BGH zu berufsrechtlichem Aufsichtsverfahren: Schwei­gepf­licht gilt auch ohne Vor­be­halt

von Dr. Christian Deckenbrock

11.03.2016

Weil ein Rechtsanwalt nicht ausdrücklich widersprach, gab die RAK Stellungnahmen des Anwalts aus seinem berufsrechtlichen Verfahren an den Beschwerdeführer weiter. Christian Deckenbrock über die aktuelle Rechtsprechung zum Thema.

Der Anwaltssenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat in einem noch nicht veröffentlichten Urteil (v. 11.1.2016, Az. AnwZ (Brfg) 42/14) die Rechte eines Anwalts gestärkt, gegen den aufgrund einer Beschwerde eines Dritten ein berufsrechtliches Aufsichtsverfahren eingeleitet worden ist. Die Verschwiegenheitspflicht des Kammervorstands verbietet es grundsätzlich, im Aufsichtsverfahren abgegebene Stellungnahmen des Anwalts ohne dessen eindeutige Zustimmung an den Beschwerdeführer weiterzuleiten, so der Senat. Nicht nur die betroffene Rechtsanwaltskammer (RAK) Köln, sondern auch viele andere Kammern müssen somit künftig ihre Praxis in Aufsichtsverfahren umstellen.

Ausgangspunkt des Rechtsstreits war ein Aufsichtsverfahren, das die RAK Köln gegen eines ihrer Mitglieder wegen eines angeblichen Verstoßes gegen ein berufsrechtliches Tätigkeitsverbot angestrengt hatte. Diesem Aufsichtsverfahren wiederum lag eine Beschwerde der RAK München zugrunde. Nach Eingang der Beschwerde forderte die Kölner Kammer den betroffenen Rechtsanwalt nach § 56 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) zur Auskunft auf. Dabei wies sie den Anwalt auf Folgendes hin: "Die Zweitschrift Ihrer Stellungnahme ist grundsätzlich zur Weiterleitung an den Verfasser der Eingabe bestimmt, um ihm Gelegenheit zur abschließenden Äußerung zu geben. Soweit Ihre Stellungnahme ausschließlich nur für den Kammervorstand bestimmt sein soll, müssen Sie darauf besonders hinweisen."

Da der betroffene Rechtsanwalt in seiner Stellungnahme keinen Vorbehalt machte, wurde diese auch der Münchener Kammer mit der Bitte um ergänzende Äußerung zugeleitet. Dies wiederum rief den Anwalt auf den Plan, der einen Verschwiegenheitsverstoß des Kammervorstands rügte. Er begehrte unter anderem die Feststellung, dass die RAK Köln nicht berechtigt gewesen sei, seine in dem Aufsichtsverfahren abgegebenen Stellungnahmen ohne seine ausdrückliche Zustimmung an die RAK München weiterzuleiten.

Verschwiegenheitspflicht gegen Verfahrenstransparenz

Der Anwaltsgerichtshof (AGH) Hamm hatte in der Vorinstanz (Urt. v. 9.5.2014, Az. 1 AGH 6/14 V) die Klage noch als unzulässig angesehen, weil die Kölner Kammer zwischenzeitlich erklärt hatte, keine (weiteren) Stellungnahmen des Rechtsanwalts in diesem Verfahren weiterzuleiten. Auch nach dem BGH hat eine solche Erklärung grundsätzlich das für die Zulässigkeit der Klage erforderliche Feststellungsinteresse entfallen lassen. In diesem Streitfall kam aber die Besonderheit hinzu, dass die Kölner Kammer in einem weiteren, gegen denselben Rechtsanwalt gerichteten Aufsichtsverfahren ebenfalls die beanstandeten Passagen verwendete. Hieraus leitete der Anwaltssenat dann unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr das notwendige Feststellungsinteresse ab.

Auch in der Begründetheit bekam der Kläger mit seinem zentralen Antrag weitgehend Recht. Der Senat hält zunächst fest, dass die Stellungnahmen, die der Rechtsanwalt in einem ihm betreffenden berufsrechtlichen Aufsichts- und Beschwerdeverfahren gegenüber dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer abgibt, Bestandteil der über ihn von der Kammer geführten Personalakte ist. Sie unterliegen der Pflicht zur Verschwiegenheit, die die Vorstandsmitglieder der Rechtsanwaltskammer nach § 76 Abs. 1 BRAO "gegen jedermann" zu bewahren haben.

Zitiervorschlag

Christian Deckenbrock, BGH zu berufsrechtlichem Aufsichtsverfahren: . In: Legal Tribune Online, 11.03.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18764 (abgerufen am: 03.10.2024 )

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