BGH erlaubt Werbeblocker: Die Nutzer können ent­scheiden, die Ver­lage sich wehren

von Pia Lorenz

19.04.2018

Werbeblocker im Internet sind ein Geschäftsmodell. Dass sie mittelbar das Konzept der Verlage beeinträchtigen, macht sie noch nicht unlauter. Das Urteil des BGH ist ebenso eindeutig wie zeitgemäß.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat den Werbeblocker AdBlock Plus für rechtmäßig erklärt, der verhindert, dass bestimmte Werbeinhalte auf Internetseiten angezeigt werden. Das gilt auch für das sog. Whitelisting, mit dem Werbeinhalte den Nutzern doch wieder angezeigt werden (BGH, Urt. v. 19.04.2018, Az. I ZR 154/16).

Es ist eine nicht überraschende, aber vielleicht doch überraschend eindeutige Niederlage für den Axel Springer Verlag, der sich durch alle Instanzen gegen das Kölner Unternehmen Eyeo gewehrt hat, das die Software anbietet. Das Medienhaus teilte bereits unmittelbar im Anschluss an die Urteilsverkündung mit, man werde Verfassungsbeschwerde einlegen. Und man darf davon ausgehen, dass große Teile der Verlangsbranche das Urteil als Niederlage betrachten – Springer war nur eins der Medienunternehmen, die sich seit Jahren gegen die Werbeblocker im Netz wehren.

Das Handelsblatt, Zeit Online sowie RTL und ProSiebenSat.1 waren schon in den unteren Instanzen unterlegen. Das Oberlandesgericht (OLG) Köln aber, über dessen Entscheidung der BGH am Dienstag zu befinden hatte, gab Springer zumindest in Teilen Recht: Es untersagte im Juni 2016 Eyeo zwar nicht das grundsätzliche Modell Werbeblocker, aber doch das von ihr betriebene Whitelisting-Modell. Zu Unrecht, wie der BGH nun befand.

Werbeblocker sind ein Geschäftsmodell, keine Wettbewerbsbehinderung

Die bislang bekannten Gründe des BGH für seine Entscheidung sind dabei erfrischend eindeutig und zeitgemäß. Das ist deshalb erwähnenswert, weil der Springer Verlag - in den unteren Instanzen vertreten von Lubberger Lehment, in Karlsruhe zudem von BGH-Anwalt Prof Dr. Christian Rohnke - argumentativ tief in die Trickkiste gegriffen hatte.

Neben dem auf der Hand liegenden Argument des unlauteren Wettbewerbs argumentierten sie mit Kartell- und Urheberrechtsverstößen. Den 1. Senat konnten sie damit offenbar nicht überzeugen.

Deutschlands oberste Richter für Wettbewerbsrecht sehen keinen unlauteren Wettbewerb. Eyeo verfolge mit dem Werbeblocker primär eigene wirtschaftliche Interessen und wolle keineswegs die Verlage vom Markt verdrängen, so ihr Argument. Die Nutzer entschieden, ob sie die Software einsetzen, die Verlage ihrerseits hätten Mittel und Wege, um sich zu wehren.

Das gelte auch für das sog. Whitelisting. dessen Unterlassung Springer hilfsweise beantragt hatte für den Fall, dass der Senat das Modell des Werbeblockings für grundsätzlich zulässig erklären würde.
Das Programm AdBlock Plus ist standardmäßig so konfiguriert, dass es einige "nicht aufdringliche Werbung" über eine so genannte Whitelist zulässt. Die Werbung wird also dem Nutzer anzeigt, obwohl der einen Blocker installiert hat. Kleinere und mittlere Unternehmen können für solche unaufdringliche Werbung kostenlos von der Sperre ausgenommen werden; von größeren Webseitenbetreibern und Werbenetzwerkanbietern verlangt Eyeo für die Aufnahme in die Whitelist eine Umsatzbeteiligung – und erhält sie auch, vor allem von großen US-Internetunternehmen.

Dass Eyeo, die in den unteren Instanzen von CMS Hasche Sigle, beim BGH zudem von der BGH-Kanzlei Engel und Rinkler vertreten wird, so ihre Einnahmen erzielt, hält der Senat für nicht problematisch. Vielmehr setze das Geschäftsmodell die Funktionsfähigkeit der Internetseiten der Verlage gerade voraus, argumentiert der BGH.

Beeinträchtigung ist nicht unlauter

Die Werbeblocker wirkten auf die Dienstleistungen, die die Verlage auf ihren redaktionellen Seiten anbieten, auch nicht unmittelbar ein. Nicht Eyeo beeinträchtige das Geschäft von Springer, sondern es seien die Internetnutzer, die darüber entschieden, ob sie einen Adblocker einsetzen.

Die darin liegende mittelbare Beeinträchtigung der Verlage wiederum sei ebenfalls nicht unlauter. Der BGH stellt dabei auch darauf ab, dass die Software keine Schutzvorkehrungen der Verlage gegen Werbeblocker unterlaufe. Das legt nahe, dass der Senat es sehr wohl als wettbewerbswidrig beurteilten könnte, wenn die Adblocker-Software eine Möglichkeit enthalten würde, etwaige Schutzmaßnahmen der Verlage gegen sie zu umgehen. Solche Schutzmaßnahmen wendet auch der klagende Springer Verlag längst an: Wer bild.de mit einem Werbeblocker aufruft, kann nicht auf die Inhalte der Seite zugreifen. Würde die Adblocker-Software einen solchen Ausschluss von Nutzern umgehen, würde der BGH das wohl als eine unmittelbare Beeinträchtigung des Angebots der Verlage betrachten.

Solche Schutzmaßnahmen erwartet der BGH auch von den Verlagen. Auch die Pressefreiheit ändere nichts daran, dass es Springer zumutbar ist, Abwehrmaßnahmen gegen die Beeinträchtigungen durch Werbeblocker zu ergreifen, wird der Senat deutlich. Das Geschäftsmodell, kostenlose Inhalte durch Werbung zu finanzieren, sehen die Richter durch Adblocker nicht gefährdet. Bitter, wenn ein Bundesgericht mehr Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge aufbringt als die Wirtschaft.

Zitiervorschlag

Pia Lorenz, BGH erlaubt Werbeblocker: . In: Legal Tribune Online, 19.04.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/28173 (abgerufen am: 01.11.2024 )

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