aufgenommen, sondern Unternehmen können auch dafür zahlen, dass sie einen Platz in der Liste erhalten.
Eyeo argumentiert, die großen Unternehmen kauften sich nicht frei, sondern die Gebühren für die Umsetzung der zahlreichen Seiten seien höher. Aus Sicht der Verlage fährt das Kölner Unternehmen eine Wegelagerer-Strategie. Für Dr. Pietro Fringuelli, Head der Media Group der Kanzlei CMS, welche Eyeo seit jeher vertritt, ein fast lächerlicher Vorwurf: "Wenn sie Wegelagerer wären, wären sie die schlechtesten, die man sich vorstellen kann" - nur rund 10 Prozent der großen Unternehmen weltweit zahlten dafür, dass AdBlock Plus Werbung auf ihren Seiten nicht blockiert.
Tatsächlich waren die Verlage auf juristischem Weg gegen AdBlock Plus bislang noch nicht erfolgreich. Die Landgerichte Köln, München und Hamburg wiesen Klagen vom Handelsblatt, von Zeit Online und zuletzt von RTL und Pro7Sat1 ab. Das Hauptargument der Gerichte: Die Nutzer entschieden schließlich selbst, ob sie einen Werbeblocker installieren oder nicht.
LG Hamburg: keine Veröffentlichung und Verbreitung von Umgehungs-Codes der Sperre
In der vergangenen Woche aber konnte Bild.de erstmals einen Etappensieg gegen Eyeo verbuchen. Das LG Hamburg hat es Eyeo, die keine Schutzschrift hinterlegt hatten, per einstweiliger Verfügung untersagt, im Online-Forum von AdBlock Plus Programmcodes oder Links auf solche Programmcodes zur Umgehung der Software-Verschlüsselung von Bild.de zu veröffentlichen und zu verbreiten. Außerdem darf der Werbeblocker-Anbieter keine Filterlisten (wie Easy List) mit Programmcodes verbreiten, die eine Umgehung der Bild-Sperre ermöglichen.
Der Erlass der einstweiligen Verfügung in diesem Verfahren beruht, nach Wiedergabe von internet-law.de, auf der Annahme, dass Mitarbeiter von Eyeo in Foren des Werbeblocker-Unternehmens solche Codes veröffentlicht und/oder verbreitet haben. Seit Jahren gibt es - stets bestrittene - Gerüchte, dass sogar die Gründer von Eyeo selbst unter verschiedenen Pseudonymen in den hauseigenen Foren agieren. Gut möglich, dass solche tatsächlichen Fragen auch im Widerspruch, den CMS derzeit für eyeo vorbereitet, eine Rolle spielen werden.
Pia Lorenz, Adblock Plus, Bild.de und der Kampf um Online-Werbung: . In: Legal Tribune Online, 27.10.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17335 (abgerufen am: 08.11.2024 )
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