Verwertungsgesellschaften dürfen die Lizenzerteilung davon abhängig machen, ob der Nutzer Framing technisch unterbindet, so der BGH nach einem EuGH-Urteil. Eine lange Reise, die hätte kürzer sein können, erklären Julia Dönch und Robin Schmitt.
Verlinkungen sind essenzieller Bestandteil des Internets und tragen maßgeblich zu dessen Funktionsweise bei. Unter dieser Prämisse äußerten sich höchstinstanzliche Gerichte in der Vergangenheit bereits mehrfach zum sogenannten Framing. Bei diesem Vorgang werden Drittinhalte auf einer Website eingebettet, ohne dass sie tatsächlich von dieser Website bereitgestellt werden. Klassisches Beispiel ist die Einbindung eines Youtube-Videos.
Einen weiteren Rechtsstreit zum Framing hat der Bundesgerichtshof (BGH) nun entschieden (Urt. v. 09.09.2021, Az. I ZR 113/18): Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz hatte die Verwertungsgesellschaft (VG) Bild-Kunst verklagt, weil diese der Stiftung eine Nutzungslizenz für bestimmte Werke nur einräumen wollte, wenn die Stiftung bestimmte technische Schutzmaßnahmen ergreift, um das Framing der Werke durch Dritte zu verhindern.
Der BGH hat jetzt entschieden, dass Verwertungsgesellschaften die Einräumung von Lizenzen sehr wohl vertraglich unter die Bedingung stellen dürfen, dass die Nutzer des Werkes den Schutz vor Framing gewährleisten.
Ein Lizenzstreit um Vorschaubilder
Stein des Anstoßes ist eine von der Stiftung betriebene Online-Plattform für Kultur und Wissen, über die digitalisierte Werke wie Bücher und Bilder zugänglich gemacht werden. Dabei verlinkt die Plattform selbst nur auf andere Websites, welche die Werke bereithalten. Die Links werden mit Vorschaubildern bebildert, die per Mausklick vergrößert werden können.
Nun sollten auf der Plattform auch die Werke Platz finden, für die die Stiftung von der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst die Lizenz bekommen wollte. Die entsprechenden Lizenzen für die Vorschaubilder wollte die Verwertungsgesellschaft der Stiftung aber nur dann einräumen, wenn durch technische Schutzmaßnahmen verhindert wird, dass diese Vorschaubilder auf Webseiten Dritter eingebettet werden können.
Demgegenüber war die Stiftung der Auffassung, dass ein solches Framing (also das Einbetten) unabhängig von Schutzmaßnahmen schon keine urheberrechtlich relevante Handlung darstelle, da die Vorschaubilder bereits auf ihrer Plattform für alle Internetnutzer frei zugänglich wären.
Der BGH folgt der Auffassung des EuGH zum Framing
Der Entscheidung geht ein abwechslungsreicher Weg durch die Instanzen voraus. Das LG Berlin hatte die Klage noch als unzulässig abgewiesen, das Kammergericht hingegen sah die klagende Stiftung im Recht. Der letztlich mit der Frage befasste BGH setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH die Frage vor, ob ein Framing der Vorschaubilder durch Dritte unter Umgehung von Schutzmaßnahmen eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 2001/29/EG darstellt. Dies bejahte der EuGH mit Urteil vom 9. März 2021 (Az. C-392/19), was über den entscheidenden Knackpunkt aussagt: Welches Publikum hat ein Werk und – darauf folgend – wie ist es geschützt?
Mit seinem aktuellen Urteil folgte der BGH der Auffassung des EuGH. Bereits 2014 hatte der EuGH in einem vielbeachteten Urteil (v. 21.10.2014, Az. C-348/13 - BestWater) entschieden, dass Framing dann keine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Urheberrechtes darstellt, wenn dadurch kein neues Publikum erschlossen wird. Maßgeblich ist dafür, an welches Publikum sich der Urheber bei der erstmaligen Veröffentlichung seiner Werke im Internet richtet. Wer keine Zugangsbeschränkungen vorsieht, macht seine Werke allen potenziellen Besucher einer Website zugänglich.
