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BGH lässt Framing nur bei legaler Quelle zu: Die zweite Realität der Bundes­richter

von Andreas Biesterfeld-Kuhn

10.07.2015

Film "Die Realität" im Frame

Bild: Screenshot, Youtube

Nach dem BGH-Urteil zum Framing müssen Nutzer vorab recherchieren, ob der Rechteinhaber seine Zustimmung zur öffentlichen Wiedergabe erteilt hat. Dabei wäre eine klare Entscheidung so naheliegend gewesen, findet Andreas Biesterfeld-Kuhn.

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Legalität des Framings hängt von Zustimmung des Urhebers ab

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am Donnerstag entschieden, dass das Einbetten fremder Youtube-Videos in die eigene Internetseite (Framing) zumindest dann keine Urheberrechtsverletzung darstellt, wenn das eingebettete Video ursprünglich mit Zustimmung des Rechteinhabers auf Youtube eingestellt wurde. Dann nämlich liegt keine "öffentliche Wiedergabe" im Sinne des § 19a Urheberrechtsgesetz (UrhG) vor. Fehlt jedoch eine solche Erlaubnis, so stellt das Framing hingegen eine unzulässige öffentliche Wiedergabe dar (Urt. v. 09.07.2015, Az. I ZR 46/12 - Die Realität II).

Weil im konkreten Fall von den Instanzgerichten keine Feststellungen zur Zustimmung getroffen wurden, haben die Karlsruher Richter die Sache nun an das Oberlandesgericht (OLG) München zurückverwiesen.

Damit wird der streitgegenständliche Kurzfilm "Die Realität" zum insgesamt sechsten Mal ein Gericht beschäftigen. Die Netzgemeinde dürfte die Entscheidung als vollkommen surreal empfinden, denn sie schafft nicht nur neue Ungewissheiten, sondern steht im eklatanten Widerspruch zur Realität auf "Social-Media"-Plattformen. Unabhängig davon ist die aktuelle BGH-Entscheidung auch dogmatisch fragwürdig.

Es hätte eine so klare Entscheidung werden können

Es hätte alles so einfach sein können. Im vergangenen Herbst hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass das Framen fremder Youtube-Videos grundsätzlich keine Urheberrechte verletzt. Konkret hatte er im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens auf Vorlagefragen des BGH ausgeführt, dass ein urheberrechtlich geschütztes Werks keine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der sogenannten Multimedia-Richtlinie (2001/29/EG) darstellt, wenn sich die Wiedergabehandlung desselben technischen Verfahrens wie die ursprüngliche Wiedergabe bedient und kein neues Publikum erschlossen wird (Beschl. v. 21.10.2014, Az. C-348/13 - BestWater).

Nun hätte der BGH am Donnerstag einfach klipp und klar sagen können, dass beim Framing keine Urheberrechte verletzt werden. Eine solche Entscheidung hätte die Netzgemeinde getrost als Sieg feiern können. Rechteinhaber und deren Rechtsanwälte hätten sich kurz über eine Aushöhlung des Urheberrechtsschutzes echauffiert und wären dann zur Tagesordnung zurückgehrt. Es wäre eine Entscheidung gewesen, die klare Verhältnisse schafft. Eine, mit der man sich hätte arrangieren und mit der jeder hätte arbeiten können. 

Fehlende Erlaubnis führt zu öffentlicher Wiedergabe

Der BGH ist jedoch nicht bekannt dafür, es sich leicht zu machen und insbesondere nicht dafür, sich vom EuGH Vorgaben machen zu lassen, was er zu tun hat. Er hat deshalb kurzerhand entschieden, in die BestWater-Entscheidung des EuGH lasse sich hineinlesen, dass eine urheberrechtlich unzulässige öffentliche Wiedergabe in Betracht komme, wenn keine Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers vorliegt.

Im konkreten Fall seien indessen zu der Frage, ob eine Zustimmung des tatsächlichen Rechteinhabers vorliegt, keine Feststellungen getroffen worden. Also: Fall zurück ans OLG zur möglicherweise abschließenden Entscheidung. Sollte sich dort – so das Kalkül des BGH – herausstellen, dass der Rechteinhaber der Einstellung des betreffenden Videos doch zugestimmt hat, wäre nämlich die Frage, ob die Zulässigkeit des Framing von der Legalität der Ursprungsquelle abhängt, ohne Relevanz.

Dogmatisch bedenklich und völlig an der Realität vorbei

2/2: Soziale Netzwerke brauchen klare Regeln

Für das Video im konkreten Fall mit dem bezeichnenden Titel "Die Realität" mag dieser Schachzug des BGH sogar sinnvoll sein. Jedoch stellt sich die Frage, ob der BGH sich bewusst ist, was seine Entscheidung für die abertausend Videos, die täglich in sozialen Netzwerken geteilt werden, bedeutet. Denn hier müssten die User, wenn sie den BGH beim Wort nehmen würden, nun jedes Mal umständlich recherchieren, ob ein bei Youtube eingestelltes Video tatsächlich vom Rechteinhaber stammt oder nicht, bevor sie es in ihrem Netzwerk teilen. Tun sie dies nicht, droht die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen und Schadensersatz. Möglicherweise jeden Tag gleich mehrfach.

