BGH schränkt Mietminderung bei Außenlärm ein: Bolzende Kinder statt ruhigem Wohnen

von Dominik Schüller

30.04.2015

2/2: Keine Minderung, wenn Vermieter den Lärm selber dulden müsste

Auch eine Auslegung des Mietvertrages führte zu keinem anderen Ergebnis. Entscheidend war, ob die Geräuschimmissionen vom Mieter hingenommen werden mussten oder sie ihn zur Mietminderung berechtigten.

Ausgangspunkt für Minderungen ist stets § 535 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Der Vermieter muss die Mietwohnung in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand erhalten. Nach Sinn und Zweck des BGB muss der Vermieter jedoch nicht dafür einstehen, wenn es zu einem Geräuschanstieg von einem Nachbargrundstück nach Abschluss des Mietvertrages kommt, sofern er diese Beeinträchtigung nach § 906 Abs. 1 BGB selbst entschädigungslos gegenüber dem Nachbarn dulden müsste.

Die Argumentation der Karlsruher Richter ist ebenso einfach wie einleuchtend: Man könne vom Vermieter als Mieter lediglich dann Minderung oder Lärmreduzierung verlangen, wenn diesem gegenüber dem störenden Nachbarn seinerseits zivilrechtliche Ansprüche zustünden. Anderenfalls werde der Vermieter vor eine unlösbare Aufgabe gestellt.

Die Entscheidung des BGH ist richtig. Im Wesentlichen geht es um die Frage, wer das Risiko dafür tragen muss, wenn sich etwas in der Umgebung des Mietobjekts nachteilig verändert. Bürdet man dem Vermieter dieses Risiko auf, kann es zu dem merkwürdigen Ergebnis kommen, dass der Mieter zur Minderung berechtigt ist, der Vermieter jedoch nicht gegen den Lärmverursacher als Handlungs- oder Zustandsstörer nach § 1004 BGB vorgehen kann. Besser ist da die BGH-Meinung, mit der zumindest ein Gleichlauf zwischen Mietrecht und den allgemeinen zivilrechtlichen Besitzschutzregeln hergestellt wird.

Kinderlärm muss man ertragen

Wann ein Nachbar Lärmbeeinträchtigungen dulden muss, sagt § 906 Abs. I BGB. Dies ist der Fall, wenn die Geräuschkulisse lediglich unwesentlich ist, also insbesondere, wenn die gesetzlichen Immissionsgrenzwerte eingehalten sind. Hierzu haben die Vorinstanzen offenbar keine Beweisaufnahme durchgeführt. Aus diesem Grund ist das Verfahren an das Landgericht zurückverwiesen worden.

Vor allem im Hinblick auf § 22 Abs. 1a Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) muss dort festgestellt werden, ob der Lärm von Kindern oder Jugendlichen ausgegangen war. Nach dieser Regelung ist Kinderlärm auch bei Überschreiten der immissionsschutzrechtlichen Grenzwerte von jedermann hinzunehmen.

Wichtig ist dabei die Klarstellung der Karlsruher Richter, dass die Privilegierung von Kinderlärm auch ins Zivilrecht und dort insbesondere ins Miet- und Wohnungseigentumsrecht ausstrahlt. Dass diese Norm erst 2011 Eingang in das BImSchG gefunden hat, führt nach Auffassung des BGH nicht zu einer anderen Bewertung.

Der BGH ist offenbar allgemein sehr vorsichtig bei der Annahme von Beschaffenheitsvereinbarungen bei Umfeldmängeln. Keine Mietminderung werden mehr möglich sein, wenn die Grenzwerte des BImSchG eingehalten werden oder es sich um stets hinzunehmenden Kinderlärm handelt. Doch allein wegen dieser Tatsachenfrage werden Umwelteinflüsse mit Sicherheit weiterhin die Amts- und Landgerichte beschäftigen.

Wie der Fall ausgeht, wird das Landgericht entscheiden. Das BGH-Urteil ist jedenfalls einen Etappensieg auf dem Bolzplatz.

Der Autor Dominik Schüller ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht in der Immobilienrechtskanzlei SAWAL Rechtsanwälte & Notar in Berlin und twittert zu immobilienrechtlichen Fragen unter https://twitter.com/ra_schueller.

Zitiervorschlag

Dominik Schüller, BGH schränkt Mietminderung bei Außenlärm ein: Bolzende Kinder statt ruhigem Wohnen . In: Legal Tribune Online, 30.04.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15401/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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