Hat der Anwalt der NPD trotz eines sehr guten Examens kein Stipendium für einen Masterstudiengang bekommen, weil er Mitglied der Rechtsextremen ist? Die Abweisung seiner Klage durch den BGH ist für Peter Richter erst der Anfang.
Der saarländische NPD-Anwalt Peter Richter ist mit seiner Klage wegen eines entgangenen Stipendiums in seiner Studienzeit vor dem Bundesgerichtshof (BGH) gescheitert. Der 1985 geborene Richter ist überzeugt, dass er wegen seiner Mitgliedschaft in der rechtsextremen NPD leer ausging, und hatte deshalb über Jahre gegen die Studienstiftung des Saarlands prozessiert. Die hatte den Einser-Juristen im Jahr 2010 bei der Vergabe eines Stipendiums für einen zweisprachigen Master-Studiengang des Europa-Instituts der Universität des Saarlands nicht berücksichtigt.
Auch vor dem BGH wollte Richter erzwingen, dass über seine Bewerbung noch einmal entschieden werden muss. Damit blieb er, wie bereits vor dem Berufungsgericht, erfolglos: Weder habe er einen direkten Anspruch auf Stiftungsleistungen noch könne er eine neue Entscheidung über seine Bewerbung verlangen, entschied der I. Zivilsenat; seine Klage sei schon unzulässig, für seinen Hilfsantrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner Bewerbung gebe es kein Rechtsschutzbedürfnis, auch ein besonderes Rehabilitierungsinteresse bestehe nicht (BGH, Urt. v. 15.12.2016, Az. I ZR 63/15)
Der Vizechef der NPD Saar begreift die Entscheidung eher als Herausforderung denn als Niederlage. Für ihn geht es jetzt erst richtig los. Rechtsfortbildung im Kampf gegen die angebliche Diskriminierung von Mitgliedern seiner rechtsextremen Partei durch den angenommenen Main Stream - das ist genau sein Ding.
NPD-Anwalt: Weg für die Schadensersatzklage frei gemacht
Ob er gegen die BGH-Entscheidung zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ziehen will, will Peter Richter erst nach Durchsicht der Gründe entscheiden. Ganz sicher aber will er nun Schadensersatzklage erheben, sagte der Jurist mit den beiden exzellenten Examina (14,33 und 12,33 Punkte) am Donnerstag nach dem Verkündungstermin gegenüber LTO. Schließlich habe der Senat festgestellt, dass kein Primäranspruch mehr bestehe, sondern er auf einen Schadensersatzanspruch ausweichen müsse – und damit auch dürfe, denn einen Sekundäranspruch kann man nur geltend machen, wenn der primäre erloschen ist.
Die Auffassung des BGH, dass er mit dem Antrag auf eine neue Entscheidung über seine Bewerbung aus dem Jahr 2010 auf eine unmögliche Leistung geklagt habe, ist für Richter nicht allzu überraschend - auch wenn er, wie er gegenüber LTO einräumte, nach der mündlichen Verhandlung im September nicht unbedingt damit gerechnet habe, dass der BGH seine Klage als unzulässig erachten würde.
Sein Klageantrag aber war von Beginn an eine der großen Fragen des Verfahrens. Begonnen hatte nämlich alles mit einer Auskunftsklage, erst nach einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes, der die abweisenden Instanzentscheidungen aufhob, erklärte er seinen Auskunftsantrag für erledigt und stellte um auf Neubescheidung, hilfsweise die Feststellung der Rechtswidrigkeit. Ihm sei jederzeit klar gewesen, dass diese Anträge das Risiko bergen, als auf eine unmögliche Leistung gerichtet angesehen zu werden, erklärte Richter. Allerdings hätte er andernfalls bis zur Entscheidung des BGH umgekehrt auch befürchten müssen, dass die Klage wegen Vorrangs des Leistungsanspruchs abgewiesen würde, wenn er sie auf die Zahlung von Schadensersatz umgestellt hätte. Insofern sei ihm jetzt geholfen.
2/2: Schlechterstellung durch Flucht ins Privatrecht?
Die Argumentation des Senats, dass das Stipendium bereits an einen anderen Bewerber vergeben worden sei und er das Studium längst ohne die Unterstützung absolviert habe, ist aus Richters Sicht eine zu zivilrechtliche Herangehensweise an den Sachverhalt: "Selbstverständlich ist es möglich, einfach die Entscheidung von damals, meine Unterlagen im Vergleich mit denen der anderen Bewerber, noch einmal zu treffen. Welche Folgen eine eventuell anderslautende Entscheidung hätte, wäre dann eine ganz andere Frage". Diese Argumentation beschränke ihn in seinem Recht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes.
