BGH verhandelt zum Nachbarrecht: Zählt der Bambus als Hecke?

21.02.2025

Zählt eine Bambushecke als "Hecke" im Rechtssinne? Und muss die Bepflanzung, die die vorgegebenen Grenzabstände des hessischen Nachbarrechts einhält, trotzdem zurückgeschnitten werden? Deutscher kann es jedenfalls kaum noch werden.

Ob Lärm, Gerüche, Müll oder Gartenbepflanzung: Es gibt vieles, was einen am Nachbarn stören kann. Ein Streit um eine Bambushecke erreichte nun sogar den Bundesgerichtshof (BGH). Die Karlsruher Richterinnen und Richter müssen sich unter anderem mit der Frage beschäftigen, ob ein Nachbar einen Anspruch auf Rückschnitt einer mehr als drei Meter hohe Hecke hat, auch wenn die im Hessischen Nachbarrecht vorgeschriebenen Grenzabstände eingehalten wurden. Zudem muss auch geklärt werden, ab welcher Stelle die Heckenhöhe gemessen wird, wenn ein Grundstück tiefer liegt als das andere. (Az. V ZR 185/23).

Ein Mann und eine Frau haben in Hessen benachbarte Grundstücke. Seit den 1960er-Jahren befindet sich auf dem Grundstück der Frau entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze eine Aufschüttung. Diese wird durch eine 28 Meter lange und einen Meter hohe Mauer aus Betonprofilen abgestützt.

Der eigentliche Streit begann allerdings erst später: Im Jahr 2018 pflanzte die Frau auf der Aufschüttung Bambus an und verbaute zum Nachbargrundstück hin eine Rhizomsperre. Diese verhindert, dass Pflanzenwurzeln unkontrolliert wachsen und sich ausbreiten. Die Sperre verhinderte jedoch nicht, dass der Bambus in die Höhe schoss: Zwischenzeitlich hat er eine Höhe von mindestens sechs bis sieben Metern erreicht.

Damit war der Nachbar nicht einverstanden. Mit seiner Klage vor dem Landgericht (LG) Frankfurt am Main wollte er erreichen, dass die Frau den Bambus auf eine Wuchshöhe von drei Metern zurückschneidet. Die Heckenhöhe sollte dabei vom Bodenniveau seines Grundstücks gemessen werden. Das LG gab dem klagenden Mann Recht.

OLG: Bambusbepflanzung ist eine Hecke

Gegen diese Entscheidung ging die Frau aber vor und legte Berufung ein. In der Berufungsinstanz beantragte der Mann zusätzlich, dass die Nachbarin es künftig unterlässt, die Bambushecke über drei Meter hinauswachsen zu lassen. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main wies die Klage des Mannes jedoch ab.

Laut OLG liegen die Voraussetzungen für den geltend gemachten Rückschnitts- und Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1, Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. § 38 Abs. 1, § 39 Abs. 1 Nr. 1 des hessischen Nachbarrechtsgesetzes (NachbG HE) nicht vor. Das OLG gab der Frau Recht und ordnete die Bambusanpflanzung als Hecke im Sinne des § 39 Abs. 1 NachbG HE ein. Entgegen der Auffassung des LG sind Hecken laut OLG nämlich privilegiert. Die mittlerweile erreichte Wuchshöhe des Bambus stehe einer Einordnung als Hecke nicht entgegen. Für Bäume und Sträucher gelten höhere Abstandsvorschriften. 

Die Frau habe somit den in § 39 Abs. 1 Nr. 1 NachbG HE festgelegten Grenzabstand von 0,75 Metern eingehalten, so das OLG. Es sei nämlich als zugestanden anzusehen, dass die Frau die Rhizomsperre in einem Abstand von 0,75 Metern zum Grundstück des klagenden Mannes verlegt habe. Zudem ergebe sich ein Rückschnitts- und Unterlassungsanspruch auch nicht aus dem nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis. Durch die Bambusbepflanzung lägen keine "ungewöhnlich schweren und nicht mehr hinnehmbaren Beeinträchtigungen" vor, die die Ansprüche des Mannes aus dem nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis begründen würden.

