Die von den Gerichten bisher verschieden beantwortete Frage, inwieweit der Immobilienerwerb durch eine WEG ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, hat am Freitag der BGH für einen Fall entschieden. Herbert Grziwotz zum aktuellen Urteil.
Die Anschaffung eines Grundstücks oder einer Räumlichkeit wie einer Hausmeisterwohnung durch eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) wird wegen der damit verbundenen Kosten häufig kontrovers zwischen den Eigentümern diskutiert. In dem Fall, den der Immobiliensenat des Bundesgerichtshofs (BGH) am Freitag entschieden hat, ging es um den Kauf eines Nachbargrundstücks (Urt. v. 18.03.2016, Az. V ZR 75/15). Auf diesem befanden sich 25 Kfz-Stellplätze, die von einzelnen Eigentümern der Wohnungseigentumsanlage seit Jahrzehnten genutzt worden waren. Allerdings bestand hierzu kein Recht, insbesondere keine Grunddienstbarkeit.
Der neue Eigentümer des Nachbargrundstücks forderte deshalb von der Wohnungseigentümergemeinschaft den Ankauf oder die Zahlung einer Miete. Der WEG-Verwalter setzte dies auf die Tagesordnung der nächsten Versammlung. Diese entschied sich mehrheitlich für den Ankauf des Grundstücks. Der Kaufpreis sollte maximal 75.000 Euro betragen und in Höhe von 15 Prozent von allen Eigentümern nach Einheiten und zu 85 Prozent von den Eigentümern der Wohneinheiten 1 bis 25 als Nutzern der Stellplätze getragen werden. Eine Wohnungseigentümerin hat den Beschluss der Eigentümergemeinschaft mit dem Ziel der Ungültigkeitserklärung angefochten. Bei den Vorinstanzen hatte sie damit keinen Erfolg.
Unterscheidung nach interner und externer Anschaffung
Bisher unterschieden die Gerichte überwiegend beim Immobilienerwerb durch eine WEG danach, ob es sich um eine Immobilie in der eigenen Anlage oder eine externe handelte. Beim Erwerb einer Wohnungs- und Teileigentumseinheit in der eigenen Anlage soll es sich nach gängiger Rechtsprechung um eine Maßnahme handeln, die der ordnungsgemäßen Verwaltung entspricht (vgl. OLG Celle v. 26.2.2008, Az. 4 W 213/07; OLG Hamm v. 4.5.2010, Az. 15 W 382/09; OLG Hamm v. 20.10.2009, Az. 15 Wx 81/09; OLG Frankfurt v. 28.4.2014, Az. 20 W 32/14). Ein Mehrheitsbeschluss reicht deshalb zur Beschlussfassung aus.
Demgegenüber wurde beim Erwerb von externen Immobilien davon ausgegangen, dass derartige Beschlüsse nur in Ausnahmefällen ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen. Eine Ausnahme wurde dann gemacht, wenn zwischen der Wohnungseigentumsanlage und der hinzuerworbenen Grundstücksfläche ein räumlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang bestand (AG Deggendorf v. 19.5.2008, Az. 1 T 59/08; LG Hannover v. 3.7.2007, Az. 3 T 35/07). Dies wurde beispielsweise für den Erwerb eines Nachbargrundstücks, auf dem sich das Heizwerk der Wohnungseigentumsanlage befand, bejaht (OLG Hamm v. 4.5.2010, Az. 15 W 382/09). Gleiches galt danach für den Hinzuerwerb von Stellplatzflächen und die Hausmeisterwohnung in einer benachbarten Anlage. Lediglich in diesem Ausnahmefall sollte wiederum ein Mehrheitsbeschluss genügen.
Andernfalls war Einstimmigkeit nach den Entscheidungen der Instanzgerichte erforderlich. Im Gegensatz dazu wurde in der juristischen Literatur teilweise nicht auf die räumliche Entfernung des hinzuerworbenen Immobilienobjektes abgestellt, sondern auf die Zweckbestimmung der Anlage. Danach konnten beispielsweise bei einem Aparthotel der Erwerb eines Seeufergrundstücks und bei einer Wohnungseigentumsanlage der Kauf eines Heizwerks noch ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen und mit Mehrheit beschlossen werden.
2/2: Probleme wegen Teilrechtsfähigkeit der WEG
Der BGH hat sich nunmehr implizit der überwiegenden Ansicht der Rechtsprechung angeschlossen: Jedenfalls der Erwerb eines Parkplatzgrundstücks, das der Wohnungseigentumsanlage seit deren Entstehen zum Abstellen von Kraftfahrzeugen dient und zusätzlich auch zur Erfüllung des bauordnungsrechtlich erforderlichen Stellplatznachweises notwendig ist, entspreche ordnungsgemäßer Verwaltung. Auch der gewählte Kostenverteilungsschlüssel, der sich am Nutzungsvorteil orientiert, sei nicht zu beanstanden.
Dass die WEG als Verband auch an Immobilien erwerben kann, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 10 Abs. 6 S. 1 Wohnungseigentumsgesetz (WoEigG). Danach kann die WEG im Rahmen der gesamten Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gegenüber Dritten selbst Rechte erwerben. Sie ist als Verband ist auch grundbuchfähig. Entscheidend für wirtschaftliche Aktivitäten der WEG ist, ob diese noch zur Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gehören oder nicht. Nur im letztgenannten Fall müssen sämtliche Wohnungseigentümer zustimmen.
Dies betrifft insbesondere die Veräußerung von Flächen des gemeinschaftlichen Eigentums an einen Nachbarn oder die Gemeinde, etwa im Rahmen einer Straßengrundabtretung. Widerspricht insoweit ein Eigentümer, kann die diesbezügliche Veräußerung nicht mit Mehrheit beschlossen werden. Beim Hinzuerwerb von Flächen gilt das Einstimmigkeitserfordernis dagegen nach der Entscheidung des BGH hingegen nur, wenn der Erwerb nicht ordnungsgemäßer Veraltung entspricht. So bleibt es beim Mehrheitserfordernis.
Problem: besonders nachteilige Position des überstimmten Eigentümers
Die Anschaffung von Immobilien ist auch für den überstimmten Wohnungseigentümer regelmäßig mit einer Kostenlast verbunden. Will er sich hiergegen wenden, muss er den entsprechenden Beschluss vor Gericht anfechten. Er trägt insoweit das Prozessrisiko und muss bei einem Unterliegen zusätzlich die Gerichts- und Rechtsanwaltskosten bezahlen. Die Kompetenz der teilrechtsfähigen WEG zu Mehrheitsentscheidungen im Rahmen der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums kann für ältere Wohnungseigentümer, die eine Wohnung erworben und mühsam mit einem Bankkredit abbezahlt haben, um im Alter mit einer geringen Rente "mietfrei" wohnen zu können, zu erheblichen Belastungen führen. Auf die Zahlungsfähigkeit einzelner Wohnungseigentümer muss die Gemeinschaft bei ihrer Beschlussfassung nämlich keine Rücksicht nehmen.
Der Autor Prof. Dr. Dr. Herbert Grziwotz ist Notar in Regen und Zwiesel und Kommentator des WoEigG.
Herbert Grziwotz, BGH zum Immobilienerwerb durch eine WEG: Auf den Nutzen kommt es an . In: Legal Tribune Online, 18.03.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18838/ (abgerufen am: 29.03.2024 )
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