2/2: Am falschen Ende gespart
Von einem sittenwidrigen Rechtsgeschäft im Sinne des § 138 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann in solchen Fällen nämlich richtigerweise ebenfalls nicht die Rede sein. Der Einwand eines groben, gar sittenwidrigen Missverhältnisses zu Ungunsten des Verkäufers steht ihm nicht zu: Wie auch schon das OLG Jena als Vorinstanz deutlich machte, ist es gerade typisch für eBay-Versteigerungen, dass beide Seiten die Chance haben, ein "Schnäppchen" zu machen.
Also verhält der Käufer sich auch nicht rechtsmissbräuchlich, wenn er einen Auktionsgegenstand für nur einen Euro ersteigert und damit weit hinter dem Verkehrswert zurück bleibt.. Nimmt er diese Schnäppchengelegenheit wahr, fehlt es offensichtlich am subjektiven Element des § 138 Abs. 1 BGB, keiner der Beteiligten handelt mit verwerflicher Gesinnung. Ganz im Gegenteil, beide Parteien nutzen die Internetplattform eBay unter Abwägung der charakteristischen Vor- und Nachteile. Und dazu gehört eben auch die Gelegenheit zu einem besonders günstigen Vertragsschluss.
Das gilt umso mehr, als der Verkäufer andere Option hätte. Er könnte nämlich die Zusatzoption "Mindestpreis" wählen, also einen Preis festlegen, unterhalb dessen Grenze er die Ware nicht verkaufen möchte. Dann berechnet sich die Angebotsgebühr nach der Höhe des Mindestpreises und erhöht sich damit merklich. Entscheidet sich der Verkäufer aber bewusst dagegen, einen solchen Mindestpreis für den Artikel festzulegen, fällt das allein in seinen Risiko- und Verantwortungsbereich.
Und das ganz ohne modisches Internetrecht
Die eBay-AGB und die höchstrichterliche Rechtsprechung bestätigen die Bindungswirkung eines Angebots, wie sie die Vorschriften der §§ 145ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches vorsehen. Sie tragen damit nicht nur dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit Rechnung, sondern gewährleisten auch die Funktion der Internetverkaufsplattform eBay an sich.
Auch die Bundesrichter bleiben ihrer Linie treu, indem sie abermals die Wirksamkeit der eBay-AGB bestätigen und weiterhin in dem Einstellen und Freischalten der "Onlineauktionen" ein verbindliches Angebot sehen.
Bieter müssen sich auf die Angebote der Anbietenden verlassen können. Dem Verkäufer steht es frei, einen Mindestpreis festzulegen; frisst aber die Gier nach wenigen Euro weniger Auktionsgebühr die Vernunft, muss der Verkäufer zu Recht Lehrgeld bezahlen. Er kann die Auktion nicht einfach abbrechen oder sich gar auf ein verwerfliches Verhalten der Käuferseite berufen.
Diese Erkenntnis hat mit modischem Internetrecht wenig zu tun. Es hat sich gezeigt, dass fundierte Kenntnisse im BGB ausreichen, um im Internet auftretende Rechtsprobleme zu lösen, hierzu braucht es keine hochqualifizierten IP/IT-Law Spezialisten.
Der Autor Prof. Dr. Christian Wolf ist Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Deutsches, Europäisches und Internationales Zivilprozessrecht an der Juristischen Fakultät der Leibniz Universität Hannover, Tim Brockmann ist dort wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand.
BGH zu abgebrochener Auktion bei eBay : . In: Legal Tribune Online, 12.11.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13786 (abgerufen am: 13.10.2024 )
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