Abgelehnter Bewerber für BGH-Anwaltschaft klagt: "Es darf nicht heißen, wer kennt wen"

Interview mit Prof. Dr. Volker Römermann

21.10.2013

2/3: "Ein faires Verfahren ist vor dem BGH menschenunmöglich"

LTO: Sie haben Ihre Klage gegen die Entscheidung des Wahlausschusses nicht wie üblich beim BGH eingereicht, sondern beim Verwaltungsgericht Karlsruhe. Warum?

Römermann: Im Gesetz ist die Zuständigkeit des BGH seit 2009 nicht mehr ausdrücklich geregelt. Seitdem heißt es in § 112a Abs. 3 Nr. 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) nur noch, dass der BGH für Klagen zuständig ist, die Entscheidungen betreffen, die das BMJ getroffen hat oder für die es zuständig ist. Wenn aber ein Bewerber schon vom Wahlausschuss abgelehnt wird, endet das Verfahren dort. Es kommt nie zum BMJ, das nur über die Zulassung von vom Wahlausschuss vorgeschlagenen Bewerbern entscheidet. Der Wortlaut der Norm ist also durchaus auf meiner Seite.

Außerdem geht es um effektiven Rechtschutz. Ein faires Verfahren mit neutralen und objektiven Richtern ist vor dem BGH einfach nicht möglich. Im Wahlausschuss für die BGH-Anwälte sitzen der BGH-Präsident und alle Vorsitzenden der Zivilsenate. Da die Richter des Anwaltssenates, die für meine Klage gegen den Wahlausschuss zuständig wären, gleichzeitig in einem anderen Senat tätig sind, müssten sie nicht nur gegen ihren Dienstvorgesetzten, sondern auch gegen ihre Senatsvorsitzenden entscheiden. Der BGH-Präsident ist zudem Vorsitzender des Anwaltssenats, auch wenn er in der konkreten Sache vertreten wird.

Ich bin davon überzeugt, dass sich die Richter redlich um Objektivität bemühen. Aber ich glaube auch, dass es schlichtweg menschenunmöglich ist, dem eigenen Dienstherrn und Senatsvorsitzenden gegenüber komplett neutral zu sein, wenn der auf Beklagtenseite steht und selbst – wie das letzte Verfahren im Jahre 2006 deutlich gezeigt hat – mit Verve eine bestimmte Position einnimmt. Die Richter müssen ja auch noch nachher mit ihren Vorsitzenden und dem Präsidenten täglich zusammenarbeiten. 

LTO: Gegen diesen Vorwurf der Befangenheit wendet der Präsident der Rechtsanwaltskammer beim BGH Peter Baukelmann ein, dass nicht dieselben Personen im Wahlausschuss sitzen wie im Anwaltssenat, der über die Konkurrentenklage entscheidet.

Römermann: Es sind nicht dieselben Personen, das ist richtig. Also der BGH-Präsident ist in dieser Sache nicht gleichzeitig Parteivertreter des Beklagten und sitzt vorne auf der Richterbank, sondern er lässt sich auf der Richterbank vertreten. Aber das Ganze ist ja alles andere als eine emotionslose Sache. Wenn die Richter des Anwaltssenats diese von ihrem Präsidenten und allen Vorsitzenden der Zivilsenate getroffene Wahl oder gar das System insgesamt tatsächlich kippen, würde das die Stimmung beim BGH deutlich verschlechtern. Dass wir hier neutrale Richter eines anderen Gerichts anrufen und die BGH-Richter von vorneherein nicht der Peinlichkeit aussetzen, ihren Präsidenten als Parteivertreter vor sich zu haben, ist sicherlich für jeden gut nachvollziehbar. Mir daraus einen Vorwurf zu machen, ist absurd. 

"Ein Heer an Mitarbeitern, deren Qualifikationen niemand kennt"

LTO: Sie hatten selbst schon Verfahren in Zivilsachen, die bis zum BGH gegangen sind. Wie haben Sie da die Zusammenarbeit mit den BGH-Anwälten erlebt?

Römermann: Ich arbeite dort mit einem Kollegen zusammen, dessen Arbeit ich sehr schätze. Ich sage ja auch nicht, dass die BGH-Anwaltschaft per se schlecht ist. Es gibt einfach nicht nur kluge Köpfe dort und umgekehrt gibt es überall in der Republik kluge Köpfe, die davon abgehalten werden, in Karlsruhe aufzutreten.

LTO: Konnte Ihnen der Kollege denn mit den Besonderheiten des Revisionsrechts helfen?

Römermann: Das vom BGH anzuwendende Verfahrensrecht selbst besteht ja nur aus ein paar Paragraphen. In Wirklichkeit geht es auch beim BGH um das materielle Recht und da kennen sich die BGH-Anwälte nicht unbedingt in allen seinen Facetten und Spezialgebieten aus, weil sie ja für alle möglichen Rechtsgebiete zuständig sein müssen. Sie  haben dafür deshalb ein Heer an Mitarbeitern. Und damit stellen sie das System eigentlich selbst in Frage. Da wird ein großes Aufhebens um die Auswahl der BGH-Anwälte gemacht - und am Ende machen die eigentliche Arbeit Juristen, die kein Mensch kennt, geschweige denn ausgewählt hat. Über deren Qualifikation wissen wir überhaupt nichts.

Günter Herrmann, der als Rechtsanwalt über zwei Jahrzehnte bei verschiedenen renommierten BGH-Kanzleien gearbeitet hat, berichtet, dass einige BGH-Anwälte die vorinstanzlichen Gerichtsakten zum Teil überhaupt nicht lesen und schon gar nicht bearbeiten, sondern die Rechtsmittelbegründungen bzw. -erwiderungen von juristischem Personal fertigen lassen und keine Kenntnis vom Inhalt der Schriftsätze nehmen, die unter ihrem Namen beim BGH eingereicht werden.

Zitiervorschlag

Prof. Dr. Volker Römermann, Abgelehnter Bewerber für BGH-Anwaltschaft klagt: "Es darf nicht heißen, wer kennt wen" . In: Legal Tribune Online, 21.10.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9849/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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