Die sogenannte heterologe In-vitro-Fertilisation ist in Deutschland verboten. Zeugungsunfähige Frauen, die die Behandlung im Ausland vornehmen lassen, können die Kosten nicht von ihrer privaten Krankenversicherung ersetzt verlangen, so der BGH.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am Mittwoch entschieden, dass in der privaten Krankheitskostenversicherung keine Leistungspflicht des Krankenversicherers für eine im Ausland vorgenommene und in Deutschland verbotene künstliche Befruchtung mit gespendeten fremden Eizellen besteht (Urt. v. 14.06.2017, Az. IV ZR 141/16).
Die sogenannte heterologe In-vitro-Fertilisation (IVF) ist eine Methode zur künstlichen Befruchtung. Dabei entnehmen Ärzte einer Spenderin Eizellen. Die Eizellen der Spenderin und die Samenspende des Mannes finden unter dem Mikroskop zusammen und werden anschließend der Patientin mit Kinderwunsch eingesetzt.
Die Methode ist umstritten und in Deutschland nach dem Embryonenschutzgesetz (ESchG) verboten. Das Verbot soll die Entstehung einer sogenannten gespaltenen Mutterschaft verhindern, bei der die austragende Mutter mit der genetischen Mutter nicht identisch ist.
Diese Bedenken des deutschen Gesetzgebers teilt man in etlichen anderen EU-Staaten nicht, wo sich das Verfahren längst zu einem boomenden Millionengeschäft entwickelt hat. Dort können sich auch deutsche Paare ihren Kinderwunsch mittels künstlicher Befruchtung erfüllen: Die Anbieter versprechen mit dieser Methode (fast) garantierten Nachwuchs.
Klägerin verlangte Erstattung für Behandlung mit gespendeten Eizellen
Auch die Klägerin und ihr Ehemann in dem nun vom BGH entschiedenen Rechtsstreit setzten ihre Hoffnungen auf das Verfahren. Die damals kinderlose Klägerin ließ sich die Eizellen einer anderen Frau einsetzen, nachdem mehrere Behandlungsversuche in Deutschland ohne Erfolg geblieben waren. Dazu begab sich die Klägerin in ein Zentrum für In-vitro-Fertilisation in der Tschechischen Republik, wo diese Behandlungsmethode erlaubt ist. Die behandelnden Ärzte führten mehrere Versuche einer Eizellspende mit IVF-Behandlung sowie verlängerter Embryokultivierung (Blastozystentransfer) durch, die letztlich zu einer Zwillingsschwangerschaft und zur Entbindung von zwei Jungen führten.
Nach Abschluss der Behandlung beanspruchte die Klägerin von dem beklagten Krankenversicherer die Erstattung der Kosten dieser Behandlung (rund 11.000 Euro). Der Versicherer lehnte eine Kostenerstattung ab. Er stützte die Ablehnung der Kostenerstattung unter anderem darauf, dass die Behandlung mit gespendeten Eizellen keine bedingungsgemäße Heilbehandlung und in Deutschland verboten sei.
Die Patientin klagte und unterlag in den Vorinstanzen. Der BGH setzte dem Rechtsschreit heute einen Schlusspunkt und wies die Revision der Klägerin zurück.
Der Rechtsstreit rückt zwei spannende Rechtsfragen in den Fokus der Gerichte: Stellt die Behandlung mit gespendeten fremden Eizellen eine "Heilbehandlung" im Sinne der Vertragsbedingungen einer Krankheitskostenversicherung dar? Und sind die Kosten einer im Ausland durchgeführten Behandlung mit gespendeten Eizellen auch dann erstattungsfähig, wenn die Behandlung in Deutschland verboten, im Ausland jedoch erlaubt ist?
Zu der ersten Rechtsfrage äußerte sich der BGH - soweit aus der bislang allein verfügbaren Pressemitteilung ersichtlich - nicht. Die zweite Rechtsfrage haben die Karlsruher Richter klar beantwortet.
Kein Erstattungsanspruch für in Deutschland verbotene Behandlungen
Der BGH lehnt die Erstattungspflicht des privaten Krankenversicherers für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung mit gespendeten fremden Eizellen ab. Das folge, so die Richter des BGH, aus der Auslegung des streitgegenständlichen Versicherungsvertrages.
Dem Versicherungsvertrag lagen die Musterbedingungen 2009 des Verbandes der privaten Krankenversicherung (MB/KK 2009) zugrunde. Nach diesen Musterbedingungen erstreckt sich der Versicherungsschutz auf "Heilbehandlungen in Europa". Der Umfang des Versicherungsschutzes ergibt sich unter anderen aus den "gesetzlichen Vorschriften". Ferner unterliegt der Versicherungsvertrag "deutschem Recht".
