Friedhelm Adolfs darf erst mal bleiben: Der BGH kassierte das Urteil, welches die Kündigung des rauchenden Rentners wegen Gestanks im Hausflur bestätigt hatte. Das LG Düsseldorf muss nun neu feststellen, ob er durch Zigarettenrauch im Hausflur den Hausfrieden nachhaltig gestört oder jedenfalls schuldhaft seine Pflichten erheblich verletzt hat. Nicht nur der rauchende Renter kann aufatmen.
Friedhelm Adofs sorgt seit Jahren für Furore weit über die Lokalmedien im Rheinland hinaus. Seine Vermieterin hatte im Jahr 2013 das Mietverhältnis zu dem Raucher aus Düsseldorf fristlos, hilfsweise fristgerecht gekündigt. Als Grund nannte sie die unzumutbare Belästigung der Nachbarn durch Qualm.
Die Vorinstanzen billigten ihr Vorgehen: Das Amtsgericht (AG) Düsseldorf bewertete das Recht auf körperliche Unversehrtheit der Nachbarn höher als das Selbstbestimmungsrecht des 76-Jährigen. Auch das Landgericht (LG) Düsseldorf, welches den Prozesskostenhilfe-Antrag des Rentners noch bewilligt hatte, bewertete es im Juni als "schwerwiegenden Pflichtverstoß", dass Adolfs nicht gelüftet und seine vollen Aschenbecher nicht geleert habe. Damit habe der ehemalige Hausmeister des Hauses, in dem er 40 Jahre lang lebte, die Geruchsbelästigung im Flur sogar gefördert, anstatt sie durch geeignete Maßnahmen zu verhindern, hieß es.
Diese vom Berufungsgericht vorgenommene Würdigung beruht nach Ansicht des u.a. für das Wohnraummietrecht zuständigen VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (BGH) auf einer "lückenhaften und unter Verletzung prozessualer Vorschriften erfolgten Tatsachenfeststellung". Der BGH hat die Sache deshalb an eine andere Kammer des Berufungsgerichts zurückverwiesen, welche die erforderlichen Feststellungen nun nachholen muss (BGH, Urt. v. 18.02.2015, Az. VIII ZR 186/14).
"Gewisse praktische Schwierigkeiten bei der Vorstellung"
Zwar kann, das stellte der Senat am Mittwoch klar, eine Geruchsbelästigung der Mitmieter durch Zigarettenrauch im Einzelfall den Hausfrieden stören und die Nebenpflichten des Mieters verletzen. Dann kann eine Kündigung gerechtfertigt sein - zumal, wenn die Belästigung sich durch einfache und zumutbare Maßnahmen, zum Beispiel Lüften über die Fenster, verhindern ließe. Das Gebot der Rücksichtnahme könnte insbesondere verletzt sein, wenn die Intensität der Beeinträchtigungen ein unerträgliches und gesundheitsgefährdendes Ausmaß erreicht, so die Karlsruher Richter. Dass ein solcher Einzelfall bei Friedhelm Adolfs vorläge, konnten sie dem Urteil des Düsseldorfer LG aber nicht entnehmen.
Schon zu Beginn der Verhandlung, zu welcher der Rentner selbst nach Karlsruhe gereist war, hatte die Senatsvorsitzende Karin Milger das Urteil, das selbst der Anwalt der klagenden Vermieterin als "kein Meisterstück" bezeichnete, infrage gestellt: Sie habe "gewisse praktische Schwierigkeiten" bei der Vorstellung, dass von einer Wohnung in den Hausflur dringender Zigarettenrauch so stinken könne, dass dadurch der Hausfriede nachhaltig gestört werde.
Adolfs' BGH-Anwalt hatte beantragt, die Entscheidung des LG wegen erheblicher Rechtsfehler aufzuheben: "Das Urteil kann keinen Bestand haben", sagte Peter Wassermann am Dienstag in Karlsruhe. "Art, Dauer und Intensität der Belästigung" seien nicht ohne Rechtsfehler festgestellt. Der Anwalt kritisierte insbesondere, dass das LG sich nur auf die Aussage eines Zeugen verlassen und die Richter sich das Haus nicht selber angesehen hätten.
Nicht das Rauchen in der eigenen Wohnung steht vor Gericht
Die anstehende Räumung sei damit vorläufig vom Tisch, erklärt Dominik Schüller. "Erst nach einer neuen Entscheidungen könnte eine Räumung eingeleitet werden", so der Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht aus Berlin. Er begrüßt die "zu recht hohen prozessualen Maßstäbe bei der Ermittlung und Bewertung des Sachverhalts - immerhin ist die Wohnung grundrechtlich geschützt."
Der Fall von Adolfs war einer der ersten, in denen das Recht auf Rauch in der eigenen Wohnung öffentlichkeitswirksam zur Disposition von Gerichten stand. Seit dem Sommer 2013 ist viel geschehen, zumal der BGH im Januar 2015 zwischenzeitlich entschied, dass sogar das Rauchen auf dem eigenen Balkon an die Bedürfnisse der Nachbarn angepasst werden muss.
Adolfs' Fall ist als Grundsatzentscheidung aber gleich aus mehreren Gründen ungeeignet - auch wenn der passionierte Raucher vor der Verhandlung gegenüber der Nachrichtenagentur dpa erklärte, den Prozess nicht nur für sich, "sondern auch für die Allgemeinheit" zu führen.
Mietrechtler: Gute Chancen für die nächste Runde
Es ging von Beginn an nicht um die Frage, ob das Rauchen in den eigenen vier Wänden erlaubt ist - "das wird von niemanden bestritten", stellte Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund (DMB) im Vorfeld der Entscheidung klar. Auch aus Sicht von Fachanwalt Schüller handelt es sich - anders als bei der Entscheidung zum Rauchen auf dem Balkon - lediglich vordergründig um eine 'Raucherentscheidung'. "Der BGH hatte vielmehr die Frage zu klären, inwieweit der Mieter für aus seiner Wohnung dringende Gerüche verantwortlich gemacht werden kann und ob hierin eine Vertragsverletzung gesehen werden kann, die zu einer Kündigung berechtigt." Diese Frage könnte sich entsprechend auch bei Lärm oder anderen Immissionen stellen.
Auch Raucher Adolfs selbst sagte, es gehe gar nicht mehr ums Rauchen. Wenn er verliere, könne man wegen der damit verbundenen Geruchsbelästigungen im Flur wahrscheinlich irgendwann keinen Kohl mehr kochen.
Mietrechtler Schüller räumt dem Renter für die nächste Runde vor dem LG Düsseldorf gute Chancen ein: "Es kann sein, dass die Vermieterin den Nachweis einer erheblichen Vertragsverletzung in dem vom BGH geforderten Umfang nicht erbringen kann. Immerhin sind bereits zwei Jahre vergangen". Mit den bisherigen Beweismitteln werde es der Vermieterin wohl nicht gelingen, eine erhebliche Vertragsverletzung nachzuweisen. Seine Wohnungstür hat Friedhelm Adolfs, der täglich 15 Zigaretten raucht, mittlerweile abgedichtet.
Mit Materialien von dpa
Pia Lorenz, BGH hebt Kündigung vorläufig auf: Etappensieg für Raucher Friedhelm Adolfs . In: Legal Tribune Online, 18.02.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14719/ (abgerufen am: 20.04.2024 )
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