In Sachen Framing versäumt es der BGH ein weiteres Mal, eigene Akzente zu setzen, meint Andreas Biesterfeld-Kuhn zu einem Rechtsstreit, der seines Erachtens nicht unbedingt bis nach Luxemburg hätte getragen werden müssen.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am Donnerstag entschieden, dass er in Sachen Framing erneut den Europäischen Gerichtshof (EuGH) im Rahmen einer Vorlagefrage um rechtlichen Input bitten will (Beschl. v. 25.04.2019, Az. I ZR 113/18). Beim Framing werden Inhalte einer fremden Internetseite per elektronischer Verlinkung auf einer anderen Website abrufbar gemacht.
Konkret geht es dieses Mal um die Frage, ob eine Verwertungsgesellschaft einem Nutzer vorschreiben darf, dass er wirksame technische Maßnahmen gegen das Framing ergreifen muss, wenn er mit ihr einen Nutzungsvertrag abschließen will. Nachdem der EuGH sich bereits im Jahr 2014 sehr nutzerfreundlich zum Framing geäußert hat (Beschl. v. 21.10.2014, Az. C 346/13, BestWater), ist davon auszugehen, dass er wohl auch im aktuellen Fall eine öffentliche Wiedergabe im Sinne der Richtlinie 2001/29/EG ablehnen wird.
In dem am Donnerstag dem EuGH vorgelegten Fall streiten sich die klagende Stiftung Preußischer Kulturbesitz als Trägerin der Deutschen Digitalen Bibliothek (DDB) und die beklagte Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst (VG Bild-Kunst). Die Ausgangslage unterscheidet sich hier durchaus von den bislang entschiedenen Framing-Fällen. So geht es dieses Mal nicht darum, dass eine der Parteien selbst ohne Zustimmung der anderen Partei urheberrechtlich geschützte Inhalte mittels Framing in die eigene Seite einbettet. Es ist vielmehr so, dass die Stiftung eine Online-Plattform für Kultur und Wissen anbietet, auf welcher über Links digitalisierte Inhalte abrufbar gemacht werden, die jedoch in den externen Webportalen deutscher Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen abgespeichert sind. Dabei nutzt die DBB Vorschaubilder dieser digitalisierten Inhalte, die zum Teil urheberrechtlich geschützt sind.
Streit um spezielle Klausel im Nutzungsvertrag
Die Stiftung verlangt von der VG Bild-Kunst, welche die urheberrechtlichen Befugnisse der ihr angeschlossenen Urheber wahrnimmt, den Abschluss eines Nutzungsvertrages in Bezug auf diese Vorschaubilder. Sie begehrt also gerade explizit eine rechtliche Grundlage, um die Vorschaubilder zulässig nutzen zu können. Einen solchen Nutzungsvertrag will die VG Bild-Kunst jedoch nur abschließen, wenn die DBB bei der Nutzung der vertragsgegenständlichen Werke wirksame technische Maßnahmen zum Schutz dieser Werke gegen Framing anwendet. Das Framing kommt hier also nur über einen Umweg überhaupt ins Spiel.
Weil damit viel Aufwand und vor allem hohe Kosten verbunden wären, lehnte die Stiftung jedoch eine solche Klausel ab und erhob eine Feststellungsklage mit dem Ziel, feststellen zu lassen, dass die VG Bild-Kunst zum Abschluss eines Nutzungsvertrages ohne die von ihr zur Bedingung gemachte Klausel verpflichtet sei. In zweiter Instanz wurde der Klägerin genau das auch vom Berliner Kammergericht bestätigt (KG, Urt. v. 18.06.2018, Az. 24 U 146/17). Die Berliner Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass die VG Bild-Kunst nach § 34 Abs. 1 des Verwertungsgesellschaftsgesetzes (VGG) einem Abschlusszwang unterliegt, wonach sie verpflichtet sei, jedermann auf Verlangen zu angemessenen Bedingungen Nutzungsrechte einzuräumen.
Die von ihr geforderte Pflicht zur Ergreifung wirksamer technischer Maßnahmen gegen das Framing würden jedoch keine angemessenen Bedingungen darstellen. Denn beim Framing – so die banale These der Richter am Kammergericht – handle es sich nach der Rechtsprechung des EuGH nicht um eine urheberrechtlich relevante Nutzung, gegenüber welcher der Urheber eines Schutzes bedürfe. Wenn keine urheberrechtliche Nutzungshandlung vorliege, könne der Urheber das Framing nämlich gar nicht untersagen und dementsprechend hierfür auch keine Lizenz einräumen. Insofern sei die von der VG Bild-Kunst angestrebte Klausel unzulässig, entschied das KG.