Heckenstreit vor dem BGH

Gegen diese Entscheidung legte der Mann Revision ein. In der mündlichen Verhandlung vor dem BGH am Freitag ging es darum, ob es sich bei dem Bambus überhaupt um eine Hecke handele. Der Mann, vertreten durch Rechtsanwalt Peter Wassermann, argumentierte, eine Hecke sei dadurch gekennzeichnet, dass sie gepflegt und regelmäßig geschnitten werde. Wenn sie eine gewisse Höhe überschreite, könne sie daher nicht mehr als Hecke gelten. Wenn der Mann aus seinem Haus schaue, blicke er auf eine Art Bambuswand, erläuterte Wassermann. "Wenn es regnet oder schneit, lasten die Niederschläge zusätzlich auf diesen Blättern, sodass sich diese Bambuspflanzen auf sein Grundstück hinüberneigen", so Wassermann. Die Bambus-Anpflanzung habe für ihn daher "eine erdrückende Wirkung".

Die Frau hingegen hält nicht die Höhe der Hecke für entscheidend, sondern betonte etwa die vielen Vorteile, die sie biete. Sie sei ein "lebendiges Element der Gartenbaukunst" und biete zudem ökologischen Wert. Laut Rechtsanwältin Sophie Thürk, die die Frau vertritt, könne es nicht sein, dass eine Hecke ihre Eigenschaft als solche verliert, wenn sie eine bestimmte Höhe überschreitet. Es komme bei der Einstufung als Hecke nicht auf ihre Höhe an. Eine Hecke biete Sicht- und Lärmschutz.

Das Gericht in Karlsruhe wird seine Entscheidung zu diesem Streit am 28. März 2025 verkünden. Womöglich muss der Nachbarstreit bald noch einmal in Frankfurt verhandelt werden. Der Fünfte Zivilsenat erklärte in seiner vorläufigen Einschätzung, es könnte strittig sein, ob die Frau überhaupt tatsächlich den für Hecken gültigen Mindestabstand von 0,75 Metern zum Nachbargrundstück eingehalten habe. In dem Fall hätte der Nachbar ohnehin einen Anspruch darauf, dass die Hecke zurückgeschnitten wird. Dazu müssten aber Beweise erhoben werden.

Worüber Nachbarn sonst noch so streiten

Es ist längst nicht das erste Mal, dass ein Streit zwischen Nachbarn um die Gartenbepflanzung am BGH landet. Im Sommer 2021 ging es dort etwa um eine 40 Jahre alte Schwarzkiefer in Berlin, deren breite Krone zwei Jahrzehnte lang in den Garten des Nachbars ragte. Der hatte irgendwann genug von den abfallenden Nadeln und Zapfen – und griff zu Astschere. Dafür wurde er von den Eigentümern der Kiefer verklagt. Doch der BGH entschied: Der Mann durfte die Äste stutzen - und zwar auch, wenn der Baum infolge droht, einzugehen.

Ein anderes Mal ging es um vier Zypressen, die dicht an der Grenze eines Grundstücks in Baden-Württemberg standen. Ein Nachbar verlangte vor Gericht, dass sie gefällt oder wenigstens auf eine Höhe von maximal dreieinhalb Metern zurückgeschnitten werden. Der BGH sah ihn im Recht – und klärte an dem Beispiel 2021 gleich eine grundsätzlichere Frage zum kurz vorher reformierten Wohnungseigentumsgesetz.

Schon etwas weiter zurückliegt die Entscheidung des Gerichts zu der Klage eines älteren Ehepaars, denen im eigenen Garten Licht und Sonne fehlten. Die Eheleute wollten die Stadt Bielefeld zwingen, 25 Meter hohe, gesunde Eschen zu fällen. Doch beim BGH hatten sie damit keinen Erfolg. Sogenannte negative Emissionen – wie der Entzug von Licht und Luft durch Bauten oder Bäume – müssten geduldet werden, wenn sie nicht unerträglich seien, erklärte der Senat 2015 und bekräftigte damit seine ständige Rechtsprechung zu dem Thema.

eh/LTO-Redaktion

mit Material der dpa

* Der Artikel wurde korrigiert; zuvor wurde der Eindruck erweckt, die gefallenen Zitate seien vor dem OLG gefallen. Richtig ist, dass es sich um Zitate der Verhandlung vor dem BGH handelt.

Zitiervorschlag

BGH verhandelt zum Nachbarrecht: . In: Legal Tribune Online, 21.02.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56653 (abgerufen am: 19.04.2025 )

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