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BGH zur Wohnflächenabweichung: Das sch­nelle Ende der 10-Pro­zent-Recht­sp­re­chung

von Dominik Schüller

18.11.2015

Grundriss mit Wohnungsschlüssel (Symbolbild)

Bild: © takasu - fotolia.com

Bei einer ordentlichen Mieterhöhung kommt es nur auf die tatsächliche Wohnfläche an, egal ob diese größer oder kleiner ist als vereinbart. Der BGH ändert damit seine Rechtsprechung, erklärt Dominik Schüller. Die Kappungsgrenze aber gilt.

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10-Prozent-Grenze entfällt: tatsächliche Wohnfläche immer maßgeblich

Aus welchem Grund sich der VIII. Senat tatsächlich zu der 10-Prozent-Grenze äußern musste oder wollte, wird  sich vermutlich erst aus den Urteilsgründen ergeben. Laut der Pressemitteilung ging es im dem Verfahren, über das der u.a. für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat am Mittwoch zu entscheiden hatte, nämlich um eine deutlich höhere Flächenabweichung. Angemietet hatte die Mieterin eine Berliner 5-Zimmer-Wohnung mit 210,43 qm. Im Mietvertrag waren jedoch lediglich 156,95 qm angegeben – eine Abweichung von 35,9 Prozent.

Die Vermieterin verlangte nun vom Mieter die Zustimmung zu einer Mieterhöhung von 629,75 Euro auf insgesamt 937,52 Euro. 94,46 Euro begründete sie mit einer allgemeinen Mieterhöhung bis zur – für Berlin erst kürzlich bestätigten - 15-prozentigen Kappungsgrenze, weitere 213,31 Euro mit der Flächenabweichung von 33,95 Prozent. Letzteres verweigerte der Mieter, der nur der Mieterhöhung um 94,46 Euro zustimmte. Er bekam nicht nur vom AG Charlottenburg und vom LG Berlin, sondern am Mittwoch auch vom BGH Recht (Urt. vom 18. November, Az. VIII ZR 266/14)

BGH neu: Nur die tatsächliche Wohnfläche zählt

Der VIII. Zivilsenat  stellt fest, dass es im Rahmen des Mieterhöhungsanspruchs des Vermieters gemäß § 558 BGB nur auf die tatsächliche Größe der Wohnung ankomme.

Der Vermieter solle so in die Lage versetzt werden, auch im laufenden Mietverhältnis eine angemessene und am örtlichen Markt orientierte Miete zu erzielen. Für den Vergleich im Rahmen der Bewertung der Ortsüblichkeit seien rein objektive, tatsächliche Kriterien ausschlaggebend, vertragliche Vereinbarungen – z.B. über die Wohnfläche – könnten hierfür nicht herangezogen werden.

Der Senat gibt damit seine bisherige 10-Prozent-Rechtsprechung auf, nach der Flächenabweichungen erst ab mehr als 10 Prozent Rechtsfolgen für ein Mieterhöhungsverlangen haben können (z.B. BGH, Urt. v. 23.05.2007, Az: VIII ZR 138/06).

Der Vermieter muss sich künftig bei Mieterhöhungsverlangen also nicht mehr an einer zu niedrig angegebenen Wohnfläche festhalten lassen, wenn die Abweichung unter 10 Prozent betragt. Er kann – und muss - sich bei der Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete stets auf die tatsächliche Größe der Wohnung stützen. Für den umgekehrten Fall, dass die Wohnfläche im Mietvertrag zu hoch angegeben ist, kann der Vermieter die Miete ebenfalls nur auf der Grundlage der tatsächlichen, also niedrigeren Wohnfläche erhöhen.

Die Kappungsgrenze gilt

2/2: Aber: Kappungsgrenze gilt dennoch

Die Vermieterin unterlag dennoch, weil sie ihrem Verlangen zwar die tatsächliche Wohnungsgröße von über 200 qm zugrunde legen, die Zustimmung aber dennoch nur im Rahmen der allgemeinen Mieterhöhungsvorschriften verlangen durfte. Und das heißt: unter Beachtung der Kappungsgrenze von (hier in Berlin) maximal 15 Prozent innerhalb eines Dreijahreszeitraumes.

Der Vermieter kann also die Miete im Bestandmietverhältnis lediglich ordentlich nach § 558 BGB erhöhen. Stellt er fest, dass die Wohnfläche tatsächlich größer ist als angenommen, kann er nur er jeweils bis zur Kappungsgrenze erhöhen, bis die ortsübliche Vergleichsmiete auch für die größere Fläche erreicht ist.

Ein Recht, die Miete einmalig aufgrund der tatsächlichen Fläche einseitig zu erhöhen, hat der Vermieter nicht. Insbesondere verneint der BGH einen Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) durch die unzutreffende Wohnflächenangabe. Sein Argument: Die zutreffende Ermittlung der tatsächlichen Wohnfläche ist Sache des Vermieters.

Besser vorher Aufmaß erstellen

Viele Flächenangaben in Mietverträgen – ob als verbindlich oder unverbindlich angegeben – sind falsch. Fehler werden in der Regel von Vertrag zu Vertrag, von Mieter zu Mieter weitergegeben.

In Zeiten immer schwieriger werdender Mietanpassungen sowohl bei Bestandsmietverhältnissen als auch bei der Neuvermietung aus Vermietersicht fahrlässig. Jedenfalls bei Neuvermietung sollte man ein neues Aufmaß erstellen lassen.

Von der starren, für die Praxis sinnvollen 10-Prozent-Grenze bei der Mieterhöhung muss man sich verabschieden. Es bleibt abzuwarten, ob der VIII. Zivilsenat auch bei anderen starre Grenzen seine Rechtsprechung ändert. Auch die 10-Prozent--Grenze bei der Bewertung einer Flächenabweichung als Mietmangel ließe sich mit ähnlichen Argumenten hinterfragen.

Der Autor Dominik Schüller ist Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Wohn- und Gewerbemietrecht, WEG sowie Immobilienrecht in der Kanzlei SAWAL Rechtsanwälte & Notar in Berlin

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Dominik Schüller, BGH zur Wohnflächenabweichung: Das schnelle Ende der 10-Prozent-Rechtsprechung . In: Legal Tribune Online, 18.11.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17585/ (abgerufen am: 08.08.2022 )

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