BGH lässt Framing nur bei legaler Quelle zu: Die zweite Realität der Bundes­richter

von Andreas Biesterfeld-Kuhn

10.07.2015

2/2: Soziale Netzwerke brauchen klare Regeln

Für das Video im konkreten Fall mit dem bezeichnenden Titel "Die Realität" mag dieser Schachzug des BGH sogar sinnvoll sein. Jedoch stellt sich die Frage, ob der BGH sich bewusst ist, was seine Entscheidung für die abertausend Videos, die täglich in sozialen Netzwerken geteilt werden, bedeutet. Denn hier müssten die User, wenn sie den BGH beim Wort nehmen würden, nun jedes Mal umständlich recherchieren, ob ein bei Youtube eingestelltes Video tatsächlich vom Rechteinhaber stammt oder nicht, bevor sie es in ihrem Netzwerk teilen. Tun sie dies nicht, droht die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen und Schadensersatz. Möglicherweise jeden Tag gleich mehrfach.

Die Realität der "Social-Media"-affinen Generation sieht indessen anders aus: Was gefällt, wird geteilt und zwar sofort. Übermorgen kann das Interesse an dem Video schon wieder verebbt sein. Für eine langwierige Recherche bleibt in der schnelllebigen Welt der sozialen Medien keine Zeit.

Das kann man durchaus bedenklich finden. Es ist jedoch eine Entwicklung, der man sich stellen muss. Insofern braucht das Internet klare Spielregeln. Entweder man sagt, das Framing sei immer unzulässig - was aber der klaren Ansage des EuGH widerspricht - oder man sagt, es sei immer zulässig. Mal so, mal so, ist jedenfalls keine praktikable Lösung.

BGH hätte das Verfahren aussetzen und abwarten können

Dies umso mehr als beim EuGH – wie der BGH in seiner Entscheidung selbst erwähnt – aktuell ein niederländisches Verfahren zur Vorabentscheidung anhängig ist, welches genau die vom BGH bejahte Frage betrifft, ob eine öffentliche Wiedergabe vorliegt, wenn das Werk auf der anderen Internetseite ohne Zustimmung des Rechtsinhabers zugänglich gemacht worden ist (Rs. C-160/15).

Der BGH hätte also das hiesige Verfahren aussetzen und die dortige Entscheidung abwarten können. Jedoch hat er sich explizit dagegen entschieden. Seine Begründung, in der niederländischen Angelegenheit sei frühestens 2016 mit einer Entscheidung zu rechnen, wirkt allerdings etwas vorgeschoben. Tatsächlich dürfte es so sein, dass die Karlsruher Richter noch schnell loswerden wollten, wie sie die Sache sehen, bevor der EuGH das Gegenteil entscheiden kann. Zur Realität gehört eben auch, dass der BGH und der EuGH in einem ewigen Spannungsverhältnis stehen.

Dogmatische Bedenken

Schließlich bedarf es schon einer Portion Fantasie, in die BestWater-Entscheidung des EuGH hineinzulesen, dass für die urheberrechtliche Zulässigkeit des Framings etwas anderes gelten soll, wenn der Rechteinhaber der ursprünglichen Wiedergabe des geschützten Werks nicht zustimmt hat.

Zwar ist zutreffend, dass der EuGH dort beispielhaft den Fall erwähnt, dass das Werk bereits auf einer anderen Website mit Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers für alle Internetnutzer frei zugänglich ist.

Hieraus jedoch den Schluss zu ziehen, dass bei fehlender Zustimmung eine öffentliche Wiedergabe vorliegt, ist dogmatisch gewagt. Denn der EuGH führt zuvor klar und deutlich aus, dass gerade keine öffentliche Wiedergabe vorliegt, wenn man sich keines anderen technischen Verfahrens bedient und kein neues Publikum erschlossen wird.

Liegen diese Voraussetzungen vor, fehlt es dementsprechend bereits an einer tatbestandsmäßigen Handlung. Dann kann es aber auch nicht mehr auf die Zustimmung ankommen, da sich diese Frage grundsätzlich nur auf der nachgelagerten Ebene der Rechtswidrigkeit stellt.

Rechteinhaber wäre dennoch nicht schutzlos

Zur Veranschaulichung ein anderes Beispiel: Wenn man mit Zustimmung des Rechteinhabers ein Werk vervielfältigt, bleibt diese Vervielfältigung trotz der Zustimmung weiterhin eine urheberrechtlich relevante Handlung. Wäre die Vervielfältigung hingegen von vornherein keine urheberrechtlich relevante Handlung, wäre auch die Zustimmung des Urhebers zu der Vervielfältigung absolut überflüssig. Nichts anderes kann im Grunde bei der Frage der rechtlichen Zulässigkeit des Framing gelten.

Der Einwand, ein Rechteinhaber, der der ursprünglichen Einstellung nicht zugestimmt hat, stehe schutzlos da, wenn er das Framing nicht verbieten könne, geht jedenfalls bereits im Ansatz fehl. Denn ihm bleibt es ja unbelassen, denjenigen, der das Video ohne seinen Willen bei Youtube eingestellt hat, auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch zu nehmen. Dass dieses Einstellen urheberrechtlich nicht zulässig ist, steht nämlich vollkommen außer Frage. 

Ob der EuGH in dem niederländischen Verfahren – wider Erwarten – dennoch der Rechtsauffassung des BGH folgen sollte, bleibt mit Spannung zu erwarten.

Der Autor Andreas Biesterfeld-Kuhn ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Lampmann, Haberkamm & Rosenbaum Partnerschaft in Köln. Er ist spezialisiert auf das Urheber- und Medienrecht und dort insbesondere auf Rechtsverletzungen im Internet.

Zitiervorschlag

Andreas Biesterfeld-Kuhn, BGH lässt Framing nur bei legaler Quelle zu: Die zweite Realität der Bundesrichter . In: Legal Tribune Online, 10.07.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16199/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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