BGH hat beim Thema Framing nach wie vor Bauchschmerzen
Zur Erinnerung: Der EuGH hatte in seiner BestWater-Entscheidung ausgeführt, dass das Framing keine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG darstelle, wenn weder ein neues Publikum erschlossen noch eine neue Technik verwendet wird. Die Richter am Kammergericht subsumierten den ihnen vorgelegten Fall unter diese Vorgaben und kamen zu dem Schluss, dass die Vorschaubilder, um die es in dem konkreten Fall geht, ausnahmslos auf Internetseiten verschiedener Kultur- und Wissenseinrichtungen im Internet verlinken, auf denen diese Bilder sowieso hochauflösend frei zugänglich sind. Die Wiedergabe auf der Internetseite der DDB erfolge deshalb weder unbefugt noch gegenüber einem begrenzten Personenkreis, sodass auch durch ein nachgeschaltetes Framing kein neuer Publikumskreis erschlossen werde. Auch komme es im konkreten Fall nicht zur Verwendung einer neuen Technik, schloss das KG.
Der BGH hätte es sich deshalb am Donnerstag ganz einfach machen können, indem er die sorgfältig geprüfte und fundiert aufbereitete Entscheidung des Kammergerichts einfach bestätigt hätte. Er hat dies aber nicht getan, was dafür spricht, dass er seine Bauchschmerzen, die ihn beim Thema Framing bereits seit dem Jahr 2013 begleiten, nach wie vor nicht abgeschüttelt hat.
Dies ist umso erstaunlicher als dass die Hintertür, die er selbst sich in seiner Entscheidung vom 9. Juli 2015 (Az. I ZR 46/12) offen gelassen hat, vorliegend überhaupt keine Rolle spielt. Denn dort hatte der BGH angedeutet, dass man im Falle des Framings trotz der BestWater-Rechtsprechung des EuGH eine urheberrechtlich unzulässige öffentliche Wiedergabe durchaus in Betracht ziehen könne, wenn für die ursprüngliche Nutzung des geframten Werkes keine Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers vorliegt. In dem aktuellen Fall ist die Gestattung der Urheber zur ursprünglichen Nutzung jedoch offenbar vollkommen unstrittig.
Der EuGH als Überbringer schlechter Nachrichten?
Es erschließt sich daher nicht, wo der BGH überhaupt einen Anknüpfungspunkt dafür sehen könnte, wie die Vorschaubilder auf der Website der DDB im Wege des Framing das Recht der Urheber zur öffentlichen Wiedergabe verletzen.
Nun liegt es am EuGH, der VG Bild-Kunst bzw. den von ihr vertretenen Urhebern zu vermitteln, dass sie sich wohl nicht gegen ein entsprechendes Framing zur Wehr setzen können. Böse formuliert könnte man – angesichts der Erwartbarkeit der Entscheidung – sagen, dass der BGH den EuGH als Überbringer schlechter Botschaften missbraucht. Der BGH hingegen wird sich im Nachhinein auf die Fahnen schreiben können, dass er die Belange der Urheber angemessen berücksichtigt hat und vom EuGH zu einer für diese nachteiligen Entscheidung gezwungen wurde.
Doch es wäre aus der Sicht der Urheber falsch, die "Schuld" sodann beim EuGH zu suchen, denn dieser entscheidet nur auf Grundlage der geltenden Rechtsnormen. Es wäre daher aus Sicht der Urheber zielführend, auf eine gesetzliche Grundlage hinzuwirken, die einen vernünftigen Ausgleich zwischen der Informations- und Meinungsfreiheit auf der einen Seite und den berechtigten wirtschaftlichen Interessen der Urheber auf der anderen Seite sicherstellt. Die aktuelle Diskussion um Upload-Filter zeigt bedauerlicherweise, wie schwierig ein solches Unterfangen ist. Wenn sich alle Beteiligten zurückhielten, wahlweise den Untergang des freien Internets oder den Untergang des Urheberrechts zu propagieren, würde alles viel einfacher sein.
Der Autor Andreas Biesterfeld-Kuhn ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Lampmann, Haberkamm & Rosenbaum Partnerschaft in Köln. Er ist spezialisiert auf das Urheber- und Medienrecht und dort insbesondere auf Rechtsverletzungen im Internet.
BGH legt EuGH zum Framing vor: . In: Legal Tribune Online, 25.04.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/35065 (abgerufen am: 15.10.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag