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BGH zur Handynutzung auf der Richterbank: Mal kurz ausgeklinkt

von Norbert Demuth

17.06.2015

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© Maxal Tamor - Fotolia.com

Eine Richterin organisierte während der Beweisaufnahme in einem Strafverfahren per SMS ihre Kinderbetreuung. Der entsprechende Befangenheitsantrag wurde abgelehnt. Über die BGH-Verhandlung am Mittwoch berichtet Norbert Demuth.

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Nicht nur Schüler oder Autofahrer spielen in unpassenden Momenten an ihrem Handy herum. Auch eine Richterin in einem Frankfurter Strafverfahren konnte nicht von ihrem Mobiltelefon lassen - und das während einer laufenden Zeugenbefragung. War sie deshalb unkonzentriert, abgelenkt und sogar befangen? Am Mittwoch befasste sich der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe mit der Sache (Az: 2 StR 228/14). Dabei deutete sich an, dass der BGH die Handynutzung von Richtern vor allem dann sehr kritisch sieht, wenn damit während der laufenden Hauptverhandlung "private Außenkontakte" hergestellt werden, etwa per SMS. Das Urteil soll am späten Nachmittag verkündet werden.

Im vorliegenden Fall soll eine beisitzende Richterin in einer Strafverhandlung des Landgerichts (LG) Frankfurt während der Vernehmung eines Zeugen über zehn Minuten mehrfach ihr Mobiltelefon bedient haben. Das behauptet zumindest die Verteidigung. Die beiden Angeklagten hatten deshalb beim LG den Antrag gestellt, die Richterin wegen "Besorgnis der Befangenheit" abzulehnen. Sie habe der Beweisaufnahme nicht mehr mit uneingeschränkter Aufmerksamkeit folgen können. In ihrem Verhalten zeige sich zumindest ein gewisses Desinteresse an der Beweisaufnahme, das den Eindruck vermitteln könne, dass die Richterin sich ihr Urteil bereits gebildet habe und nicht mehr unvoreingenommen sei.

Das LG hatte das Befangenheitsgesuch jedoch abgelehnt. Ob dies zu Recht geschah, muss nun der BGH entscheiden. Die Richterin selbst hatte sich entschuldigt und in einer dienstlichen Erklärung eingeräumt, ihr Handy "als Arbeitsmittel" genutzt zu haben. Sie gab an, lediglich zwei Kurzmitteilungen versandt zu haben und einen zuvor eingegangenen Anruf nicht angenommen zu haben.

Organisation der Kinderbetreuung während der Verhandlung

Nach Angaben der Verteidigung hatte die Richterin jedoch letztlich per Handy "ihre Kinderbetreuung organisiert", als sich die Frankfurter Hauptverhandlung länger als geplant hinzog. Die Richterin habe einen Anruf von zuhause auf ihrem stumm geschalteten Handy mit einer vorgefertigten SMS-Kurznachricht beantwortet und dann auf eine weitere SMS von zu Hause mit einer SMS reagiert, sagte Verteidigerin Ingrid Grobel-Schmelzer.

Es komme hier nicht darauf an, ob dieses Verhalten die Richterin tatsächlich befangen gemacht und ihre Unvoreingenommenheit beeinflusst habe. Entscheidend sei, ob ihr Verhalten geeignet gewesen sei, "Misstrauen gegen ihre Unparteilichkeit bei einem Angeklagten zu wecken". Denn es gehe hier um die "Besorgnis der Befangenheit". Die Verteidigerin betonte: "Eine Richterin, die sich bei der Zeugenvernehmung ausklinkt, verliert die Legitimation, über einen Angeklagten zu richten." Immerhin sei zum maßgeblichen Zeitpunkt gerade der Polizeioberkommissar befragt worden, der die Ermittlungen geführt habe. Die Richterin habe unzulässiger Weise ihr Interesse an der Betreuung ihrer Kinder den Interessen der Angeklagten auf einen fairen Prozess vorgezogen – im Zwiespalt, "gleichzeitig Richterin und Mutter sein zu müssen".

Das Befangenheitsgesuch sei deshalb zu Unrecht abgelehnt worden, sagte die Verteidigerin. Wegen dieses Verfahrensfehlers müsse die Verurteilung der beiden Angeklagten aufgehoben und die Sache neu verhandelt werden. Die beiden Männer waren am 7. November 2013 vom LG Frankfurt jeweils wegen gefährlicher Körperverletzung zu Haftstrafen verurteilt worden. Wegen einer Messerstecherei mit marokkanischen Landsleuten erhielt einer von ihnen eine Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren, der andere eine Jugendstrafe von drei Jahren. (Az. 5/08 KLs 3290 Js 216655/12 (10/12).

Bundesanwaltschaft: Zuhören und SMS-Versand geht gleichzeitig

Die Bundesanwaltschaft forderte vor dem BGH, die Revision der Angeklagten als unbegründet zu verwerfen. Der "erwiesene Sachverhalt" genüge nicht, eine Besorgnis der Befangenheit bei der beisitzenden Richterin zu begründen. Es sei möglich, eine SMS zu lesen und zu senden und gleichzeitig die Aussage eines Zeugen zu erfassen. Das Verhalten der Richterin lasse auch nicht auf ein Desinteresse an der Beweiserhebung schließen. Anders sei dies nur, "wenn die Benutzung des Mobiltelefons als Ausdruck demonstrativen Gelangweiltseins erfolgt wäre", sagte der Vertreter der Bundesanwaltschaft. Die Richterin habe jedoch "einen triftigen Grund“ gehabt, die Handy-Kommunikation zu führen, nämlich die Betreuung ihrer kleinen Kinder sicherzustellen.

Auf der Richterbank des BGH kam daraufhin jedoch die Frage auf, ob die Richterin nicht zwingend eine Unterbrechung der Sitzung hätte beantragen müssen - statt die Angelegenheit auf ihrem Handy zu regeln. Der Vorsitzende Richter des 2. Strafsenats des BGH und Strafrechtskommentator Thomas Fischer fragte, ob nicht gerade die Herstellung privater Außenkontakte etwas Besonders sei. Etwa im Gegensatz zu der Ablenkung eines Richters, der kurz aus dem Fenster schaut, sich die Brille putzt oder in Akten blättert. Die Frage sei, ob bei privaten Außenkontakten nicht eine rechtliche "Grenze" liege, sagte Fischer.

Gefangenenpost und Sekundenschlaf sind erlaubt

In der höchstrichterlichen Rechtsprechung wurde bereits entschieden, dass ein Richter nicht zu sehr abgelenkt ist, der Hauptverhandlung zu folgen, wenn er währenddessen Gefangenenpost liest. Auch ein unfreiwilliger Sekundenschlaf auf der Richterbank wurde noch geduldet.

Verteidiger Thorsten Tuma aus Frankfurt wies jedoch hin, dass der BGH hier über eine Frage von weitreichender Brisanz zu entscheiden habe. Denn die Mobilfunktechnik habe inzwischen auch in den Gerichtssaal Einzug gehalten. Die Handy-Nutzung in der Hauptverhandlung sei inzwischen bei sämtlichen Verfahrensbeteiligten nahezu täglich zu beobachten. Es gehe letztlich darum, ob ein Richter befangen sei, "der sich sachfremder Mittel während der laufenden Hauptverhandlung bedient"

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BGH zur Handynutzung auf der Richterbank: . In: Legal Tribune Online, 17.06.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15901 (abgerufen am: 09.11.2025 )

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