Technische Schutzmaßnahmen begrenzen das Publikum
Bei solchen Online-Veröffentlichungen ohne Zugangsbeschränkungen macht es aber keinen Unterschied, ob die Website, über die erstmals die Veröffentlichung im Internet erfolgte, direkt besucht wird oder die Werke indirekt über eine Verlinkung eigesehen werden. Das erreichbare Publikum bleibt dasselbe. Anders gesagt: Was bereits auf einer Website frei zugänglich ist, kann durch eine Verlinkung oder ein Framing auf einer anderen Website keinem neuen Publikum mehr zugänglich gemacht werden.
Was nach Auffassung des EuGH aber sehr wohl einen Unterschied macht, das sind die geforderten technische Schutzmaßnahmen. Denn in diesem Fall bezieht sich das Einverständnis der Urheber ausschließlich darauf, die Werke den Nutzern einer bestimmten Internetseite zugänglich zu machen. Werden die Werke aber durch Umgehung der Schutzmaßnahmen auf einer weiteren Website veröffentlicht, wird ein neues Publikum angesprochen. Ein Framing durch Dritte unter Umgehung technischer Schutzmaßnahmen stellt damit eine öffentliche Wiedergabe dar, die die Verwertungsgesellschaft im Interesse der von ihr vertretenen Urheber aber gerade nicht wünscht. Mit seinem nun verkündeten Urteil scheint der BGH dieser Argumentation des EuGH zu folgen.
Verwertungsgesellschaften müssen berechtigte Interessen ihrer Mitglieder berücksichtigen
Diese Auslegung des Begriffs der "öffentlichen Wiedergabe" hat zur Folge, dass das Framing unter Umgehung von Schutzmaßnahmen die Interessen der Urheber direkt betrifft. Diese Inteessen müssen von der Verwertungsgesellschaft entsprechend berücksichtigt werden. Zwar sieht Art. 34 Abs. 1 Verwertungsgesellschaftengesetz (VGG) einen Kontrahierungszwang für Verwertungsgesellschaften vor. Dadurch soll jedoch primär verhindert werden, dass Verwertungsgesellschaften ihre Monopolstellung missbräuchlich ausnutzen.
Nach Auffassung des BGH wird das Recht der Urheber an der öffentlichen Wiedergabe durch ein Framing verletzt. Dies sei bei der im Rahmen von Art. 34 Abs. 1 VGG vorzunehmenden Interessenabwägung entsprechend zu berücksichtigen. Damit widerspricht der BGH dem Kammergericht, das die Interessen der Urheber durch das Framing schon überhaupt nicht als betroffen ansah. Der BGH hat die Sache nun mit Hinweis auf die vorzunehmende Interessenabwägung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Mehr Flexibilität für Verwertungsgesellschaften und Urheber
Nach der eindeutigen Entscheidung des EuGH war das Urteil des BGH vom Donnerstag so zu erwarten. Bereits die Vorlage durch den BGH war teilweise kritisiert worden, zumal die bisher vom EuGH zum Framing entwickelten Kriterien für die Beurteilung des Falles ausreichend gewesen wären. Bedeutend ist allerdings die Klarstellung, dass die Vorschaubilder und das anschließende Framing zwei unterschiedliche urheberrechtlich relevante Handlungen darstellen können.
Für Verwertungsgesellschaften bedeutet das Urteil eine gewisse Flexibilität bei der Verhandlung von Lizenzen im Rahmen des Abschlusszwangs nach Art. 34 Abs. 1 VGG. Gleichzeitig stärkt der BGH die Rechtssicherheit für Urheber: Sie können die Kontrolle über ihre Werke im Internet bewahren, indem sie den Zugang zu ihren Werken beschränken. Voraussetzung ist allerdings, dass diese Zugangsbeschränkungen nicht bloß pauschal geäußert, sondern auch tatsächlich umgesetzt werden.
Julia Dönch, M.A. ist Rechtsanwältin und Partnerin bei der internationalen Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland. Sie ist spezialisiert auf den Gewerblichen Rechtsschutz und berät Unternehmen zu Fragen des Wettbewerbsrechts, Urheber- und Verlagsrechts.
Robin Schmitt ist Rechtsanwalt bei der internationalen Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland. Er spezialisiert sich auf den Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes und legt dort einen besonderen Schwerpunkt auf das Markenrecht.
BGH folgt dem EuGH: . In: Legal Tribune Online, 09.09.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45968 (abgerufen am: 13.10.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag