2/2: Technische Funktion als Stolperstein beim Traubenzuckertäfelchen
Im Fall des Traubenzuckertäfelchens ergab sich für die Vorinstanz die fehlende Schutzfähigkeit der eingetragenen Marke daraus, dass diese ausschließlich aus einer Form bestünde, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich sei, § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
Das BPatG stellte hierzu fest, dass das Traubenzuckertäfelchen drei wesentliche Merkmale aufweise:
Die Form eines flachen Quaders, abgerundete Ecken und Kanten sowie die im Täfelchen mittig verlaufende Vertiefung.
Letztere erfülle die technische Funktion einer Sollbruchstelle zur leichten und gleichmäßigen Teilung des Täfelchens. Die abgerundeten Ecken und Kanten dienten dazu, den Verzehr zu erleichtern. Die Form des flachen Quaders ermögliche schließlich eine raumsparende Konfektionierung der Ware, die gerade beim Transport durch den Verbraucher dienlich sei.
BGH bleibt eng am Wortlaut
Der BGH hat auch hier die Auffassung des BPatG nicht gebilligt, sondern nur der Quaderform zum platzsparenden Mitführen und der V-förmigen Einkerbungen zur Portionierung rein technische Funktionen zugewiesen.
Die besonders geformten Ecken und Kanten dagegen machen aus Sicht des BGH lediglich den Verzehr angenehmer und haben somit zwar eine haptische und sensorische Wirkung, jedoch keine technische Funktion.
Der BGH betont in beiden Entscheidungen mit erfreulicher Deutlichkeit das Erfordernis einer eng am Wortlaut orientierten Auslegung der Ausschlussgründe und stärkt damit den Form-Markenschutz.
Reichweite des Markenschutzes bleibt offen
Wenn der Marktüberblick selbst bereits zeigt, dass dem Käufer zahlreiche unterschiedliche Formen derselben Produktart gegenübertreten, kann man richtigerweise nicht mehr davon ausgehen, dass die gewählte Form ausschließlich durch die Art der Ware selbst bedingt ist, wie es aber § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG verlangt. Der Bereich der Tafelschokolade, in welchem vor allem rechteckige Formen das Gros des Angebotes prägen, zeigt vielmehr, dass gerade auch andere Ausgestaltungen üblich sind.
Ebenso pragmatisch ist der BGH offenbar auch bei der Bewertung der Schutzfähigkeit der Dextro Energy-Täfelchen vorgegangen. Er betont im Sinne des vorgenannten Ausschließlichkeitserfordernisses, dass eine Warenformmarke nur dann nicht schutzfähig im Sinne des § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist, wenn ausnahmslos alle ihre wesentlichen Merkmale technische Funktionen aufweisen. Da dies für die Gestaltung der Ränder der Täfelchen und die Stapelung der Einzeltäfelchen mit diesen Rändern nicht festgestellt werden konnte, wurden auch hier die angegriffenen Entscheidungen des Bundespatentgerichts aufgehoben.
Eine von diesen Erwägungen zur grundsätzlichen Eintragungsfähigkeit der Formmarken zu unterscheidende Frage ist aber sicherlich, wie weit dann später der aus der Eintragung resultierende tatsächliche Markenschutz reichen kann und wie groß der Schutzbereich der jeweiligen Formmarken künftig überhaupt ist. Quaderform und Sollbruchstelle sind jedenfalls bei den Traubenzuckertäfelchen schon jetzt auch aus Sicht des BGH rein technisch bedingt und somit nicht monopolisierbar. Es wird sich also erst im jeweiligen Einzelfall bemessen lassen, wie weit man das erhaltene Markenrecht tatsächlich gegen Nachahmerprodukte und ähnliche Gestaltungsformen wird durchsetzen können.
Der Autor Dr. Ingo Jung ist Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz und Partner bei CBH Rechtsanwälte im Bereich Geistiges Eigentum & Medien in Köln.
Ingo Jung, BGH bestätigt Markenschutz für Ritter Sport und Dextro Energy: . In: Legal Tribune Online, 19.10.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25113 (abgerufen am: 03.12.2024 )
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