Schließlich sei es im Verwaltungsrecht, zum Beispiel im Beamten-, aber auch im Subventionsrecht, absolut üblich, auf Neubescheidung zu klagen, wenn ein anderer bei der Vergabe von Vorteilen bevorzugt wurde. Selbst eine bereits erfolgte Ernennung des erfolgreichen Bewerbers könne rückgängig gemacht werden, wenn die Konkurrenten nicht zuvor die Möglichkeit hatten, einstweiligen Rechtsschutz gegen die Auswahlentscheidung zu beantragen. Die habe es für ihn, so Richter im Jahr 2010, nicht gegeben. Erst nach Abschluss des Auswahlverfahrens hatte er die Mitteilung erhalten, dass seine Bewerbung wegen starker Nachfrage und nur eines verfügbaren Stipendiums nicht einmal in die Vorauswahl gekommen sei.
Diese öffentlich-rechtlichen Grundsätze will Richter angewendet sehen. Eigentlich müsste das Verfahren nämlich seiner Ansicht nach vor den Verwaltungsgerichten stattfinden. Die Beklagte ist eine vom Saarland gegründete gemeinnützige Stiftung, die Stipendien an Studierende der saarländischen Hochschulen vergibt. "Mit dieser Stiftung bedient sich das Saarland eines von ihm konstruierten privatrechtlichen Rechtsträgers", so Richter. So entziehe es sich seiner Verantwortung und flüchte ins Privatrecht. Das bekomme er nun zu spüren, weil er durch den zivilrechtlichen Rechtsweg, den er einschlagen müsse, schlechter gestellt werde als in einem öffentlich-rechtlichen Verfahren, in dem unter viel geringeren Voraussetzungen ein Rehabilitationsinteresse angenommen werde, so seine Argumentation.
Rechtsfortbildung im Namen der NPD
"Das ist für mich Jura im besten Sinne: Wenn ich etwas bewegen kann und Rechtsfortbildung betreiben", sagte Richter gegenüber LTO. Man muss den Mann, dessen Name spätestens seit seinem Auftritt für die NPD im Verbotsverfahren vor dem BVerfG auch einem breiten Publikum geläufig ist, nicht gut kennen, um zu begreifen, dass er diese Sache durchziehen wird. Besonders gern betreibt der Anwalt mit dem Kanzlei-Sitz an derselben Saarbrücker Adresse wie die NPD-Landeszentrale, die Rechtsfortbildung nämlich im Rahmen von Verfahren gegen angebliche Diskriminierung von Mitgliedern der rechtsextremen Partei. Die sieht er überall, erwähnt im Gespräch ebenso nebenbei wie selbstverständlich Verfahren von Parteikollegen, die "auch diskriminiert werden".
Ob es ihm gelingen wird, nun im dritten Anlauf die Instanzgerichte davon zu überzeugen, dass er wegen seiner Mitgliedschaft in der NPD kein Stipendium bekommen hat, könnte auch von den Gründen des BGH-Urteils abhängen, die noch nicht veröffentlicht wurden. In der bislang einzig verfügbaren Pressemitteilung finden sich zwar Ausführungen dazu, dass die beklagte Stiftung bei ihrer Entscheidung mehrere Aspekte berücksichtigt und das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen habe, dass Richter durch die Ablehnung diskriminiert worden sei. Diese Ausführungen dürften aber, zumal sie vermutlich nicht einmal in entscheidungserheblichem Kontext getätigt wurden, als bloßes obiter dictum jedenfalls formal keine Bindungswirkung entfalten.
Aus der Sicht von Richter jedenfalls liegt bisher noch keine Entscheidung in der Sache vor. Und er wird, mindestens im Rahmen des Schadensersatzverfahrens, alles daran setzen, eine solche Entscheidung zu bekommen. Auch wenn er dafür darlegen und beweisen muss, dass er bei ordnungsgemäßer Vergabe das Stipendium hätte erhalten müssen – eine Beweisführung, die selbst der BGH wegen des weiten Entscheidungsspielraums der Stiftung für schwierig erklärt und die der NPD-Anwalt ohne die Unterlagen der Stiftung seiner eigenen Meinung nach gar nicht erbringen kann. Aber auch das sieht er positiv: In der mündlichen Verhandlung habe der BGH-Senat deutlich gemacht, dass er die bisherige Bewertung der Darlegungs- und Beweislastverteilung in Bezug auf die behauptete Diskriminierung durch die Instanzgerichte für nicht tragfähig halte.
Man darf damit rechnen, dass der NPD-Anwalt, um sich das bestätigen zu lassen, notfalls noch einmal bis zum BGH – oder gar weiter - gehen wird. Und damit vielleicht für die Fortbildung des Rechts sorgt. Ganz sicher aber für die PR-Arbeit der Rechten.
Mit Materialien von dpa
Pia Lorenz, NPD-Anwalt scheitert mit Diskriminierungsklage vor BGH: Rechtsfortbildung im Namen der Rechten . In: Legal Tribune Online, 15.12.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21485/ (abgerufen am: 20.04.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag