Apple kann sich das Entsperren von iPhones per Touchscreen nicht patentieren lassen. Der BGH beschränkt damit innovationsstarke Unternehmen der IT-Branche erneut beim Schutz computerimplementierter Erfindungen, weiß Johannes Graf Ballestrem.
Apple war im Frühjahr 2011 erstmals vor die Gerichte gezogen, um das iPhone vor der Konkurrenz des Google-Betriebssystems Android zu schützen. Das Unternehmen nahm dabei nicht Google als Android-Entwickler, sondern Geräte-Hersteller wie Samsung und Motorola ins Visier, die sich wiederum mit eigenen Patent-Klagen wehrten. Apple erstritt rund eine Milliarde Dollar Schadensersatz von Samsung in Kalifornien, aber das Urteil geht nach drei Jahren immer noch durch die Instanzen.
Bei dem Streit, der gestern in Karlsruhe entschieden wurde, ging es um das auch in Deutschland geltende europäische Patent EP 1 964 022. Damit ließ der US-Konzern sich eine Maßnahme schützen, die seit dem Start der ersten Apple-Smartphones im Jahr 2007 eine der bekanntesten Funktionen ist: das Entsperren der Geräte über einen virtuellen Schieberegler auf dem berührungsempfindlichen Bildschirm (Touchscreen).
Das Patent sah vor, dass der Nutzer zum Entsperren eines Geräts eine bestimmte (Finger-)Bewegung (Wischbewegung) auf der Berühroberfläche ausführt. Dabei wird ihm auf dem Bild-schirm eine grafische Hilfestellung gegeben, indem sich ein Entsperrbild "im Einklang mit der Fingerbewegung" auf einem vorgegebenen Pfad auf dem Bildschirm bewegt (der bekannte Apple-Pfeil).
Die Motorola Mobility Germany GmbH griff dieses Streitpatent mit einer Nichtigkeitsklage an.Das Bundespatentgericht (BPatG) erklärte daraufhin das Streitpatent für nichtig und hielt auch die hilfsweise verteidigten beschränkten Fassungen des Patents für nicht rechtsbeständig. Sein Gegenstand sei gar nicht patentfähig, weil er nicht, wie für ein Patent erforderlich, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Ein bisschen neu reicht nicht: Wischtechnik zuvor bekannt
Das von dem schwedischen Hersteller Neonode vertriebene Mobiltelefon N1 habe nämlich schon vor dem iPhone alle Merkmale der Erfindung vorweg genommen. Es fehlte nur die Anweisung, dem Nutzer auf dem Bildschirm ein Entsperrbild anzuzeigen, das sich im Einklang mit der – als solche jedoch ebenfalls schon vorbekannten – Fingerbewegung auf einem vorgegebenen Pfad auf dem Bildschirm bewegt.
Dieses Merkmal sei allerdings, so das BPatG, bei der Beurteilung der Patentfähigkeit nicht zu berücksichtigen. Es löse kein technisches Problem, sondern wirke bloß auf die Vorstellung des Benutzers einwirke, indem es durch grafische Maßnahmen die Bedienung des Geräts vereinfache.
Apple ging in Berufung – und scheiterte auch vor dem u.a. für das Patentrecht zuständigen X. Zivilsenat des Bundesgerichtshof (BGH). Anders als das BPatG berücksichtigen die Karlsruher Richter bei der Prüfung der Patentfähigkeit zwar, dass die Erfindung insofern über den durch das Mobiltelefon Neonode N1 verkörperten Stand der Technik hinausgeht, als der Entsperrvorgang durch eine grafische Darstellung begleitet wird.
Eine solche benutzerfreundlichere Anzeige war dem Fachmann aber durch den Stand der Technik vor dem Prioritätsdatum des Patents, nämlich am 23. Dezember 2005, schon nahegelegt. Der für die Neuheit von zum Patent angemeldeten Erfindungen maßgebliche Stand der Technik, also alle mündlichen und schriftlichen Vorbeschreibungen der für die Erfindung relevanten Technik, beschrieb einen "virtuellen Schalter", der durch eine Wischbewegung auf einem berührungsempfindlichen Bildschirm mittels "Verschiebens" eines grafischen Objekts einen Schieberegler imitiert. Apples Patent beruht daher nicht auf erfinderischer Tätigkeit, so die Karlsruher Richter (BGH, Urt. v. 25.08.2015, Az. X ZR 110/13).
Sperre für Apple-Entsperrung: . In: Legal Tribune Online, 26.08.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16709 (abgerufen am: 12.11.2024 )
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