BGH zu Preistreibern und Abbruchjägern auf eBay: 3… 2… 1… Streit!

von Prof. Dr. Roland Schimmel

25.08.2016

Nicht selten versuchen eBay-Nutzer, Gebote künstlich in die Höhe zu treiben oder gezielt nach abgebrochenen Auktionen Schadensersatz geltend zu machen. Roland Schimmel zu zwei neuen BGH-Entscheidungen über diese bedenklichen Praktiken.

In den letzten Jahren haben Rechtsprechung und Wissenschaft einigermaßen erfolgreich fast die gesamte Rechtsgeschäftslehre auf die Erfordernisse von Online-Auktionen umgemünzt: Fragen zu elektronischen Angebots- und Annahmeerklärungen, Bedingungen, Fristen, Irrtums- und Anfechtungsmöglichkeiten, Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) und vieles mehr sind geklärt. Fest steht auch, in welcher Form man andere Nutzer bewerten kann und welche Rechtsmittel gegen Kritik zulässig sind.

Trotzdem läuft der Auktionsbetrieb nicht ganz störungsfrei. Jede gerichtlich festgeschriebene Ausstiegsmöglichkeit aus dem Auktionsverlauf ruft ein paar Neugierige auf den Plan, die überlegen, ob damit Geld zu verdienen sei. So gibt es seit ein paar Jahren die sogenannten Abbruchjäger, die gezielt nach abgebrochenen Auktionen suchen, um dann vom Bieter Schadensersatz zu verlangen.

Die Auktionsplattform eBay darf dabei als juristischer Innovationstreiber erster Güte gelten. Zu umfangreich ist, was im Lauf der letzten 15 Jahre an rechtswissenschaftlicher Dogmatik und höchstrichterlicher Rechtsprechung durch Teilnehmer an deren Online-Auktionen veranlasst wurde, die Rechtshändel anfingen. Und es hört nicht auf: Am Mittwoch entschied der Bundesgerichtshof (BGH) gleich im Doppelpack über diese problematische Vorgehensweise.

Rechtsmissbrauch durch Abbruchjäger

Im ersten Verfahren (Urt. v. 24.08.2016, Az. VIII ZR 182/15) hatte der klagende Bieter als Einziger auf ein vom beklagten Nutzer bei eBay eingestelltes Motorrad geboten. Als schon nach wenigen Minuten die Auktion abgebrochen und kurz darauf das Motorrad mit korrigierter Beschreibung wieder eingestellt wurde, bot der klagende Mann nicht erneut, sondern bestand auf Erfüllung des seiner Ansicht nach geschlossenen Kaufvertrags. Nach der anderweitigen Veräußerung verlangte er Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen Wert (4.200 Euro) und gebotenem Preis (1 Euro).

Das Landgericht (LG) Görlitz hat den Schadensersatzanspruch auf §§ 437 Nr.3, 280 I, III, 281 I, 283 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gestützt, aber im Ergebnis verneint, weil seine Geltendmachung rechtsmissbräuchlich gewesen sei. Der BGH hat nicht in der Sache entschieden, sondern die Prozessführungsbefugnis des klagenden Bieters verneint. Derzeit liegt nur die Pressemeldung des Gerichts vor. Aus ihr wird jedoch ersichtlich, dass der VIII. Zivilsenat die rechtliche Würdigung des LG Görlitz für fehlerfrei hält. Ein Abbruchjäger, der sich so verhält wie der Bieter in diesem Fall, muss künftig vor Gericht mit dem Einwand missbräuchlicher Rechtsausübung rechnen.

Allerdings ist bei der Verallgemeinerung solcher Aussagen Vorsicht geboten, weil gerade der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs stark von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Schon das LG Görlitz hatte darauf abgestellt, dass die Summe mehrerer Indizien einen Rechtsmissbrauch naheliegend erscheinen lasse. Nicht jedes dieser Indizien allein überzeugt gleichermaßen. So steht etwa das Argument, der Bieter habe bei der zweiten Auktion nicht mehr mitgeboten, auf eher schwachen Füßen, zumindest isoliert betrachtet. Denn warum sollte ein Bieter, der eine Sache ersteigert zu haben glaubt, nach weiteren Auktionen suchen und bei diesen mitbieten? Ob eine solche Pflicht oder wenigstens Obliegenheit sich aus dem Kaufvertrag oder dessen Anbahnung ergibt, bedürfte doch detaillierter Ableitung.

Zusammen mit dem Umstand, dass der Kläger auch in zahlreichen weiteren Rechtsstreitigkeiten bundesweit Schadensersatz wegen abgebrochener eBay-Auktionen verlangt, mag das ausreichen. So ist es bedauerlich, dass der BGH sich nicht inhaltlich geäußert hat, denn die zugrundeliegende Konstellation scheint öfter aufzutreten als eBay-Anbietern, die sich anständigerweise bei unpräziser Beschreibung des Verkaufsgegenstands zu einem Abbruch veranlasst sehen, lieb sein kann.

Zitiervorschlag

Roland Schimmel, BGH zu Preistreibern und Abbruchjägern auf eBay: 3… 2… 1… Streit! . In: Legal Tribune Online, 25.08.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20390/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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