BGH zu Tabakwerbung von Unternehmen im Internet: Gut gela­unte Rau­cher auf der Start­seite sind ver­boten

von Evelyn Schulz und Jonas Weimert

05.10.2017

Tabakunternehmen dürfen nicht auf der Startseite ihrer Unternehmenswebsite für Zigaretten werben. Das hat der BGH in einem Grundsatzurteil entschieden. Wie weit das Verbot reicht, erläutern Evelyn Schulz und Jonas Weimert.

Weil auf der Startseite der Unternehmenswebsite vier gut gelaunte und lässig anmutende Personen mit Zigarette, Pfeife und Schnupftabak gezeigt wurden, hat der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) einen mittelständischen Tabakhersteller abgemahnt. Der Bundesgerichtshof (BGH) gab den Verbraucherschützern recht: Es handelt sich um unzulässige Werbung (Urteil vom 5. Oktober 2017 – I ZR 117/16).

Auf der Webseite konnten sich Interessierte über das Unternehmen und seine Produkte informieren. Es waren aber auch beispielsweise Stellenangebote abrufbar. Die wichtigste der bis zum Bundesgerichtshof getragenen Fragen lautete nun, ob die Darstellung auf der Startseite der Unternehmenswebsite eine "Werbung für Tabakerzeugnisse in Diensten der Informationsgesellschaft" sei. Wenn ja, ist eine solche Werbung nach dem früheren § 21a Abs. 4 des Vorläufigen Tabakgesetzes (mittlerweile abgelöst von § 19 Abs. 3 Tabakerzeugnisgesetz) verboten.

Mit dem Werbeverbot für Tabakerzeugnisse in Diensten der Informationsgesellschaft wollte der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung tragen, dass elektronische Medien mittlerweile neben Hörfunk und Presse (für die das Tabakwerbeverbot ebenfalls gilt) einen gleichwertigen, wenn nicht sogar bedeutenderen Medienzweig bilden.

Tabakwerbung im Internet war bisher weitgehend ungeklärt

Trotzdem war bisher ungeklärt, ob die bloße Werbung für Tabakerzeugnisse auf einer Internetseite, zumal wenn es sich um eine Unternehmenswebsite eines Tabakherstellers handelt, einen "Dienst der Informationsgesellschaft" darstellt.

Hintergrund ist die EU-Richtlinie 2003/33/EG, die dem Vorläufigen Tabakgesetz und dem Tabakerzeugnisgesetz zugrunde liegt und einheitliche Regeln für Tabakwerbung in den Mitgliedstaaten aufstellt. Diese Richtlinie könnte so verstanden werden, dass unter "Dienste der Informationsgesellschaften" grundsätzlich nur echte gegen Entgelt angebotene Dienstleistungen fallen sollen ("in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistungen"). Der kostenpflichtige Erwerb von Waren war über die Website in diesem Fall nicht möglich.

Der BGH sah das jedoch anders. Die Abbildung auf der Startseite des Internetauftritts sei eine Werbung für Tabakerzeugnisse, weil dem Besucher der Seite die Produkte des Herstellers nähergebracht und als attraktiv dargestellt würden. Die Werbung erfolge auch in einem Dienst der Informationsgesellschaft. Insbesondere solle der Begriff nach den maßgeblichen Unionsbestimmungen auch Dienste erfassen, die nicht von den Empfängern der Dienste vergütet werden.

Als Beispiele für solche Dienste nennt der BGH "Online-Informationsdienste" und die "kommerzielle Kommunikation". Hierunter falle auch die Website eines Unternehmens, auf welcher für dessen Produkte oder Dienstleistungen geworben werde.

Startseite des Unternehmens wendet sich an eine breite Öffentlichkeit

Zur Begründung bezieht sich der BGH auf ein kürzlich ergangenes Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 4.5.2017, C-339/15). Tatsächlich führt der EuGH in diesem Urteil aus, dass Werbung über eine Website eine kommerzielle Kommunikation sei, die Bestandteil eines Dienstes der Informationsgesellschaft bzw. selbst ein solcher Dienst sei.

Die konkrete Werbung ist nach dem BGH auch nicht ausnahmsweise analog der für die Tabak-Fachpresse geltenden Privilegierung erlaubt. Für die Reichweite des Verbots bzw. der ausnahmsweisen Erlaubnis zieht der BGH Erwägungsgrund 4 der EU-Richtlinie 2003/33/EG heran. Tabakwerbung müsse danach auf diejenigen Magazine und Zeitschriften beschränkt werden, die sich nicht an die breite Öffentlichkeit wenden. Die "weltweit unbeschränkt aufrufbare Startseite eines Unternehmens" richte sich demgegenüber an die breite Öffentlichkeit und werde deshalb vom Werbeverbot umfasst.

Werbung im Extra-Bereich nur für Fachleute?

Der Bundesgerichtshof hat sich ausschließlich mit der für jedermann zugänglichen Darstellung des Tabakherstellers auf der Startseite seiner Unternehmenswebsite auseinandergesetzt. Nach der heutigen Entscheidung ist klar, dass eine Darstellung, die im weitesten Sinne als Verkaufsförderung für Tabakerzeugnisse verstanden werden kann, verboten ist, wenn sie sich per Internet an die allgemeine Öffentlichkeit richtet.

"Was wäre wenn"-Fragen mussten durch das Gericht demgegenüber nicht beantwortet werden. Inwieweit der Bundesgerichtshof diese obiter dicta in seinen Entscheidungsgründen ansprechen wird, bleibt abzuwarten und spannend. Insbesondere kann man sich fragen, wie dieselbe Darstellung zu bewerten gewesen wäre, wenn sie auf einer mit einer Tabak-Fachzeitschrift vergleichbaren Unterseite der Website erschienen wäre. Mit anderen Worten: Wie muss eine Website gestaltet werden, wenn sie die Werbeprivilegien genießen möchte, die auch nach dem BGH Magazinen und Zeitschriften zukommen, "die sich nicht an die breite Öffentlichkeit wenden"?

Zulässig dürfte es jedenfalls bleiben, in einem nur für im Tabakvertrieb tätige Personen vorgesehenen und entsprechend mit wirksamen Zugangsbeschränkungen versehenen Bereich der Unternehmenswebsite für Tabakerzeugnisse zu werben.

Der VZBV hat nach der Urteilsverkündung pauschal erklärt, dass nach der BGH-Entscheidung "auch auf Unternehmensseiten" bzw. "im Internet ein striktes Tabakwerbeverbot" gelte. In dieser Allgemeinheit stimmt das auch nach dem heutigen BGH-Urteil nicht – allerdings unterliegt die Tabakwerbung im Internet strengen Einschränkungen.

Die Autorin Evelyn Schulz ist Rechtsanwältin bei der Noerr LLP in Dresden. Als Leiterin des Bereichs Lebensmittelrecht und Mitglied der Praxisgruppen Commerce & Trade sowie Healthcare berät und vertritt sie insbesondere Unternehmen der Lebensmittel- und Gesundheitsbranche. Der Co-Autor Jonas Weimert ist studentische Hilfskraft bei Noerr LLP.

Zitiervorschlag

Evelyn Schulz und Jonas Weimert, BGH zu Tabakwerbung von Unternehmen im Internet: Gut gelaunte Raucher auf der Startseite sind verboten . In: Legal Tribune Online, 05.10.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24865/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen