Handyrechnung nicht bezahlt und schon ist der Anschluss gesperrt? Nicht mit dem BGH, der Anfang Juni schon zum zweiten Mal einem der großen Anbieter erklärte, dass Nutzer auch auf ihr mobiles Telefon dringend angewiesen sind. Dabei urteilten die Bundesrichter auch gleich noch über Kündigungen, Prepaid-Verträge und Missbrauch. Lucas Günther über eine zeitgemäße Entscheidung.
Gleich acht der neun angegriffenen AGB-Klauseln (Allgemeine Geschäftsbedingungen) des Mobilfunkunternehmens E-Plus erklärte der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 9. Juni 2011 (Az. III ZR 157/10) für unwirksam. Die Bundesrichter gaben damit dem Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) auf beinahe ganzer Linie Recht. Nicht zu Unrecht bezeichnet der vzbv die Entscheidung als bedeutsam für die gesamte Branche.
Doch der Reihe nach. Wohl am bedeutsamsten ist die erneute Anwendung des § 45 k Abs. 2 Telekommunikationsgesetz (TKG) auf die Mobilfunkbranche. Diese an sich nur im Festnetzbereich anwendbare Vorschrift bestimmt unter anderem, dass Anbieter erst ab einem Zahlungsverzug von 75 Euro berechtigt sind, den Telefonanschluss des Kunden zu sperren. Bereits in einer Entscheidung von Anfang des Jahres (Urt. v. 17.02.2011, Az. III ZR 35/10) wendete der BGH diese Grenze dennoch auch auf Handyverträge an. Eine AGB-Klausel von Telekom und congstar, nach der bereits ein Rückstand von 15,50 Euro für eine Sperre genügte, erklärte der III. Zivilsenat für unwirksam.
Nun musste sich auch E-Plus erklären lassen, dass das beliebte Instrument der Zugangssperre eben nur in den gleichen engen Grenzen zulässig ist wie bei Festnetzanschlüssen. Damit zeigt der BGH – anders als der Gesetzgeber – erneut Verständnis dafür, dass viele Kunden mindestens ebenso auf eine zuverlässige Nutzung ihres Mobiltelefons angewiesen sind wie auf die des Festnetztelefons. Sie sollten daher nicht wegen geringfügiger Zahlungsausstände von der Kommunikation abgeschnitten werden.
Mehr Transparenz bei Sperren und Kündigungen
Aber die Richter gehen noch weiter: Auch Sperren, die ein Anbieter ohne Vorwarnung bei nicht eingelösten Lastschriften verhängt, seien aus dem gleichen Grund unwirksam. Sie könnten den Kunden nämlich unter anderem davon abhalten, sich berechtigterweise gegen überhöhte Rechnungen zu wehren. Schließlich widerspreche es der gesetzlichen Wertung, wenn der Anbieter sich das Recht vorbehalte, sich jederzeit eine Kaution zur Sicherheit einräumen zu lassen - und unabhängig von der tatsächlichen Höhe des geschuldeten Betrags.
Selbst die Gefahr der fristlosen Kündigung und der damit verbundenen Folgen müssen die Mobilfunkanbieter säumigen Schuldnern nun deutlicher als bisher aufzeigen. Die AGB von E-Plus machten nämlich nicht verständlich genug, bis wann der Kunde den Rauswurf noch dadurch abwenden kann, dass er die aufgelaufenen Rückstände begleicht.
Auch zu den – für Vieltelefonierer wichtigen – Kreditlimits äußert sich das Urteil. Dabei können Kunden, deren Bonität zweifelhaft ist, das Mobilfunknetz nur bis zu einem bestimmten Rechnungsbetrag nutzen. Eine solche Kostenobergrenze vorzugeben, sei zwar nicht zu beanstanden. Doch den meisten Kunden sei es angesichts des Tarifdschungels nicht mehr möglich, "auch nur halbwegs zuverlässig" die Einhaltung dieses Limits zu überschauen. Daher muss der Anbieter den Nutzer in Zukunft warnen, bevor er eine Sperre verhängt.
Missbrauch, Prepaid-Verträge und die Bedeutung von Handys im Jahr 2011
Ausführlich nimmt der 3. Senat auch zu der Frage Stellung, welche Rechte der Provider im Falle der missbräuchlichen Nutzung der Leistungen hat. Nichts auszusetzen hatten die Karlsruher Richter an einer Klausel, aufgrund derer der Anbieter den Vertrag etwa in Fällen der Netzmanipulation oder des Spam-Versands fristlos kündigen kann.
Anders sehen die Richter das aber dann, wenn aus dem gleichen Grund der Zugang gesperrt werden soll. Zwar genüge eine beispielhafte Aufzählung der Missbrauchstatbestände, um dem Kunden deutlich zu machen, in welchem Rahmen er seinen Mobilfunkvertrag nutzen könne. E-Plus aber hatte jedenfalls nicht ausreichend klar gestellt, dass eine solche Sperre nur vorübergehend sei, also wieder aufgehoben werden konnte, wenn der Nutzer sein missbräuchliches Verhaltens einstellte.
Schließlich ging es noch um das Phänomen der passiven Nutzung von Prepaid-Verträgen. Lädt der Handynutzer seine Prepaid-Karte nicht regelmäßig mit neuem Guthaben auf, so ist der Anbieter berechtigt, für einen kurzen Zeitraum ausgehende Anrufe zu sperren und anschließend den Vertrag zu kündigen. Dabei muss aber, so nun der BGH, transparent gemacht werden, dass das verbliebene Guthaben dem Kunden ausgezahlt wird.
Mit dem aktuellen Urteil stärken die obersten Zivilrichter erneut die Rechte der Handykunden. Zugleich machen sie deutlich, dass die Rechtsprechung die Bedeutung der mobilen Erreichbarkeit erkannt hat. Nun sollte auch der Gesetzgeber nachziehen und das TKG entsprechend anpassen.
Bei den Zugangssperren wurde den Anbieternder zweite Schuss vor den Bug verpasst. Es bleibt abzuwarten, ob nun endlich alle Provider bei diesem Thema beidrehen und ihre AGB ändern.
Lucas Günther ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung (Prof. Dr. Stefan Leible) an der Universität Bayreuth.
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BGH-Urteil zu Handysperren: . In: Legal Tribune Online, 18.07.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3783 (abgerufen am: 14.11.2024 )
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