Die Realität der "Social-Media"-affinen Generation sieht indessen anders aus: Was gefällt, wird geteilt und zwar sofort. Übermorgen kann das Interesse an dem Video schon wieder verebbt sein. Für eine langwierige Recherche bleibt in der schnelllebigen Welt der sozialen Medien keine Zeit.

Das kann man durchaus bedenklich finden. Es ist jedoch eine Entwicklung, der man sich stellen muss. Insofern braucht das Internet klare Spielregeln. Entweder man sagt, das Framing sei immer unzulässig - was aber der klaren Ansage des EuGH widerspricht - oder man sagt, es sei immer zulässig. Mal so, mal so, ist jedenfalls keine praktikable Lösung.

BGH hätte das Verfahren aussetzen und abwarten können

Dies umso mehr als beim EuGH – wie der BGH in seiner Entscheidung selbst erwähnt – aktuell ein niederländisches Verfahren zur Vorabentscheidung anhängig ist, welches genau die vom BGH bejahte Frage betrifft, ob eine öffentliche Wiedergabe vorliegt, wenn das Werk auf der anderen Internetseite ohne Zustimmung des Rechtsinhabers zugänglich gemacht worden ist (Rs. C-160/15).

Der BGH hätte also das hiesige Verfahren aussetzen und die dortige Entscheidung abwarten können. Jedoch hat er sich explizit dagegen entschieden. Seine Begründung, in der niederländischen Angelegenheit sei frühestens 2016 mit einer Entscheidung zu rechnen, wirkt allerdings etwas vorgeschoben. Tatsächlich dürfte es so sein, dass die Karlsruher Richter noch schnell loswerden wollten, wie sie die Sache sehen, bevor der EuGH das Gegenteil entscheiden kann. Zur Realität gehört eben auch, dass der BGH und der EuGH in einem ewigen Spannungsverhältnis stehen.

Dogmatische Bedenken

Schließlich bedarf es schon einer Portion Fantasie, in die BestWater-Entscheidung des EuGH hineinzulesen, dass für die urheberrechtliche Zulässigkeit des Framings etwas anderes gelten soll, wenn der Rechteinhaber der ursprünglichen Wiedergabe des geschützten Werks nicht zustimmt hat.

Zwar ist zutreffend, dass der EuGH dort beispielhaft den Fall erwähnt, dass das Werk bereits auf einer anderen Website mit Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers für alle Internetnutzer frei zugänglich ist.

Hieraus jedoch den Schluss zu ziehen, dass bei fehlender Zustimmung eine öffentliche Wiedergabe vorliegt, ist dogmatisch gewagt. Denn der EuGH führt zuvor klar und deutlich aus, dass gerade keine öffentliche Wiedergabe vorliegt, wenn man sich keines anderen technischen Verfahrens bedient und kein neues Publikum erschlossen wird.

Liegen diese Voraussetzungen vor, fehlt es dementsprechend bereits an einer tatbestandsmäßigen Handlung. Dann kann es aber auch nicht mehr auf die Zustimmung ankommen, da sich diese Frage grundsätzlich nur auf der nachgelagerten Ebene der Rechtswidrigkeit stellt.

Rechteinhaber wäre dennoch nicht schutzlos

Zur Veranschaulichung ein anderes Beispiel: Wenn man mit Zustimmung des Rechteinhabers ein Werk vervielfältigt, bleibt diese Vervielfältigung trotz der Zustimmung weiterhin eine urheberrechtlich relevante Handlung. Wäre die Vervielfältigung hingegen von vornherein keine urheberrechtlich relevante Handlung, wäre auch die Zustimmung des Urhebers zu der Vervielfältigung absolut überflüssig. Nichts anderes kann im Grunde bei der Frage der rechtlichen Zulässigkeit des Framing gelten.

Der Einwand, ein Rechteinhaber, der der ursprünglichen Einstellung nicht zugestimmt hat, stehe schutzlos da, wenn er das Framing nicht verbieten könne, geht jedenfalls bereits im Ansatz fehl. Denn ihm bleibt es ja unbelassen, denjenigen, der das Video ohne seinen Willen bei Youtube eingestellt hat, auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch zu nehmen. Dass dieses Einstellen urheberrechtlich nicht zulässig ist, steht nämlich vollkommen außer Frage. 

Ob der EuGH in dem niederländischen Verfahren – wider Erwarten – dennoch der Rechtsauffassung des BGH folgen sollte, bleibt mit Spannung zu erwarten.

Der Autor Andreas Biesterfeld-Kuhn ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Lampmann, Haberkamm & Rosenbaum Partnerschaft in Köln. Er ist spezialisiert auf das Urheber- und Medienrecht und dort insbesondere auf Rechtsverletzungen im Internet.

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Andreas Biesterfeld-Kuhn, BGH lässt Framing nur bei legaler Quelle zu: Die zweite Realität der Bundesrichter . In: Legal Tribune Online, 10.07.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16199/ (abgerufen am: 10.06.2023 )

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