Pechsteins Klage: Ganz ein­fach: unzu­lässig wegen Schied­s­ein­rede

von Prof. Dr. Jens Adolphsen

07.06.2016

2/2: Kein Übergewicht der Verbände im ICAS

Das OLG München hatte genau diese Zusammensetzung des ICAS beanstandet, obwohl der ICAS eben nicht unmittelbar für die Zusammensetzung des entscheidenden Panels zuständig ist, sondern nur für die Aufstellung der Schiedsrichterliste.

Einen derartigen Ansatz hatte es bis dahin in der deutschen Rechtsprechung zur Schiedsgerichtsbarkeit noch nicht gegeben. Das OLG München hatte hier,  offenbar ohne das zu merken, komplett Neuland betreten. Bisher gab es die Diskussion immer um die paritätische Besetzung des Panels, aber nicht des Gremiums, das eine Liste aufstellt.

Ein verbleibendes Übergewicht der Verbände im ICAS werde, so die Karlsruher Richter, vor allem durch die Verfahrensordnung des CAS ausgeglichen, die eine hinreichende individuelle Unabhängigkeit und Neutralität der Schiedsrichter gewährleiste. Der CAS hat 2016 dieses Übergewicht der Sportverbände zudem reduziert, indem er jetzt für die Schiedsrichterliste auch Personen berücksichtigt, die von den Athletenvertretungen des IOC, der Nationalen Olympischen Komitees und der Internationalen Sportverbände vorgeschlagen werden.

Die Freiwilligkeit der Schiedsvereinbarung

Etwas überraschend betont der BGH, dass Pechstein die Schiedsvereinbarung freiwillig unterschrieben hat, obwohl sie ohne Unterzeichnung nicht an der WM hätte teilnehmen können. Dass sie insofern frembestimmt gehandelt habe, führe nicht zur Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung. Vielleicht hätte man einfach sachlich gerechtfertigten Zwang annehmen können.

Die nachfolgenden Ausführungen zur sachlichen Rechtfertigung sind dann aber das Herzstück der Entscheidung, deren schriftliche Gründe man mit Spannung erwarten darf: Der Justizgewährungsanspruch Pechsteins und ihr Recht auf freie Berufsausübung sei gegen die Verbandsautonomie der ISU abzuwägen. Pechstein habe die Möglichkeit gehabt (und genutzt), schweizerische Gerichte anzurufen. Ein Anspruch auf Zugang gerade zu deutschen Gerichten bestehe nicht.

Damit vermeidet der BGH eine Nationalisierung globaler Sachverhalte, welche die Einheitlichkeit der globalen Sportausübung beendet hätte. Im Grunde sagt der Kartellsenat, wenn jemand global Sport treibt, kann er auch im Ausland klagen und nicht vor Heimatgerichte ziehen. Das ist richtig, man male sich nur ein vergleichbares Verfahren vor russischen, jamaikanischen oder ähnlichen Gerichten aus.

Verbände und Sportler sitzen in einem Boot

Mindestens ebenso wichtig sind die Aussagen aus Karlsruhe zum Verhältnis von Sportlern und Verbänden: Diese stehen sich nicht als von grundsätzlich gegensätzlichen Interessen geleitete Lager gegenüber. Vielmehr entspricht die weltweite Bekämpfung des Dopings sowohl den Interessen der Verbände als auch denen der Athleten.

Das OLG war noch von einer Blockbildung ausgegangen, die auch von Pechstein und ihren Prozessvertretern besonders in den Vordergrund gestellt worden war.

Die simple Vorstellung von Verbänden auf der einen und Sportlern auf der anderen Seite mit jeweils in ihrer Rolle homogenen, aber im Verhältnis zueinander gegensätzlichen Interessen, ist unzutreffend. Die Interessenlagen sind zu vielschichtig, um sie mit der einfachen Vorstellung von Beherrschenden und Beherrschten zu erfassen.

Ein Sieg für die Sportgerichtsbarkeit

Ob Claudia Pechstein den Kampf vor dem Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte fortführt, wird die Zukunft zeigen.

Mit der Deutschen hat eine Athletin verloren, die wohl zu Unrecht gesperrt wurde. Gewonnen hat ein grundsätzlich notwendiges System der weltweiten, einheitlichen Sportschiedsgerichtsbarkeit, das sich aber auch eingestehen muss, dieses (wahrscheinliche) Fehlurteil des CAS hervorgebracht zu haben.

Im Verfahren vor deutschen Gerichten sind auch strukturelle Mängel der Sportschiedsgerichtsbarkeit aufgedeckt worden, die zum Teil schon abgestellt wurden, zum anderen Teil aber noch abgeschafft werden müssen. Der Reformwille, einen Ausgleich zwischen den Interessen von Athleten und Verbänden zu finden, darf nicht einfach mit der Rechtskraft dieses Urteils enden.

Der Autor Prof. Dr. Jens Adolphsen ist Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Nationales und Internationales Zivilverfahrensrecht und Sportrecht an der Justus-Liebig-Universität Gießen.

Zitiervorschlag

Prof. Dr. Jens Adolphsen, Pechsteins Klage: Ganz einfach: unzulässig wegen Schiedseinrede . In: Legal Tribune Online, 07.06.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19575/ (abgerufen am: 23.04.2024 )

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