Diese Bestimmungen hat der BGH dahingehend ausgelegt, dass der Versicherer lediglich Aufwendungen für solche Heilbehandlungen zu ersetzen hat, die nach deutschem Recht in Deutschland erlaubt sind. Die künstliche Befruchtung mittels Eizellspende sei nach deutschem Recht jedoch verboten.
Zwar erstrecke sich der Versicherungsschutz nach den Musterbedingungen auch auf Heilbehandlungen in Europa. Aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers sei dies aber als Regelung des räumlichen Geltungsbereichs des Versicherungsschutzes zu verstehen und bedeute nicht, dass der Versicherer Aufwendungen für solche Behandlungen zu ersetzen hat, die in Deutschland verboten, in anderen europäischen Staaten aber erlaubt seien.
Der BGH verhindert damit, dass Krankenversicherer die Umgehung von in Deutschland bestehenden Heilbehandlungsverboten (ungewollt) unterstützen, indem sie die Kosten für vergleichbare Behandlungen im Ausland erstatten.
2/2: Kein Verstoß gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht
Die Klägerin war der Ansicht, die Versagung der Kostenerstattung verletze die europäische Dienstleistungsfreiheit, weil die Behandlung in der Tschechischen Republik erlaubt sei.
Dieser Argumentation folgten die Richter nicht. Ein Verstoß gegen europäisches Gemeinschaftsrecht läge nicht vor. Eine etwaige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit sei jedenfalls im vorliegenden Streitfall aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt.
Bereits die Vorinstanz (OLG München) hatte eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit wegen Diskriminierung von ausländischen Dienstleitern abgelehnt. Das OLG argumentierte, dass für Kinderwunsch-Behandlungen im Wege der Eizellspende in Deutschland von vorneherein keine Erstattungspflicht bestehe. Die Verneinung einer Erstattungspflicht für entsprechende im Ausland durchgeführte Maßnahmen führe damit nicht zu einer Schlechterstellung, sondern lediglich zu einer Gleichstellung ausländischer Dienstleister mit Dienstleistern aus Deutschland.
Behandlung mit Eizellspende eine "Heilbehandlung"?
Der BGH äußerte sich soweit ersichtlich nicht zu der weiteren spannenden Rechtsfrage, ob die Behandlung mit gespendeten Eizellen überhaupt eine bedingungsgemäße „Heilbehandlung“ im Rahmen einer Krankheitskostenversicherung ist.
Eine Heilbehandlung setzt eine ärztliche Tätigkeit voraus, die auf Heilung, Besserung oder auch Linderung einer Krankheit abzielt. Die Frage, ob die Behandlung mit gespendeten fremden Eizellen eine Heilbehandlung ist, war im vorliegenden Streitfall deshalb problematisch, weil die Behandlung der Klägerin keinen Einfluss auf die Krankheit der Klägerin hatte, die es ihr unmöglich macht, eigene Eizellen zu produzieren, um genetische Nachkommen zu zeugen. Die Behandlung "überging" vielmehr die Krankheit der Klägerin, indem dieser befruchtete fremde Eizellen eingesetzt wurden.
Deutsche Rechtslage nicht mehr zeitgemäß?
Das Elternglück aus dem Labor hat seinen Preis. Bis zu 15.000 Euro kostet die IVF-Behandlung mit Eizellspende im Ausland. Nach dem Urteil des BGH können Eltern nicht auf Kostenerstattung durch ihren privaten Krankenversicherer hoffen. Insoweit hat das Urteil des BGH für Rechtsklarheit gesorgt.
Es bleibt abzuwarten, ob das BGH-Urteil zum Anlass genommen wird, das über 27 Jahre alte Embryonenschutzgesetz unter die Lupe zu nehmen. Es stellt sich die Frage, ob die restriktive Haltung des deutschen Gesetzgebers, eine „gespaltene Mutterschaft“ zu verhindern, stringent und zeitgemäß ist. Eine "gespaltene Vaterschaft", die mittels Samenspende entsteht, hält der deutsche Gesetzgeber offenkundig nicht für problematisch. Ein Auseinanderfallen von sozialer* und genetischer Mutter besteht zudem auch bei Adoptivkindern. Eine gesellschaftliche Diskussion über die Fortentwicklung des Embryonenschutzgesetzes wäre jedenfalls wünschenswert.
Der Autor Cäsar Czeremuga, LL.M. ist Rechtsanwalt bei Wilhelm Rechtsanwälte in Düsseldorf. Er berät Unternehmen und Entscheidungsträger in Fragen des Haftungs- und Versicherungsrecht. Er war mehrere Jahre als Geschäftsführer der Forschungsstelle für Versicherungswesen an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster tätig.
*Wort geändert am 21.06.2017, 12:24 Uhr
RA Cäsar Czeremuga, LL.M., Elternglück aus dem Labor: Kein Erstattungsanspruch für Behandlung mit Eizellspende . In: Legal Tribune Online, 15.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23197/ (abgerufen am: 19.04.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag