Abgelehnter Bewerber für BGH-Anwaltschaft klagt: "Es darf nicht heißen, wer kennt wen"

Interview mit Prof. Dr. Volker Römermann

21.10.2013

3/3: "Die Filterfunktion war der Kostenvorschuss"

LTO: Hat eine BGH-Kanzlei Ihnen schon mal von einer Revision abgeraten?

Römermann: Das wird ja immer als Filterfunktion angeführt. Ich persönlich habe bisher nur erlebt, dass eine Rechnung für einen Kostenvorschuss kam und wenn die gezahlt wurde, war alles in Ordnung, wenn nicht, dann ging das Verfahren eben nicht weiter. Das war dann die Filterfunktion. Es gibt auch keine Statistik darüber, wie viele Mandate von den BGH-Anwälten abgelehnt werden.

Außerdem halte ich den Grundgedanken dieser Filterfunktion durchaus für problematisch. Das heißt nämlich, dass ein BGH-Anwalt aussucht, ob ein Fall in Karlsruhe verhandelt wird. Aber ist es wirklich Aufgabe eines Anwalts, die Sache wie ein Richter zu entscheiden?

Häufig teilt der BGH-Anwalt einem Mandanten bei angenommener Erfolglosigkeit erst ganz kurz vor Fristablauf mit, dass das Rechtsmittel nicht eingelegt wird. Der Mandant hat dann faktisch keine Chance, noch einen anderen Anwalt zu finden. Weder zeitlich noch oft finanziell, denn auch ein anderer BGH-Anwalt arbeitet ja nicht gratis. Das Rechtsmittel ist damit tot. Und entschieden hat darüber der BGH-Anwalt.

LTO: Geht es nicht eher darum, den Arbeitsaufwand zu reduzieren, den unnötige Rechtsmittel verursachen? Das BVerfG, wo jeder ohne Vertretung Verfassungsbeschwerde einlegen kann, klagt schon seit einer Weile über eine massive Belastung durch unsinnige Verfassungsbeschwerden.

Römermann: Das stimmt natürlich. Aber wenn man sich mal die Rechtsbeschwerden ansieht, von denen insbesondere der Banken- und der Insolvenzrechtssenat betroffen sind, hat man den Eindruck, dass dieser Filter überhaupt nicht funktioniert. Diese beiden Senate werden überschwemmt von Rechtsbeschwerden, die alle abgeschmettert werden.

Und wenn in den Statistiken nur sehr wenige Rechtsmittel auftauchen, die als unzulässig abgewiesen worden sind, dann verschweigen diese Zahlen, dass viele Rechtsmittel nach einem Hinweis vom Senatsvorsitzenden auf die Unzulässigkeit zurückgenommen werden.

"Der Markt würde eine zuverlässigere Qualitätsauswahl treffen"

LTO: Die Begrenzung der Zahl der BGH-Anwälte wird damit begründet, dass neuen Kollegen die Chance gegeben werden soll, sich am Markt behaupten zu können. Leuchtet Ihnen das ein?

Römermann: Das ist doch eine unsinnige Argumentation. Wer zu schlecht ist, um am Markt zu bestehen, dem können doch nicht Mandate zugeschustert werden, indem man den Markt künstlich klein hält. Wer das will, vernachlässigt völlig die Interessen der Mandanten, optimal vertreten zu werden.

LTO: Auf der anderen Seite verbietet man den BGH-Anwälten aber, vor anderen Gerichten aufzutreten.

Römermann: Ja, aber sie dürfen natürlich weiter beraten. Einige BGH-Anwälte sind außerdem etwa in der Schiedsgerichtsbarkeit unterwegs. Und das ist bei Weitem nicht alles. Der verstorbene BGH-Anwalt Rudolf Nirk saß beispielsweise im Aufsichtsrat von BMW. Es gibt also schon andere Standbeine. Kein Wunder, dass durchaus nicht jeder BGH-Anwalt stets in Karlsruhe anzutreffen ist – allen gegenteiligen Behauptungen zum Trotz. Letztlich sollte der Markt entscheiden, wer als BGH-Anwalt sein Auskommen findet und wie viele benötigt werden.

LTO: Eine Qualitätsauswahl könnte also auch vom Markt getroffen werden?

Römermann: Ich denke, sogar zuverlässiger, als sie momentan stattfindet.

"Ich will die Zulassung der Kollegen nicht weiter blockieren"

LTO: In den nächsten Tagen wird das BMJ wohl über die Bestellung der neuen BGH-Anwälte entscheiden. Sie haben versucht, das mit einem Antrag auf eine einstweilige Anordnung zu stoppen. Der BGH hat dieses Begehren vor einigen Tagen abgelehnt. Zum BVerfG wollen Sie nun trotzdem nicht ziehen. Warum?

Römermann: Meine Befürchtung war folgende: Wenn der Wahlausschuss einen Bedarf von acht Personen definiert und das BMJ diese acht Stellen besetzt, wäre ich auf einen Schadensersatzanspruch verwiesen worden, wenn meine Klage in der Hauptsache Erfolg hat. Die Stellen wären dann nämlich bereits vergeben und wieder wegnehmen kann man einem Anwalt die Zulassung nicht. Ein Schadensersatzanspruch ließe sich aber kaum beziffern.

Deswegen wollte ich erreichen, dass die Stellen offengehalten werden. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger war aber nicht bereit, wie beim letzten Mal ein Stillhalteabkommen zu schließen.

Der BGH hat nun entschieden, dass ich in jedem Fall zusätzlich zugelassen werden kann, wenn meine Klage in der Hauptsache Erfolg hat. Damit habe ich kein Interesse mehr daran, Zulassungen zu blockieren. Das finde ich auch viel sympathischer, weil ich ja nicht gegen die anderen Kandidaten vorgehen will. Mir geht es nur darum, festzustellen, ob überzeugende Auswahlkriterien definiert und dann auch korrekt angewandt worden sind und ob es irgendeine Grundlage für die Bedarfsermittlung gibt. Und wenn nicht, dann würde ich gerne zusätzlich eine Zulassung bekommen.

Woher die Zahl acht bei der Bedarfsermittlung kommt, weiß derzeit niemand. Der Wahlausschuss hat sich das ausgedacht, aber soweit ersichtlich ohne jede Analyse der Situation. Ich habe mir einmal die Altersstruktur der aktuellen BGH-Anwälte angesehen. 16 BGH-Anwälte sind 65 oder zum Teil deutlich älter. Das haben wir in der Klage im Einzelnen aufgearbeitet und diese Dokumente sind alle im Internet nachzulesen. Kann man bei 16 Kollegen im Rentenalter wirklich annehmen, der Bedarf an Ersatz sei in den nächsten Jahren insgesamt acht?

LTO: Hat sich in dieser Entscheidung des BGH ihre Befürchtung einer Befangenheit bewahrheitet?

Römermann: Das kann man so gar nicht feststellen. Ich kann nicht behaupten, dass sich einer der Richter mir gegenüber unfair verhalten hätte. Meine Befürchtung ist eher abstrakt. Aber von der Hand zu weisen ist sie angesichts der geschilderten personellen Konstellation sicher nicht.

LTO: Vielen Dank für das Gespräch.

Prof. Dr. Volker Römermann ist Rechtsanwalt in Hamburg und Honorarprofessor an der Humboldt-Universität zu Berlin.

Das Interview führte Claudia Kornmeier.

Zitiervorschlag

Prof. Dr. Volker Römermann, Abgelehnter Bewerber für BGH-Anwaltschaft klagt: "Es darf nicht heißen, wer kennt wen" . In: Legal Tribune Online, 21.10.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9849/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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