Der BGH hat die Internetverbote des geltenden Glücksspielstaatsvertrages überprüft. Dabei schließt das höchste deutsche Zivilgericht sich der Rechtsprechung des BVerwG an, online darf weiter kein Glücksspiel stattfinden. Wenig überraschend, meint Felix Hüsken. Spannender findet er, was die Länder daraus bei der anstehenden Neuregelung des Glücksspielrechts machen.
Am Mittwoch hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit fünf Revisionsurteilen die Wirksamkeit des in § 4 Abs. 4 Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) enthaltenen Verbotes bestätigt, öffentliche Glücksspiele im Internet zu veranstalten und vermitteln (Urt. v. 28.09.2011, Az. I ZR 92/09, I ZR 189/08, I ZR 30/10, I ZR 43/10, I ZR 93/10). Auch das generelle Verbot der Werbung für Glücksspiele im Internet (§ 5 Abs. 3 GlüStV) hat er für wirksam erachtet.
Geklagt hatten in allen nun vom BGH zu entscheidenden Fällen in- und ausländische private Glücksspielanbieter, die im Internet unter ihren jeweiligen Domainnamen Sportwetten und Kasinospiele präsentierten und bewarben. Ihre Angebote waren gezielt an deutsche Internetnutzer gerichtet.
Sie wurden von verschiedenen staatlichen Lotteriegesellschaften wettbewerbsrechtlich auf Unterlassung, Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen. In den Vorinstanzen waren die Lotteriegesellschaften überwiegend erfolgreich.
Auch das höchste deutsche Zivilgericht hat die Rechtsauffassung der Vorinstanzen nun im Wesentlichen bestätigt: Onlineglücksspielangebote sind generell wettbewerbswidrig.
Worum es geht: Das beschränkte deutsche Glücksspielmonopol
Ausgangspunkt und Kern der Auseinandersetzungen war die Frage, ob die Internetverbote, die seit Anfang 2008 gelten, aus europarechtlicher Sicht weiterhin anwendbar sind.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte im September 2010 genaue Anforderungen aufgestellt, die für eine gemeinschaftsrechtliche Rechtfertigung von Glücksspielmonopolen in den Mitgliedstaaten zu beachten sind. Nach dem von den Europarichtern judizierten Erfordernis der "Gesamtkohärenz" entsprechen nationale Glücksspielmonopole grundsätzlich nur dann den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts, wenn sämtliche Glücksspielbereiche (Lotterien, Sportwetten, Spielbanken, Automatenspiele und Pferdewetten) im Kern der Suchtprävention dienen und diesem Ziel nicht zuwiderlaufen.
Das geltende deutsche Glücksspielrecht sieht jedoch ein Staatsmonopol im Bereich der Lotterien, Sportwetten und Spielbanken einerseits und ein privates Glücksspielangebot für Pferdewetten und Automatenspiele vor. Die deutschen Instanzgerichte bezweifeln deshalb derzeit, dass die staatlichen Modelle europarechtskonform sind.
Der BGH und zuvor bereits das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, Urt. v. 01.06. 2011, Az. 8 C 5.10) hatten nun zu entscheiden, ob die gemeinschaftsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der Monopole auch die generellen Internetverbote erfassen und zu deren Unwirksamkeit führen.
BGH und BVerwG: Allgemeine deutsche Internetverbote wirksam
Dies haben sowohl der BGH als auch das BVerwG verneint und bestätigt, dass die allgemeinen deutschen Internetverbote anwendbar sind.
Zwar beschränkten die Internetverbote die europarechtlich garantierte Dienstleistungsfreiheit. Diese Beschränkung sei jedoch wegen des besonderen Gefahrenpotentials des Internets gerechtfertigt. Das besondere Suchtgefährdungspotential sieht der BGH in der Anonymität, der fehlenden sozialen Kontrolle und der jederzeitigen Verfügbarkeit des Vertriebsweges Internet.
Die Verbote erfüllen nach Ansicht der Bundesrichter auch das vom EuGH verlangte Kohärenzerfordernis. Dabei komme es nicht darauf an, ob die im Glücksspielstaatsvertrag enthaltenen Monopolregelungen das Kohärenzkriterium erfüllten, da es sich bei den Internetverboten um eigenständige Regelungen handele. Weil in Deutschland sämtliche Onlineglücksspielangebote verboten sind, spielte es für den BGH auch keine Rolle, ob die Monopolregelungen das Kohärenzerfordernis erfüllen und insbesondere, wie die stationären gewerblichen Automatenspiele geregelt sind.
Und nun? Ein Aufruf an die Länder
Spannend ist die Frage nach den Auswirkungen der Entscheidungen auf die Neuregelung des Länderglücksspielrechts. Die Beratungen hinsichtlich des ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrages, der zum 1. Januar 2012 in Kraft treten soll, sind in vollem Gange.
Im Bereich der Sportwetten und des Onlineglücksspiels sind deutliche Liberalisierungstendenzen erkennbar. Schleswig-Holstein ist gar aus den Verhandlungen ausgeschert und hat die übrigen Bundesländer mit einem soeben beschlossenen, über die Liberalisierungsbestrebungen der übrigen Länder hinausgehenden Glücksspielgesetz brüskiert.
Die 15 verbleibenden Länder beabsichtigen eine Lockerung der Internetverbote und wollen vor allem für Sportwetten, Casinospiele und Poker ein beschränktes Onlineangebot zulassen. Nachdem sowohl BGH als auch BVerwG eindrucksvoll bestätigt haben, dass die Internetverbote gemeinschaftsrechtskonform sind, wären die Länder allerdings gut beraten, diese Bestrebungen noch einmal zu überdenken.
Eine neue höchstrichterliche Überprüfung der beabsichtigten Reformen wird viel Zeit in Anspruch nehmen. Und wie heißt es doch so schön: Never change a running system!
Der Autor Dr. Felix B. Hüsken ist Richter in der Verwaltungsgerichtsbarkeit des Landes Nordrhein-Westfalen und zugleich Schriftleiter der Zeitschrift für Wett- und Glücksspielrecht (ZfWG).
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BGH zum Onlineglücksspiel: . In: Legal Tribune Online, 29.09.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4424 (abgerufen am: 13.10.2024 )
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